Wie der 1. Mai zum „Tag der Arbeit“ wurde

Wie der 1. Mai zum „Tag der Arbeit“ wurde

1. Mai 2022 Aus Von mvp-web
Stand: 01.05.2022 05:00 Uhr

1919 wurde der 1. Mai, einst Kampftag der Arbeiterklasse, erstmals deutscher Feiertag. Seinen Ursprung hat der „Tag der Arbeit“ in den USA. Corona-bedingt verzichtete der DGB 2020 erstmals in seiner Geschichte auf große Kundgebungen.

von Irene Altenmüller

Ein Feiertag für die Arbeiterbewegung – diese Idee stößt in der Weimarer Nationalversammlung 1919 nicht bei allen Parteien auf Begeisterung. Die Mitglieder der Versammlung einigen sich darauf, den 1. Mai 1919 „dem Gedanken des Weltfriedens, des Völkerbundes und des internationalen Arbeiterschutzes“ zu weihen und verabschieden ein entsprechendes Gesetz. Der 1. Mai ist damals damit einmalig im Jahr 1919 ein gesetzlicher Feiertag. Für den Vorschlag, den Tag der Arbeit unbefristet als Feiertag einzuführen, findet sich keine Mehrheit. Da sich bürgerliche und konservative Gruppierungen gegen den neuen Feiertag aussprechen, behalten ihn nur wenige Länder in den folgenden Jahren bei – darunter Braunschweig und Lübeck.

„Tag der Arbeit“ hat seinen Ursprung in den USA

Dass die Nationalversammlung ausgerechnet den 1. Mai als „Tag der Arbeit“ bestimmt, ist kein Zufall. Bereits seit 1890 gilt dieser Tag in Deutschland und Europa als „Kampftag der Arbeiterbewegung“. Der eigentliche Ursprung liegt aber in den USA: Dort streiken am 1. Mai 1886 rund 400.000 Arbeiter in mehreren Städten und fordern die Einführung eines Acht-Stunden-Tags. In Chicago kommt es am 3. und 4. Mai im Rahmen der Streiks zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Im Verlauf des sogenannten Haymarket Riot sterben sowohl mehrere Demonstranten als auch Polizisten. Acht Streik-Organisatoren werden angeklagt und hingerichtet.

1889 beschließen Gewerkschaften und Arbeiterparteien auf dem Zweiten Internationalen Arbeiterkongress in Paris, zum Gedenken an die Opfer von Chicago am 1. Mai zu einer internationalen Demonstration aufzurufen. Zentrale Forderungen sind auch hier der Acht-Stunden-Tag, außerdem höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen.

1890: SPD macht 1. Mai zum Tag der Arbeiterbewegung

Ein Jahr später finden am 1. Mai auch in Deutschland Streiks, Demonstrationen und die sogenannten Maispaziergänge statt, um für die Arbeiterrechte zu kämpfen. Rund 100.000 Menschen beteiligen sich. Im Oktober 1890 beschließt die SPD, den 1. Mai zum Tag der Arbeiterbewegung zu machen. Fortan kommt es alljährlich am 1. Mai zu Streiks und Demonstrationen. Arbeitgeber reagieren darauf mit Aussperrungen und Entlassungen. Der 1. Mai entwickelt sich zum Symboltag des Klassenkampfes.

1933: Nazis vereinnahmen den „Tag der Arbeit“

Nationalsozialistischer Aufmarsch am 1. Mai 1933 im Berliner Lustgarten zum "Tag der nationalen Arbeit" © picture alliance / arkivi

Ab 1933 versuchen die Nazis, den 1. Mai umzudeuten – und veranstalten Aufmärsche wie hier im Berliner Lustgarten.

Als „Tag der nationalen Arbeit“ führen die Nationalsozialisten den 1. Mai kurz nach der Machtübernahme 1933 als Feiertag wieder ein – bei voller Lohnfortzahlung. Es ist der Versuch, den Kampftag für die eigene Propaganda zu nutzen, die Arbeiterbewegung zu vereinnahmen und die Gewerkschaften zu entmachten. Schon am 2. Mai stürmen Schlägertrupps der SA die Gewerkschaftsbüros, Funktionäre werden verhaftet, die Gewerkschaften gleichgeschaltet. Fortan dient der 1. Mai als staatlich verordneter Feiertag für Aufmärsche und Paraden.

Militärparaden im Osten, Gewerkschaftskundgebungen im Westen

Nach dem Zweiten Weltkrieg ist es der Alliierte Kontrollrat, der im April 1946 den Tag als Feiertag bestätigt. Schon bald entwickeln sich die Feierlichkeiten zum 1. Mai in Ost und West unterschiedlich. Während sie im Osten staatlich organisiert und mit militärischen Paraden inszeniert werden, nutzen im Westen vor allem die Gewerkschaften den 1. Mai für politische Kundgebungen, die häufig mit kulturellen Veranstaltungen kombiniert werden.

Ab den 1980er-Jahren kommt es vor allem in Berlin und Hamburg zunehmend zu gewaltsamen Ausschreitungen zwischen autonomen Gruppierungen und der Polizei. Mit gezielten Aktionen zur Deeskalation, etwa Familienfesten, konnten die schon fast traditionellen Krawalle zum 1. Mai mittlerweile aber eingedämmt werden.

Maifeiertag: Gesetzlicher Feiertag in vielen Ländern

In vielen Städten rufen die Gewerkschaften in der Regel zu Demonstrationen am 1. Mai auf – jedes Jahr unter einem anderen Motto.

Der „Tag der Arbeit“ oder auch „Labor Day“ ist heute in vielen Ländern der Welt ein gesetzlicher Feiertag. Während sich in Europa der 1. Mai durchgesetzt hat, wird der „Labor Day“ in den USA im September gefeiert. Auch in Kanada, Australien und Neuseeland findet er an anderen Tagen statt. Als Kampftag für Arbeitnehmerrechte hat der „Tag der Arbeit“ allerdings an Bedeutung eingebüßt. Für viele ist er mittlerweile vor allem ein willkommener, arbeitsfreier Tag.

Corona: „Tag der Arbeit“ erstmals ohne große Kundgebungen

Im Zuge der Corona-Pandemie hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) 2020 erstmals in seiner Geschichte nicht zu Kundgebungen und Demonstrationen auf Straßen und Plätzen aufgerufen. Stattdessen gab es kleine symbolische Aktionen und online wurde mit Streams und Videos auf die Rechte und Belange von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufmerksam gemacht. Der 1. Mai 2021 wurde vom DGB unter dem Motto „Solidarität ist Zukunft“ mit einem Mix aus Online- und Vor-Ort-Kundgebungen veranstaltet. In diesem Jahr ruft der Deutsche Gewerkschaftsbund unter dem Motto „GeMAInsam Zukunft gestalten“ wieder zu Aktionen und Kundgebungen auf der Straße auf.