Geschlossene Lokale im Lockdown Entschädigung für Corona-Einbußen?
17. März 2022Im Corona-Lockdown mussten alle schließen: Hotels, Restaurants, Kneipen. Entschädigen sollten Staatshilfen. Der Bundesgerichtshof klärt nun, ob Gastronomen den Staat wegen Einnahmeausfällen auch individuell verklagen können.
Tagungshotel Schloss Diedersdorf in Brandenburg: Wo sonst Hochzeiten gefeiert, Tagungen abgehalten oder auch Fernsehshows aufgezeichnet werden, war während des ersten Corona-Lockdowns 2020 alles dicht. Hotel und Restaurant waren geschlossen, Speisen und Getränke gab es nur noch „to go“. Der Betreiber bekam Corona-Soforthilfen vom Land Brandenburg. Aber die 60.000 Euro deckten die Einnahmeausfälle bei weitem nicht ab, befand er – und klagte deshalb gegen das Land Brandenburg. Über die Klage wird jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
Die Umsatz- und Gewinneinbrüche im Lockdown haben seinen Betrieb und damit sein Eigentum beeinträchtigt, argumentiert der Kläger. Weil die Corona-Soforthilfen die Einbußen nicht deckten, müsse er entschädigt werden. Zudem sieht er eine Ungerechtigkeit im Infektionsschutzrecht: Dort gibt es eine Norm, die Entschädigungen durch den Staat vorsieht – und zwar für die, die als Krankheitsträger oder Ansteckungsverdächtige nicht arbeiten dürfen und in Quarantäne müssen. Der klagende Gastronom aus Brandenburg sagt nun: Wenn es Entschädigung für direkt Corona-Betroffene geben könne, müsse es sie erst recht für ihn geben. In seinem Betrieb habe es keinen Corona-Ausbruch gegeben, gleichwohl habe er im Lockdown zumachen und die Einnahmeeinbußen hinnehmen müssen.
Mit dieser Begründung hatte der Gastronom weder vor dem Landgericht Potsdam noch vor dem Oberlandesgericht Brandenburg Erfolg. Beide Gerichte machten klar, dass die Entschädigungsregelung aus dem Infektionsschutzgesetz für den Kläger nicht gilt. Denn: Diese Regelung sei nicht für massenhafte Betriebsschließungen gedacht, sondern ein Ausgleich für erkrankte Hilfsbedürftige im Einzelfall. Entschädigung für Gewinneinbußen, also individueller Eigentumsschutz, sei nicht ihr Sinn.
Corona als höhere Gewalt?
Der Fall liegt nun beim BGH. In der mündlichen Verhandlung Anfang März hatte sich gezeigt: Im Kern geht es um die Frage, ob die Corona-Pandemie als Massenschicksal, das die gesamte Gesellschaft betrifft, überhaupt mit individuellen Entschädigungsansprüchen juristisch zu bewältigen ist. Die Vorinstanzen hatten das verneint. Sie betonten, dass es bei den Betriebsschließungen im Lockdown eigentlich um Schäden gehe, die durch die Pandemie selbst und damit durch die höhere Gewalt eines Naturereignisses verursacht wurden. Kein Gastronom habe ein individuelles Sonderopfer erbracht, das einen besonderen Ausgleich erfordere. Die Betriebsschließungen im Lockdown seien rechtmäßig gewesen, und für die wirtschaftlichen Corona-Folgen sei der Sozialstaat mit den „Sofort-“ oder „Überbrückungshilfen“ da.
Die anstehende Entscheidung des BGH kann für viele Gastronomen wichtig werden. Der Vorsitzende des 3. Zivilsenats des BGH wies darauf hin, dass es eine große Zahl von vergleichbaren Klagen in ganz Deutschland gebe und das Verfahren von „sehr grundsätzlicher Bedeutung“ sei. Um 10 Uhr soll in Karlsruhe das Urteil verkündet werden.