“Schleudergang der sozialen Medien”: Drosten kritisiert Angriffe auf die Wissenschaft

8. November 2020 Aus Von mvp-web

Der Virologe Christian Drosten hat den Wert unabhängiger Wissenschaft gegen teils harsche Kritik in sozialen Medien verteidigt und auf die Logik des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns verwiesen. Gerade in den sozialen Medien finde demnach keine sachliche Diskussion statt.

In der Corona-Pandemie sei es seine Aufgabe, „die Methoden meines Fachgebietes zu erklären, die Grenzen wissenschaftlicher Studien aufzuzeigen, einzuordnen, was Fakt und was Fiktion ist“, erklärte Drosten in einer Rede am Sonntag. Forscher müssten „ein realistisches Bild zeichnen und nicht das gewünschte“. Daher fühle er sich auch verpflichtet, „korrigierend einzugreifen und ausgemachten Unsinn auch einmal beim Namen zu nennen.“ Doch wenn man als Wissenschaftler so agiere, sei man heute sofort „mittendrin im breiten öffentlichen Meinungskampf“ um die Corona-Pandemie. “Und das ist für jemanden, dem es um Fakten und gesicherte Erkenntnis geht, eine, sagen wir mal, interessante und lehrreiche Erfahrung.“ Wissenschaftliche Beiträge würden nicht mehr sachlich und kühl diskutiert, sondern seien Teil einer „ungemein hart geführten“ Debatte.

Drosten kritisiert Auseinandersetzung in den sozialen Medien

„Das Ganze findet rund um die Uhr bei hohen Temperaturen im Schleuderwaschgang der sozialen Medien statt.“ Drosten warb um Verständnis dafür, dass sich die wissenschaftliche Sicht auf neuartige Viren auch ändern könne, es gelte die Logik des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns. Der Weg sei mit einer Expedition ins Unbekannte zu vergleichen, die Irrungen und Rückschläge mit einschließe. „Ursprüngliche Theorien und Annahmen können sich als falsch erweisen und gleichzeitig wichtige neue Impulse liefern. Für Menschen, die dies nicht gewohnt sind, ist das mitunter schwer nachzuvollziehen.“ Für politische Entscheider sei das “wissenschaftliches Treiben eine regelrechte Zumutung”, weil das politische Handeln einer grundlegend anderen Logik folge. Zu Beginn der Corona-Pandemie im Frühjahr hatten viele Wissenschaftler zum Beispiel das Tragen von Mund-Nasen-Masken für eher unnötig erachtet – inzwischen werden diese als wichtiges Schutzinstrument empfohlen.