Finanzminister Lindner „Langfristig andere Lieferquellen erschließen“
15. März 2022Finanzminister Lindner hat in den tagesthemen dafür plädiert, wegen steigender Energiepreise schnell Entlastungen zu organisieren. Langfristig müssten aber andere Lieferquellen erschlossen – und Koalitionsvereinbarungen womöglich hinterfragt werden.
Bundesfinanzminister Christian Lindner hat in den tagesthemen seinen Vorschlag eines Tank-Rabatts gegen Kritik verteidigt. Es brauche eine „schnelle pauschale Maßnahme“, sagte er. Man müsse unterschiedliche Maßnahmen kombinieren. „Aber jetzt haben wir ganz konkret eine Situation enorm steigender Energiepreise“, so der FDP-Politiker. Diese bedrohe mittelständische Existenzen und gehe zulasten der Menschen. „Und deshalb halte ich es für richtig, jetzt befristet eine spürbare Entlastung sehr schnell zu organisieren.“
Zum Vorschlag der Grünen über ein Energiegeld sagte er, er begrüße es, wenn es dieses gebe. Dies setze aber komplizierte Gesetzgebung voraus und brauche länger. Die von der Union geforderte „Spritpreisbremse“ könnte den Diesel nur um 14 Cent pro Liter günstiger machen. Lindner sagte weiter: „Ich denke, beim Heizöl können wir noch etwas machen.“
Entlastungspaket soll schnell kommen
In der Ampel-Koalition herrscht offenbar Einigkeit darüber, dass die Verbraucher schnell entlastet werden sollen. Das Kabinett will sich noch diese Woche beraten. Der Union gehen die Vorschläge nicht weit genug.
Angesichts der drastisch steigenden Energiepreise wegen des Ukraine-Kriegs will die Bundesregierung die höheren Kosten für Verbraucher rasch mit zusätzlichen Entlastungsmaßnahmen abfedern – über die genaue Ausgestaltung wird aber noch diskutiert. Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner kündigte an, dass nun „in sehr kurzer Zeit ein wirksames und effektives Paket“ abgestimmt werden solle.
Auch SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert kündigte eine schnelle Entscheidung an. „Ich nehme eine komplette Einigkeit unter den Ampel-Parteien wahr, dass noch in dieser Woche Entscheidungen, konkrete, messbare, spürbare Entscheidungen getroffen werden müssen, wie wir zu Entlastungen kommen“, sagte er nach Beratungen des SPD-Präsidiums.
Für die nötigen Absprachen gebe es „in dieser Woche einen idealtypischen Ort“, nämlich die Sitzung des Bundeskabinetts, fügte Kühnert hinzu. Entscheidungen würden „spätestens am Mittwoch rund um die Kabinettsitzung“ fallen.
Für die SPD sei zentral, dass tatsächlich die Bürgerinnen und Bürger entlastet würden, insbesondere diejenigen Haushalte, die wegen der hohen Energiepreise „ohne eigene Schuld finanziell überfordert werden“. Es solle hingegen „kein Konjunkturförderprogramm für die Mineralölwirtschaft“ geben, unterstrich Kühnert.
Habeck: „Preisanstiege erdrückend“
Zuvor hatte Vizekanzler Robert Habeck ein neues Maßnahmenpaket angekündigt. Die Preisanstiege im gesamten Energiebereich seien für viele Menschen erdrückend, sagte der Wirtschafts- und Klimaschutzminister der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Er kündigte drei Kriterien für die neuen Maßnahmen an. So müsse es erstens bei Strom, Wärme und Mobilität Erleichterungen geben, sagte der Minister.
Zweitens brauche es auch Energieeffizienz und Einsparungen, etwa eine Minderung des Verbrauchs beim Autofahren oder einen Austausch von Gasheizungen, sagte Habeck. Drittens seien weiter marktwirtschaftliche Impulse nötig, damit gelte: „je effizienter, desto geringer die Kosten“.
Wie die „Bild“-Zeitung meldete, sind auch Überbrückungshilfen für Unternehmen im Gespräch, die stark gestiegene Rohstoffpreise nicht mehr tragen können. Außerdem werde eine Verlängerung der Kurzarbeiter-Regelung über den 30. Juni hinaus geprüft sowie eine nochmalige Anhebung der Pendlerpauschale.
