Immunitäts-Ziel, mobile Zentren, Empfänger: Das ist Spahns nationaler Impfplan
18. November 2020
Erst Biontech, nun auch Moderna – die Impfstoffe gegen das Coronavirus scheinen in greifbarer Nähe. Beide Pharmahersteller wollen noch in diesem Jahr mehrere Millionen Impf-Dosen bereitstellen, für das nächste Jahr kündigten sie jeweils rund eine Milliarde an.
Damit es, sobald die Impfungen verfügbar sind, nicht zu Chaos kommt, legte das Bundesgesundheitsministerium jetzt einen Impfplan vor. Darin ist festgeschrieben, ab welchem Zeitraum welche Personengruppe immunisiert werden soll. Auch wer finanziell für die Dosen aufkommen und wer die Impfung durchführen soll, ist darin festgelegt.
Ziel: Hohe Durchimpfungsrate im Jahr 2021
Das Ziel des Impfplans ist ebenfalls klar: Im Jahr 2021 soll eine hohe Durchimpfungsrate erzielt werden, da diese die Voraussetzung für die Ausbildung einer breiten Immunität in der Bevölkerung ist.
Phase 1A: Gezielte, zentralisierte Verimpfung
Die erste Phase sieht ein Szenario vor, in dem wenig Impfstoff verfügbar ist, dennoch aber verschiedene Impfstofftypen. Hier sollen zunächst gezielte, stark priorisierte Impfungen stattfinden, da noch sehr limitierte Erfahrungen mit dem Impfstoff vorliegen.
- Wer geimpft wird: Der Plan sieht vor, sehr vulnerable, also für schwere Verläufe anfällige Bevölkerungsgruppen zu impfen, deren Priorisierung stehe noch durch Stiko, Ethik-Rat und Leopoldina aus.
- Wer den Impfstoff beschafft: Die anfangs verfügbaren Impfstoffdosen sollen vom Bund an insgesamt 60 Lieferstandorte verteilt werden. Diese sind laut Papier für Lagerung und Logistik zuständig.
- Wer impft: Durchführen sollen die Immunisierungen mobile Teams (ärztliches Personal oder unter ärztlicher Aufsicht) in Impfzentren, die Anzahl der Teams sollen die Länder selbst bestimmen. Laut dem Papier werden vom Bundesministerium als geplante Orte für die schnelle Einrichtung solcher Impfzentren neben Turn-, Messe und Konzerthallen auch Kirchen empfohlen. Sie sollen gut erreichbar, gesichert und mit abschließbaren Räumen ausgestattet sein.
Die Zentren sollen wie Einbahnstraßen organisiert sein und im Rahmen eines „Check-in“ und „Check-out“ die Berechtigung prüfen sowie Anmeldung und Dokumentation der Personen feststellen. Wartezeiten sollten möglichst minimiert werden und nur in einem „Corona-gerechten Wartezimmer“ stattfinden. Bevor jemand in das Zentrum darf, soll er von „geschultem Sicherheitspersonal“ auf Erkältungssymptome überprüft werden. Nur wer symptomfrei ist, darf in das Impfzentrum – ohne Termin kommt niemand hinein.
Geimpfte werden im Anschluss beobachtet, um mögliche Nebenwirkungen festzustellen. Dann wird ein Termin für die zweite Folgeimpfung ausgemacht.
- Wer zahlt: In der ersten Phase soll der Impfstoff durch den Bund finanziert werden. Für Zubehör wie Kanülen und Spritzen sollen hingegen die Länder aufkommen, die Impfstellen sowie das Personal werden laut Papier gemeinschaftlich finanziert: Über die gesetzliche Krankenversicherung, den Bund und die Länder. Zu welchen Anteilen, ist bislang nicht ersichtlich.
Phase 1B: Erweiterte, zentralisierte Verimpfung
In Phase 1B ist hingegen schon mehr Impfstoff verschiedener Typen verfügbar.
- Wer geimpft wird: Auch hier soll priorisiert geimpft werden, neben besonders vulnerablen auch exponierte Personen, beispielsweise Mitarbeiter in Krankenhäusern. Auch deren Priorisierung werde noch festgelegt.
