Folgen des Ukraine-Kriegs Moskau liefert Polen und Bulgarien kein Gas mehr
27. April 2022Gazprom stellt sämtliche Gaslieferungen an Polen und Bulgarien ein. Die Regierung in Warschau hatte sich geweigert, in Rubel zu bezahlen. Ministerpräsident Morawiecki spricht von einem möglichen Erpressungsversuch.
Der russische Staatskonzern Gazprom stoppt ab Mittwoch alle Gaslieferungen nach Bulgarien und Polen. Das bulgarische Gasunternehmen Bulgargas sei darüber informiert worden, dass Gazprom die Erdgaslieferungen ab dem 27. April aussetzen werde, teilte das Wirtschaftsministerium in Sofia mit.
Die bulgarische Regierung lehnte den russischen Vorschlag ab, das Gas in einem Prozedere aus zwei Schritten zu bezahlen. Dies verletze geltende Verträge und bedeute ein erhebliches Risiko für Bulgarien, argumentierte sie. Unter anderem bestehe die Gefahr, dass Bulgarien zahle, aber nicht beliefert werde. Man suche mit Hilfe staatlicher Unternehmen nach Alternativen zu russischen Lieferungen.
Bulgarien mit seinen rund 6,5 Millionen Einwohnern deckt mehr als 90 Prozent seines Gasbedarfs aus russischen Importen. Die Regierung versicherte, fürs Erste werde es keine Beschränkungen bei der Gasversorgung von Privathaushalten geben.
Polen sieht Vertragsbruch gegeben
Zuvor hatte bereits Polen den von Gazprom verkündeten Stopp russischer Gaslieferungen über die Jamal-Pipeline gemeldet. Man sei durch den russischen Erdgaskonzern Gazprom informiert worden, teilte der polnische Erdgaskonzern PGNiG in Warschau mit. Dies sei ein Vertragsbruch, für den Schadensersatz verlangt werden könne, so PGNiG. Der Konzern werde zudem Schritte einleiten, um die Gaslieferung entsprechend den Vertragsvereinbarungen zu sichern. PGNiG hat mit Gazprom langfristige Verträge, die dieses Jahr auslaufen.
Russland hatte gedroht, europäischen Ländern den Gashahn zuzudrehen, wenn sie ihre Einfuhren nicht wie seit März gefordert in Rubel bezahlen. Polen erklärte daraufhin mehrfach, der Forderung nicht nachkommen zu wollen. Die Europäische Kommission hat ihrerseits Gasimport-Unternehmen in der EU aufgefordert, weiterhin in der vertraglich vereinbarten Währung zu zahlen. In 97 Prozent der Fälle sind das Euro oder Dollar.
Sanktionen gegen Russland
Gazprom steht auf einer jüngst veröffentlichten Liste russischer Unternehmen und Oligarchen, deren Vermögenswerte nach einem neuen Sanktionsgesetz eingefroren werden können. Polen leitete diese Strafmaßnahmen unabhängig von Sanktionen ein, die die EU-Länder gemeinsam gegen Russland verhängt hatten. Weitere mögliche Energiesanktionen gegen Russland sind geplant. Anfang August tritt in der EU ein Kohle-Embargo gegen Russland in Kraft. Einige EU-Mitgliedsstaaten fordern eine Ausweitung des Embargos auch auf russisches Öl und Gas.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sagte bei einem Besuch in Warschau, er gehe davon aus, dass Deutschland die Unabhängigkeit von Öllieferungen aus Russland innerhalb weniger Tage erreichen könne.
Morawiecki: Könnte Erpressungsversuch sein
Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki hatte zuvor – nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin – gesagt: „Wir haben Drohungen von Gazprom erhalten, die Gaslieferungen einzustellen.“ Vielleicht versuche Russland, Polen auf diese Weise zu erpressen.
Polen habe sich aber im Vorfeld auf die Diversifizierung der Gasversorgung vorbereitet. Die Wirtschaft sei nicht gefährdet. Die Gasspeicher seien zu 76 Prozent voll. Nach Deutschland fließt über die Jamal-Pipeline meistens kein Gas aus Russland.
Polen versucht bereits seit Jahren, seine traditionell hohe Abhängigkeit von Öl- und Gaslieferungen aus Russland zu verringern. Noch im Oktober und damit zu Beginn der nächsten Heizperiode soll die Baltic Pipe in Betrieb gehen – ein Konkurrenzprodukt zur umstrittenen deutsch-russischen Gasröhre Nord Stream – und norwegisches Gas via Dänemark nach Polen leiten.