Wichtige Akte zur Klimastiftung MV angeblich nicht zu finden
30. April 2022Zentrale Unterlagen zur umstrittenen Klimastiftung Mecklenburg-Vorpommerns sind laut einem Zeitungsbericht angeblich in der Landesregierung unauffindbar. Das Innenministerium sieht das offenbar anders.
Die Hauptakte zur Gründung der umstrittenen Klima- und Umweltstiftung Mecklenburg-Vorpommern ist innerhalb der Landesregierung angeblich unauffindbar. Wie die „Welt am Sonntag“ vorab berichtete, konnten mehrere Regierungsstellen der Zeitung nicht sagen, wo die Unterlagen verblieben sind. Die damals rot-schwarze Landesregierung hatte die Stiftung Anfang 2021 ins Leben gerufen, um mit verdeckten Geschäften den Bau der russischen Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 durch die Ostsee voran zu treiben, deren Fertigstellung nach Angaben der Landesregierung von Sanktionen der USA bedroht schien. Die russisch dominierte Nord Stream 2 AG zahlte 20 Millionen Euro in die Stiftung ein.
Nach Auflösung des Ministeriums verschwunden
Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) hatte mehrfach erklärt, der frühere Energieminister Christian Pegel (SPD) habe die Federführung bei der Vorbereitung der Stiftung gehabt. Pegel, inzwischen Innenminister, teilte laut „Welt am Sonntag“ mit: „Die Akte ist im Energieministerium verblieben.“ Dieses Ministerium wurde allerdings nach der Landtagswahl 2021 von der neuen rot-roten Landesregierung aufgelöst, die Arbeit auf andere Ministerien aufgeteilt. Für die Energiepolitik ist das Wirtschaftsministerium zuständig. Dort konnten die Stiftungs-Unterlagen laut „Welt am Sonntag“ noch nicht gefunden werden. Auch Schwesigs Staatskanzlei sah sich auf Nachfrage außerstande mitzuteilen, was mit den Dokumenten geschehen ist.
CDU: Verschwinden von Akten „fast unmöglich“
Die CDU-Landtagsabgeordnete Katy Hoffmeister hält es „für nicht sehr wahrscheinlich, dass eine Akte so komplett verschwinden kann“, denn grundsätzlich würden Akten in der Landesverwaltung in einem Computerprogramm angelegt und verwaltet. Ein Verschwinden von Akten sei „fast unmöglich“, sagte Hoffmeister gegenüber NDR 1 Radio MV. Sie forderte Schwesig auf, für Transparenz zu sorgen, sonst drohe ein „erheblicher Vertrauensverlust“ für die Landesregierung und die Landesverwaltung. Hoffmeister befürchtet nicht, dass Unterlagen oder Daten in der Landesregierung bewusst gelöscht werden. „Das wäre nicht klug“, so die frühere Justizministerin. Der AfD-Landtagsfraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer sprach von einen „unglaublichen Vorgang“. Die Behauptung, die Akte sei verschwunden, sei „unglaubwürdig und an Dreistigkeit nicht mehr zu überbieten“. Die Landesregierung müsse zunächst einfach transparent über die Stiftung und ihre Hintergründe bei der Gründung informieren – nicht mehr und nicht weniger, aber die Notwendigkeit personelle Konsequenzen würden „immer wahrscheinlicher“. Wenn die Akte nicht auffindbar bleibe, dann sehe er Schwesig „nicht mehr als Ministerpräsidentin haltbar“.
Grüne sehen „Rücktrittsgrund“
Der Landtagsfraktionsvorsitzende der Grünen, Harald Terpe, glaubt „nicht an einen Zufall“, dass gleichzeitig Akten aus den Beständen der Landesregierung und – wie vor kurzem bekannt wurde – Steuerunterlagen der Klimastiftung verschwunden sein sollen. Er erwarte, dass die Landesregierung ermittelt, wer politisch verantwortlich ist, und politische Konsequenzen ziehen. „Ja, das ist ein Rücktrittsgrund“, so Terpe. René Domke, Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion, fand es „fast schon beleidigend“ zu glauben, dass die angeblich verschwundenen Akten nicht rekonstruiert werden können. „Ich gehe davon aus, dass die Wahrheit am Ende ans Licht kommt“, so Domke. Von der Landesregierung erwarte er auch angesichts des geplanten Untersuchungsausschusses, „dass jetzt Schluss ist mit solchen Mätzchen“.
Innenministerium: Unterlagen wurden übergeben
Inzwischen nahm die Sprecherin des Innenministeriums zum Bericht der „Welt am Sonntag“ Stellung: „Das Innenministerium und das Wirtschaftsministerium stellen übereinstimmend fest, dass Unterlagen zur Gründung der Klimaschutzstiftung der Energieabteilung übergeben worden sind.“
Sellering blockiert Informationen
Der Vorsitzender der Klimastiftung, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), versucht so gut wie ihm möglich, Informationen über die Pipeline-Aktivitäten der Stiftung zurückzuhalten. So wurde die Stiftung bereits durch drei Gerichtsurteile verpflichtet, Informationen an Journalisten herauszurücken. Sellering legte jeweils Einspruch beziehungsweise Berufung ein. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine forderten Landesregierung und Landtag, die Stiftung aufzulösen. Auch dagegen wehrt sich Stiftungs-Chef Sellering vehement.
Bundeswirtschaftsminister billigte Stiftung nicht
Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte indes der „Welt am Sonntag“, er habe von der beabsichtigten Gründung der Stiftung gewusst, sie aber nicht gebilligt. Aus Respekt vor der zustimmenden Entscheidung des Schweriner Landtags habe sich jedoch nicht öffentlich zur Klimastiftung geäußert.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version hatten wir zunächst aufgrund einer Information der Deutschen Pressagentur berichtet, das Wirtschaftsministerium habe zu dem Vorgang Stellung genommen. Zudem war im Beitrag die Rede davon, dass Schwesig suggeriert hätte, die Klimastiftung sei im stillen Einvernehmen mit der Bundesregierung gegründet worden. Das stimmt so nicht, richtig ist aber, dass die Bundesregierung über den Sachverhalt informiert wurde.