In beiden Phase-I-Schritten geht das Ministerium von Mehrdosenbehältnissen und teilweise komplexen Lagerungsbedingungen aus, etwa davon, dass der Stoff bei unter – 60° C gekühlt werden muss. Für Durchführung, Beschaffung und Finanzierung gelten während der gesamten Phase 1 (A und B) die gleichen Vorgaben.
Phase 2: Breite, dezentrale Routine-Verimpfung
In der zweiten Phase ist der Impfstoff inzwischen großflächig verfügbar. Das Ministerium geht hier von geringeren Herausforderungen bei Lagerungen und Logistik aus, die verschiedenen Impfstofftypen werden in Einzeldosen abgefüllt und etwa bei 2 °C gelagert.
- Wer geimpft wird: Eine Immunisierung soll in dieser Phase dann etwa bei der erwachsenen Allgemeinbevölkerung erfolgen, die konkrete Empfehlung soll die Stiko noch aussprechen.
- Wer den Impfstoff beschafft: Die Ärzteschaft soll dann zuständig für die Beschaffung sein, Lagerung und Verteilung fallen Großhändlern und Apotheken zu.
- Wer impft: In dieser Phase sollen niedergelassene Ärzte wie unter normalen Umständen Impfungen durchführen. Die Experten im Bundesgesundheitsministerium veranschlagen mindestens fünf Minuten pro Person zur Impfung. In einem Achtstundentag könne ein Arzt demnach bis zu 96 Patienten impfen.
- Wer zahlt: Finanziert werden sollen die Impfdosen durch private und gesetzliche Krankenversicherungen sowie durch weitere Beihilfen.
Laut Gesundheitsministerium wird das Einrichten der Impfzentren ein großer Kraftakt, sowohl für Bund, Länder, als auch Kommunen. Dem Papier nach sollen deshalb weitere Institutionen personell und organisatorisch unterstützen. Darunter etwa der Öffentliche Gesundheitsdienst, niedergelassene Ärzte, Kliniken, die Bundeswehr aber auch Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz und das Technische Hilfswerk.
Ministerium rechnet mit mehreren Impfstofftypen
In den vergangenen Tagen legten die beiden Pharamkonzerne Moderna sowie Biontech jeweils vielversprechende Studienergebnisse zu ihren Impfstoffen vor. Das Moderna-Vakzin soll zu 94,5 Prozent, das Biontech-Mittel zu mindestens 90 Prozent wirksam sein.
Die beiden Mittel entscheiden sich etwa in ihrer Haltbarkeit und Lagerung: Laut Moderna hält sich ihr Kandidat bei Standard-Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad voraussichtlich 30 Tage lang stabil. Biontech gibt hingegen an, sein Mittel müsse bis einige Tage vor der Verwendung bei kalten Temperaturen von minus 70 Grad gelagert werden. Das sorgt für logistische Hürden. Im Kühlschrank hingegen soll der Impfstoff nur fünf Tage stabil bleiben.
Moderna will nach eigenen Angaben bis Ende des Jahres bereit sein, im Falle einer Zulassung rund 20 Millionen Impf-Dosen in die USA zu liefern. Im kommenden Jahr sollen bis zu eine Milliarde Dosen hergestellt werden. Die Biontech-Hersteller erklärten hingegen, noch in diesen Jahr bis zu 50 Millionen, im kommenden Jahr 2021 rund 1,3 Milliarden zur Verfügung zu stellen.
Welcher der Kandidaten damit zuerst einen Impfstoff in Massenmengen zur Verfügung stellt, wird sich zeigen. Neben Biontech und Moderna führt das Ministerium fünf weitere vielversprechende Impfstoffkandidaten auf. „Vermutlich werden mittelfristig mehrere Impfstofftypen zur Verfügung stehen“, heißt es in dem Papier.
Die Impfstoffe folgender Hersteller führt das Ministerium in seinem Plan auf:
- Oxford / AstraZeneca
- BioNTech / Pfizer
- J&J / Janssen
- SP / GSK
- Moderna / Lonza
- Novavax
- Curevac