Landesregierung will Klima-Stiftung schnell auflösen
3. März 2022Die rot-rote Landesregierung verstärkt ihre Bemühungen, die umstrittene Klimaschutz-Stiftung schnell aufzulösen. Sie hat jetzt ein Spitzengespräch mit den Landtagsfraktionen und dem Stiftungsvorstand angesetzt, um die rechtlichen Möglichkeiten einer Liquidation zu besprechen.
Die landeseigene Klimaschutz-Stiftung ist immer mehr zu einer Belastung für den Ruf Mecklenburg-Vorpommerns geworden – 20 Millionen Euro hat vor allem der russische Staatskonzern Gazprom gegeben. Staatskanzlei Patrick Dahlemann (SPD) hat noch einmal klar gemacht: „Die Stiftung kann nach dem Angriff auf die Ukraine nicht fortbestehen“. Es gehe um eine gemeinsame Lösung.
Rechtlicher Kniff eines „wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs“
Es ist ein Abkehr in Raten, die die Landesregierung da hingelegt hat: Bei ihrer Gründung im Januar 2021 war die Stiftung ein Lieblingsprojekt von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) und ihrem damaligen Energieminister Christian Pegel (SPD). Über den rechtlichen Kniff eines „wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs“ sollte die Stiftung für einen Weiterbau der damals schon umstrittenen Pipeline Nord Stream 2 sorgen. Sie gründete mindestens eine Firma und kaufte ein Schiff, um an der Röhre die letzten Arbeiten erledigen zu lassen und um so drohenden Sanktionen der US-Regierung zu umgehen. Denn eine öffentlich-rechtliche Stiftung war von den Strafaktionen der USA ausgenommen.
Schwesig verteitigt Engagement für die Pipeline als „Brückentechnologie“
Schwesig verteidigte die Stiftung auch immer wieder gegen Vorwürfe, eine Mogelpackung oder Tarnorganisation zu sein. Kritiker wie die Umweltverbände oder die Deutsche Umwelthilfe, bemängelten ein „Greenwashing“. Es sei hintertrieben, wenn russisches Geld aus den Geschäften mit dem umweltschädlichen Erdgas Naturschutz-Projekte im Land finanziere. Schwesig verteidigte das Engagement für die Pipeline immer mit dem Argument der „Brückentechnologie“. Erdgas werde gebraucht, solange die Energiewende nicht geschafft sei. Allerdings ist diese Energiewende auch in Mecklenburg-Vorpommern zuletzt nur im Schneckentempo vorangekommen.
Nord Stream 2 gilt als fertig
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine erklärte die Landesregierung ein vorläufiges Ende der Beziehungen zu Russland. Bei der Klimastiftung sollte es aber nicht um einen radikalen Schnitt gehen. Nur der „wirtschaftliche Geschäftsbetrieb“ sollte eingestellt werden. Der aber war ohnehin kaum von Bedeutung. Nord Stream 2 gilt als fertig. Und mit dem nach dem Angriff erklärten Nein des Bundes zu der Pipeline hatte sich ohnehin jede Unterstützung erledigt.
Aus für die Stifung in sozialen Netzwerken verkündet
Den letzten Ruck gab der Landesregierung ein Vorstoß von CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow. Der erhielt viel Zustimmung für seinen Vorschlag, die Stiftungsgelder für humanitäre Hilfe in der Ukraine zu geben. Zunächst erklärte Dahlemann noch, „die Frage stellt sich nicht“. Über das Wochenende gab es dann das Umdenken – nach etlichen regierungsinternen Krisenrunden. In einer langen Erklärung auf Twitter und Facebook kündigte Schwesig das Komplett-Aus für die Stiftung an. Auch die Umleitung der Mittel Richtung Ukraine sollte geprüft werden, befand Schwesig vom Krankenbett aus, auf dem sie sich seit einer Routine-OP erholt.
Sellering wehrt sich gegen die Auflösung
Schwesigs Order markierte den Bruch mit dem Mann, der sie 2008 „entdeckt“ hatte und der sie zur Sozialministerin machte. Stiftungschef Erwin Sellering (SPD) – Ex-Ministerpräsident und Schwesigs Vorgänger – wehrte sich mit Händen und Füßen gegen eine Auflösung. Rechtlich sei es nicht möglich, die Stiftung aufzulösen und Stiftungskapital umzulenken. Wer das forderte, stifte zur Untreue an.
Allerdings: Auch Sellerings Stellvertreter im Vorstand, der ehemalige CDU-Bundestags- und Europaabgeordnete Werner Kuhn, sprach sich für eine Neuverteilung des Stiftungskapitals Richtung Ukraine aus. Kuhn hatte die Kriegsflüchtlinge im Blick – er ist Präsident des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im Land. Die Befürworter-Front bröckelte weiter: Am Dienstag stellte sich der Landtag hinter die Forderung nach einem Aus der Stiftung. Politisch war damit der klare Wille erklärt.
Sellering gibt Orden der Freundschaft zurück
In der Lage drohte Sellering so etwas wie der Gerhard Schröder in Mecklenburg-Vorpommern zu werden: Ein alter, ehemals verdienter Sozialdemokrat, der sich durch das starrköpfige Festhalten an russische Verbindungen in die Isolation begibt. Noch am vergangenen Freitag lehnte es Sellering ab, den Orden der Freundschaft, den er von Putins Vertretern bekommen hatte, zurückzugeben. Mittlerweile hat er den Orden zurückgegeben.
Überzeugung für partnerschaftliches Verhältnis zu Russland
In einem Erklär-Brief an die russische Botschaft, aus dem die Nachrichtenagentur dpa zitiert, schrieb Sellering, er habe sich auch in schwierigen Zeiten mit großer Überzeugung für ein gutnachbarschaftliches, partnerschaftliches Verhältnis zu Russland eingesetzt. Dabei habe er auch für die Anerkennung berechtigter Interessen Russlands geworben. „Dies alles wird mit dem in aller Härte geführten militärischen Angriff auf die Ukraine mit einem Schlag zunichte gemacht. Ich muss erkennen, dass die Erwartung, auch für das Putin-Russland sei es ausgeschlossen, Konflikte und Interessengegensätze in Europa mit Waffengewalt zu lösen, eine Illusion war.“
Parteifreund Platzeck als Vorsitzender des deutsch-russischen Forums zurückgetreten
Die Erkenntnis hätte ihm früher kommen können, meinen einige in der SPD. Es soll schon vor dem Angriff auf die Ukraine Versuche gegeben haben, Sellering von seinem Russland-Kurs abzubringen und zu einem Einlenken In Sachen Stiftung zu bewegen. Anders als sein Parteifreund, Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Mathias Platzeck, hält Sellering an seinem „Lieblingskind“ fest. Er bleibt Chef seines deutsch-russischen Partnervereins, der in der Vergangenheit mit Landesgeld großzügig gefordert wurde. Platzeck ist wegen einer „Fehleinschätzung“ dagegen als Vorsitzender des deutsch-russischen Forums zurückgetreten.
Stiftung wegen Russland-Verbindung isoliert
Jetzt hat Sellering möglicherweise seinen Widerstand aufgegeben. Am Dienstag tagte der Stiftungsvorstand, über Entscheidungen sollte nichts nach außen dringen. Mittlerweile räumte aber auch Sellering ein: Seine Stiftung ist wegen ihrer Russland-Verbindung isoliert. Niemand will mehr Geld von ihr annehmen. Jetzt kommt es offenbar nur darauf an, die Sache einigermaßen geräuschlos und rechtssicher über die Bühne zu bringen.