Pandemie-Bekämpfung: Lauterbach sieht Höhepunkt der Omikron-Welle erreicht – „maßvolle Lockerungen“ möglich

Pandemie-Bekämpfung: Lauterbach sieht Höhepunkt der Omikron-Welle erreicht – „maßvolle Lockerungen“ möglich

15. Februar 2022 Aus Von ...Linda Gerke

Vor dem Bund-Länder-Gipfel am Mittwoch flaut das Infektionsgeschehen merklich ab. Die Wirtschaft mahnt zu einem einheitlichen Lockerungsplan – doch ein Land prescht bereits vor.

Mit der abflauenden Omikron-Welle wächst die Hoffnung auf großflächige Lockerungen der Coronamaßnahmen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte am Dienstag der „Bild“„Der Höhepunkt der Omikron-Welle ist überschritten – ziemlich genau an dem Tag, den ich vor einem Monat vorausgesagt hatte.“

Deshalb seien „maßvolle Lockerungen“ möglich, fügte er mit Hinweis auf die Bund-Länder-Spitzenrunde am Mittwoch hinzu. Er trage die bisher bekannt gewordenen stufenweisen Lockerungsschritte mit – „mehr aber nicht“.

Bund und Länder hatten bei ihrem Spitzentreffen im Januar beschlossen, Öffnungsschritte für den Fall zu beschließen, dass das Infektionsgeschehen nachlässt. Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Dienstag den dritten Tag in Folge eine niedrigere Sieben-Tage-Inzidenz.

Demnach sank die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche auf 1437,5 von 1459,8 am Vortag. Insgesamt infizierten sich 159.217 Menschen binnen 24 Stunden mit dem Virus.

Das sind 10.354 Fälle weniger als vor einer Woche. Auf den Intensivstationen steigen die Zahlen allerdings wieder, weil mittlerweile mehr ältere Menschen mit dem Virus infiziert werden: Am Montag wurden dort 2431 Coronapatientinnen und -patienten gemeldet. Die Zahl liegt aber immer noch deutlich niedriger als im Dezember.

Bayern kündigt weitgehende Lockerungen an

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nahm die Entwicklung zum Anlass, bereits am Dienstag und damit vor den morgigen Beratungen weitgehende Lockerungen anzukündigen.

Die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte und Genesene entfallen demnach komplett. Zudem werden die Corona-Zugangsregeln gelockert: Geimpfte und Genesene brauchen von Donnerstag an nirgendwo mehr einen zusätzlichen Test. Und zu einigen weiteren Bereichen des öffentlichen Lebens, etwa Hochschulen, haben dann auch Ungeimpfte wieder Zugang – wenn sie stattdessen einen negativen Test vorweisen.

Auch die maximale Zuschauerzahl für Kultur- und Sportveranstaltungen wird angehoben: Von Donnerstag an sind, etwa auch bei Bundesliga-Spielen, wieder bis zu 25.000 Zuschauer erlaubt – bisher waren es 15.000. Die Kapazitätsgrenzen – im Sport maximal 50 Prozent Auslastung, im Kulturbereich 75 Prozent – bleiben aber unverändert.

Von der Bund-Länder-Runde am Mittwoch erwartet Bayern zudem „weitere Öffnungsperspektiven“ für die Gastronomie, das Beherbergungswesen sowie für Schankwirtschaften, Klubs und Diskotheken. Im Kabinettsausschuss heißt es: „Bayern kann sich dabei vorstellen, die Gastronomie und das Beherbergungswesen bald generell nach 3G zu öffnen.“ Schankwirtschaften, Klubs und Diskotheken könnten vorsichtig unter den Bedingungen von 2G plus geöffnet werden. In Bayern wolle man aber nicht im Alleingang handeln, sondern hoffe auf bundesweite Schritte.

Söder sagt, dass man am heutigen Dienstag feststellen könne, dass der Höhepunkt von Corona erreicht sei. „Wir sind Team Vorsicht und Team Freiheit, aber nicht Team Stur“, sagte der Ministerpräsident. Man gehe allein nach dem „objektiven Maßstab“ der Gefährlichkeit.

Union mahnt zur Vorsicht

Bayern setzt damit einige für den Mittwoch geplante Beschlüsse bereits um. In einem zwischen Kanzleramt, Vorsitz und Co-Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) abgestimmten Vorschlag ist davon die Rede, dass bis zum 20. März die Corona-Schutzmaßnahmen weitgehend und stufenweise wegfallen sollen.