FDP plant Tank-Zuschuss
Finanzminister Christian Lindner will einen staatlichen Tank-Zuschuss auf den Weg bringen. Der FDP-Politiker plant demnach, dass der Betrag beim Bezahlen an der Tankstelle abgezogen werden soll. Der Tankstellenbetreiber soll die Quittung später bei den Finanzbehörden einreichen können. Dafür könnten Mittel aus dem Haushalt bereitgestellt werden, sagte Lindner. Ein Rabatt um zehn Cent pro Liter Diesel und Benzin würde den Staat pro Monat 550 Millionen Euro kosten. „Es wird, wenn es nach mir geht, mehr als zehn Cent und mehr als ein Monat sein müssen.“
Bürger und Gewerbetreibende, die auf das Auto angewiesen seien, sollten sehr schnell unterstützt werden. Auf eine Spritpreisbremse per Steuersenkung müssten die Menschen Wochen oder Monate länger warten, weil Gesetzgebung in Deutschland und gegebenenfalls auch europäisches Recht verändert werden müsse. Der Zuschuss beim Tanken lasse sich auch ohne viel Bürokratie umsetzen, sagte Lindner.
Die Bürger und die Wirtschaft dürften mit steigenden Preisen nicht allein gelassen werden, so Lindner.
Diskussion um Entlastung der Verbraucher wegen steigender Energiepreise
FDP-Fraktionschef Christian Dürr sagte den Sendern RTL und ntv, Ziel müsse ein Spritpreis unter zwei Euro sein. „Das brauchen jetzt die Pendler und natürlich auch die Speditionen, damit die Lieferketten am Ende nicht unterbrochen werden. Wir sind in einer Krisensituation, und da muss der Staat schnell handeln.“
Union will schärfere Maßnahmen
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt kritisierte Lindners Vorschlag als nicht ausreichend. Dobrindt sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Deutschland befindet sich in einer massiven Preisspirale an der Zapfsäule. Unter den drastisch steigenden Benzin- und Dieselpreisen leidet die Breite unserer Gesellschaft – Familien, Pendler, Mittelstand. Um diese Entwicklung zu stoppen, reichen kosmetische Korrekturen wie ein Tank-Rabatt nicht aus und der Staat darf nicht den Tankstellen den schwarzen Peter zuschieben.“
Aus Sicht der Unionsfraktion solle der Preis bei Benzin und Diesel mit einer Spritpreise-Bremse um 20 Prozent verringert werden. Dazu müsse sofort die Mehrwertsteuer für Kraftstoffe befristet auf den niedrigen Satz reduziert, die Energiesteuer um ein Drittel abgesenkt und eine Steuerbefreiung für die Beimischung von Biokraftstoffen umgesetzt werden.
Kritik auch von der Linken
Kritik an den Plänen kommt auch von der Linkspartei. Der finanzpolitische Sprecher der Linksparteifraktion im Bundestag, Christian Görke, nannte einen möglichen Tank-Rabatt unzureichend. „Eine Mehrwertsteuersenkung wäre viel besser“, forderte er. „Wenn die Preise weiter steigen, verpufft der starre 20-Cent-Rabatt, während eine Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent die Leute automatisch stärker entlastet und wenig Bürokratie erfordert.“
Mit Blick auf eine längerfristige Perspektive sagte Lindner, man werde steigende Weltmarktpreise nicht auf Dauer mit Steuergeld subventionieren können. „Langfristig wird es darum gehen, andere Lieferquellen für Deutschland in der Energie zu erschließen, den Weg hin zu den erneuerbaren Energien entschlossen zu gehen und wir müssen auch bestimmte Festlegungen des Koalitionsvertrags der Ampel neu hinterfragen.“
Dazu zähle etwa die Frage der Förderung von Öl und Gas in der Nordsee, der Einsatz von aus Kohle gewonnener Energie und auch, „ob zumindest übergangsweise die Kernenergie noch eine Rolle in der Not spielen kann“