Ukraine-Krieg Tote bei Angriffen auf Wohngebiet in Kiew

Ukraine-Krieg Tote bei Angriffen auf Wohngebiet in Kiew

15. März 2022 Aus Von ...Susanne Kimmpert
Stand: 15.03.2022 10:41 Uhr

Am frühen Morgen hat in Kiew laut ukrainischen Angaben eine Reihe russischer Angriffe ein Wohngebiet getroffen. Dabei starben mindestens zwei Menschen. Örtliche Behörden in Mariupol melden inzwischen mehr als 2300 Tote.

Eine Reihe heftiger Explosionen hat am frühen Morgen die ukrainische Hauptstadt Kiew erschüttert. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP waren mindestens drei starke Detonationen zu hören. Der ukrainische Rettungsdienst berichtet von mindestens zwei getöteten Menschen durch die Angriffe auf Wohngebiete.

Einer der Angriffe habe ein 16-stöckiges Wohnhaus im Stadtteil Swjatoschyn im Westen Kiews getroffen, schrieb der Rettungsdienst am Dienstag im Onlinedienst Facebook. „Es wurden zwei Leichen geborgen, 27 Menschen wurden gerettet.“

Heftige Explosionen erschüttern am Morgen Kiew

Heftige Explosionen erschüttern am Morgen Kiew

Angriff im Stadtteil Podil

Zuvor hatten Rettungskräfte auch von einem Angriff auf ein etwa zehnstöckiges Gebäude im Stadtteil Podil berichtet. Der Angriff in Podil löste den Angaben zufolge einen Brand in den ersten fünf Stockwerken des Wohngebäude aus. Ein Mensch sei mit Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht worden. Nach Angaben des Rettungsdienstes wurde auch im Viertel Osokorky im Südosten von Kiew ein Wohnhaus getroffen.

Die ukrainische Parlamentsabgeordnete Lesia Wasylenko veröffentlichte im Onlinedienst Twitter ein Foto, auf dem ein beschädigter Wohnblock zu sehen war, aus dem Rauch aufstieg. „Der Stadtteil Podil von Kiew ist ein Ort, an dem man Kaffee trinkt und das Leben genießt“, schrieb Wasylenko. „Jetzt nicht mehr. Vor 30 Minuten wurde (Podil) von Sprengstoff getroffen.“

Eingang einer U-Bahn-Station beschädigt

Die russische Offensive rückt näher an das Stadtzentrum der Hauptstadt heran. Schockwellen einer Explosion beschädigten den Eingang einer U-Bahn-Station in der Innenstadt, die auch als Zufluchtsort vor russischen Angriffen genutzt wurde. Die Stadtverwaltung twitterte Bilder der zerstörten Fassade und erklärte, Bahnen machten an der Station nicht mehr Halt.

„Ein Brei aus Stahl und Beton“

Das ukrainische Militär teilte mit, die Explosionen in Kiew gingen auf russisches Artilleriefeuer zurück. Getroffen wurde demnach ein Bezirk im Westen der Stadt, der an den Vorort Irpin angrenzt, in dem sich einige der schlimmsten Kämpfe des Krieges ereigneten.

Weitere russische Angriffe gab es in den Vororten Irpin, Hostomel und in der Stadt Butscha unweit von Kiew, wie der Chef der Regionalverwaltung im Großraum Kiew, Oleksij Kuleba, sagte. „Viele Straßen (in diesen Gegenden) wurden in einen Brei aus Stahl und Beton verwandelt. Die Menschen verstecken sich seit Wochen in Kellern und haben Angst, hinauszugehen, selbst für Evakuierungen“, sagte er im ukrainischen Fernsehen.

Konfliktparteien als Quelle

Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.

Die russische Armee versucht derzeit, Kiew einzukesseln. In der Stadt befindet sich nach wie vor die Hälfte der einst drei Millionen Einwohner. Sie können die Stadt nur noch in Richtung Süden verlassen. Ein Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte zuletzt, Kiew bereite sich auf eine „erbitterte Verteidigung“ vor.

Nach Angaben aus Kiew sind bei nächtlichen Angriffen in der ostukrainischen Stadt Rubischne im Gebiet Luhansk vier Menschen ums Leben gekommen. Das meldete die Agentur Unian. Die Angriffe hätten eine Einrichtung für sehbehinderte Kinder, das städtische Krankenhaus und drei Schulen zerstört. Rubischne liegt nahe der Großstadt Sjewjerodonezk, um die sich prorussische Separatisten und ukrainische Truppen derzeit heftige Kämpfe liefern.

Die schraffierten Bereiche zeigen die von den Russen kontrollierten Gebiete in der Ukraine. Bild: ISW/13.03.2022

Kadyrow: Tschetschenische Kämpfer in Mariupol

Neue Artillerieangriffe gab es außerdem auf die zweitgrößte Stadt des Landes, Charkiw, im Osten, wie der Generalstab der ukrainischen Armee bei Facebook mitteilte. Bei den Kämpfen um Mariupol habe die Armee 150 russische Soldaten getötet und zwei Panzer zerstört.

In Mariupol im Südosten der Ukraine wurden nach Angaben örtlicher Behörden seit Beginn des russischen Angriffskriegs 2357 Menschen getötet. Die Hafenstadt mit ihren etwa 400.000 Einwohnern ist seit Tagen von russischen Einheiten umzingelt und vom Rest des Landes abgeschnitten.

Nach Angaben des Republikchefs der autonomen russischen Republik, Ramsan Kadyrow, führen tschetschenische Kämpfer eine russische Offensive auf die strategisch wichtige Hafenstadt an. Kadyrow erklärte in der Nacht bei Telegram, tschetschenische Kämpfer seien etwa 1,5 Kilometer weit in die Stadt am Asowschen Meer vorgedrungen, bevor sie ihren Angriff bei Einbruch der Nacht pausiert hätten. Er erklärte, sein enger Verbündeter Adam Delimchanow führe die tschetschenischen Kämpfer in Mariupol an.

Noch mehr zivile Opfer in Mariupol befürchtet

Ein Berater des Bürgermeisters von Mariupol, Petro Andrjuschtschenko, nannte die Lage in der Stadt „unmenschlich“: „Kein Essen, kein Wasser, kein Licht, keine Wärme.“ Er befürchte viel mehr Tote – mit zunehmender Intensität der Angriffe könnte die Zahl der Opfer bis zu 20.000 betragen.

100 Tonnen Lebensmittel, Wasser und Medikamente für Mariupol würden seit drei Tagen nicht zur Stadt durchgelassen, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Auch Evakuierungsversuche scheiterten bisher weitgehend. Heute soll es neue Versuche geben, Zivilisten aus umkämpften Städten herauszubringen.