In einem ersten Schritt sollen private Zusammenkünfte für Geimpfte und Genesene wieder mit mehr Menschen ermöglicht werden. Im Einzelhandel soll die 2G-Regel bundesweit fallen, die Pflicht zum Masketragen aber bestehen bleiben.

Unions-Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU) warnte allerdings vor einem völligen Verzicht auf eine Rechtsgrundlage für weiter gehende Coronamaßnahmen. Es wäre fahrlässig, wenn die entsprechenden Regelungen im Infektionsschutzgesetz am 19. März einfach auslaufen würden, sagte Frei.

Er halte es auch für richtig, jetzt Regelungen abzuschaffen, wenn es keine Überlastung des Gesundheitswesens gebe. Man wisse aber nicht, was in sechs oder acht Wochen der Fall sei. „Ich würde den Ländern gern die Chance lassen, auf ein aufflackerndes Infektionsgeschehen reagieren zu können.“

Wenn die Bundesregierung gar nichts unternähme, würde der Instrumentenkasten für die Länder aber komplett leer geräumt werden, erläuterte Frei. Möglich wären nur noch leichteste Einschränkungen wie Schutzmasken. Er würde die Grundlage im Infektionsschutzgesetz daher nicht zum 19. März beenden. Nach jetziger Rechtslage könnte der Bundestag die Geltung pauschal um drei Monate verlängern.

Führende Wirtschaftsverbände pochten mit Blick auf das Coronatreffen am Mittwoch hingegen auf einen einheitlichen Öffnungsfahrplan. Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK), sagte: „Immer mehr Unternehmen sind durch die Pandemie in ihrer Existenz bedroht – konkrete Öffnungsschritte sind daher jetzt entscheidend.“ Durch die Coronamaßnahmen habe sich die Situation in Handel, Gastgewerbe und Freizeitwirtschaft erheblich verschlechtert.

Adrian verwies auf eine aktuelle Umfrage des Verbands. Danach habe sich der Anteil der Betriebe mit Liquiditätsengpässen deutlich erhöht, im Gastgewerbe sogar fast verdoppelt auf 35 Prozent seit dem Herbst.

Wirtschaft pocht auf Tempo bei Impfpflicht

Adrian ergänzte: „Die angekündigten Öffnungsschritte sind daher ein wichtiges Signal für die Krisenbranchen und unsere Innenstädte.“ Die Schließungen in den vergangenen zwei Jahren machten die Frage nach der Zukunft der Innenstädte noch wichtiger, so Adrian. „Denn hier haben viele Händler und Dienstleister ihren Standort. Starke Innenstädte sind aber deutlich mehr als Wirtschaftsstandorte.“ Attraktive Innenstädte seien auch ein entscheidender Faktor zur Fachkräftegewinnung.

Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) verwies darauf, dass die Unternehmen unter erheblichen coronabedingten Personalausfällen, uneinheitlichen Pandemieauflagen und hohen freiwilligen Investitionen zum Schutz ihrer Belegschaft ächzten.

BDI-Chef Siegfried Russwurm warnte: „Dies darf kein Dauerzustand für die kommenden Jahre werden.“ Eine hohe Impfquote bleibe mit Blick auf den Jahresverlauf der wirkungsvollste Ausweg aus der Pandemie. Spätestens im Herbst bestehe das Risiko neuer Infektionswellen.

Angesichts stagnierender Impfzahlen haben Bund und Länder aus Sicht des BDI den klaren Handlungsauftrag, bei der Entscheidung über die Impfpflicht keine weitere Zeit zu verlieren: „Es wäre fahrlässig, das entscheidende Instrument einer Impfpflicht in der nun beginnenden Phase verantwortungsvoller Lockerungen zu vernachlässigen.“

Am Dienstag wurde bekannt, dass die erste Lesung im Bundestag über die fraktionsübergreifenden Anträge zur Einführung einer allgemeinen Impfpflicht erst in der ersten Märzwoche stattfinden soll.

Russwurm nannte es zugleich sinnvoll, jetzt konkrete, stufenweise Lockerungsschritte zu beschließen. Erste verantwortungsvolle Öffnungsschritte sollten erst nach dem Scheitelpunkt der Omikron-Welle erfolgen: „Wir können es uns nicht leisten, das Infektionsgeschehen durch voreiliges Handeln unnötig zu verlängern und damit in eine pandemische Dauerschleife zu geraten.“