Disput um Klimastiftung: Es knirscht in der rot-roten Koalition

Disput um Klimastiftung: Es knirscht in der rot-roten Koalition

8. Mai 2022 Aus Von mvp-web
Stand: 07.05.2022 07:28 Uhr

Droht wegen der Klimastiftung Krach in der rot-roten Koalition? Justizministerin Jacqueline Bernhardt (Die Linke) hat betont reserviert auf das neue Rechtsgutachten zur Auflösung der umstrittenen Stiftung Klima- und Umweltschutz MV reagiert. Man werde das Papier prüfen, teilte ihr Ministerium auf Anfrage mit.

von Stefan Ludmann, NDR 1 Radio MV Aktuell

Anders als Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sehen Bernhardt und ihre Stiftungsexperten im Ministerium in dem Gutachten offenbar keine ganz offensichtlichen Gründe, die Stiftung aufzulösen – wie von Landesregierung und Landtag beschlossen. Bernhardt hat bislang ohnehin eine komplett andere Meinung als die Gutachterin der Landesregierung, Rechtsprofessorin Birgit Weitemeyer aus Hamburg.

Gutachten: Stiftung kann aufgelöst werden

Weitemeyer kommt in ihrem 55-Seiten-Papier zu dem Ergebnis: Die Stiftung wird wegen ihrer Finanzierung aus russischen Quellen über den Staatskonzern Gazprom immer mehr zur Belastung für das Land. Die Stiftung könne den Klimaschutz nicht – wie selbst angestrebt – in einem breiten gesellschaftlichen Bündnis fördern und sie sei wegen der russischen Geldgeber gemeinwohlgefährdend.

Das Konstrukt mag bei seiner Gründung vor gut einem Jahr noch akzeptabel gewesen sein, aber die Welt habe sich mit dem Ukraine-Krieg verändert, meint Weitemeyer. Laut der Professorin steht in der Sache jetzt – gut ein Jahr nach Gründung der Stiftung – viel auf dem Spiel, sollte die Stiftung bestehen bleiben: „In Gefahr sind die Einhaltung der Sanktionen gegenüber Russland, das Unterlaufen der westlichen Ächtung des Aggressors und damit auch das Ansehen und die Funktionsfähigkeit des Landes, dem die Stiftungstätigkeit immer noch zugerechnet wird.“ Das Justizministerium als Stiftungsaufsicht könne deshalb eine Aufhebung durchsetzen, schlussfolgerte Weitemeyer – wenn der Stiftungsvorstand das nicht von sich aus beschließt.

Im Landtag lehnte Justizministerin Auflösung ab

Ministerin Bernhardt formulierte allerdings vor vier Wochen im Landtag eine ganz andere Auffassung. Die Stiftung sei nicht gemeinwohlgefährdend und ihr Stiftungszweck verstoße gegen keine Vorschriften. Den Abgeordneten sagte sie: „Aus stiftungsrechtlicher Sicht gibt es derzeit keine Möglichkeit, die Stiftung aufzuheben.“ Genau diese Auflösung hatten die Grünen von ihr gefordert. Bernhardt stellte sich als Ministerin dar, der die Hände gebunden sind. Sie könne den Vorgang nicht politisch, sondern nur rechtlich bewerten. Anders äußerte sich Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD). Sie werde eine Aufhebung über das Justizministerium anstreben, wenn der Stiftungsvorstand die Auflösung nicht selbst beschließe, sagte Schwesig am vergangenen Mittwoch nach der Präsentation des Gutachtens. Schwesig machte ihrer Justizministerin damit schon mal klar, was sie von ihr erwartet: Das Ministerium hatte die Anerkennung der Stiftung im Januar 2021 in Windeseile umgesetzt, jetzt soll es die eigene Entscheidung ebenso konsequent wieder kassieren.

Zweites Gutachten stützt Bernhardt

Bernhardt erklärte, das neue Rechtsgutachten werde ihr Haus „sorgfältig“ prüfen. Das werde „einige Tage in Anspruch nehmen“. Eine abschließende Bewertung erwarte sie „bis spätestens Mitte nächster Woche“. Das Ministerium hat bereits das Rechtsgutachten der Stiftung auf dem Tisch, das vor gut zwei Wochen vorgestellt wurde. Die Bochumer Juraprofessorin Katharina Uffmann kommt darin zu dem Ergebnis, dass die Stiftung nicht aufgelöst werden könne, an ihr klebe kein „Blutgeld“ aus Russland. Die Finanzierung sei vor dem Angriff auf die Ukraine geregelt worden. Der Stiftungschef, Ex-Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD), sagte, es sei keinem geholfen, wenn die Stiftung nicht weiterarbeiten könne: „Putin würde eine Auflösung nicht beeindrucken.“

Argumentation mit Widersprüchen

Fakten hat unterdessen die zweite Linken-Politikerin in der Koalition geschaffen: Bildungsministerin Simone Oldenburg hat die Stiftung von einer Zusammenarbeit mit den Schulen verbannt. Eine Kooperation könne es nicht geben, verfügte Oldenburg. Ihr Schritt diente der Gutachterin Weitemeyer als Beleg für die These, dass der Stiftung der Rückhalt fehle.

Fragen allerdings könnte ein anderes zentrales Argument ihres Gutachten aufwerfen. Weitemeyer schreibt, erst nach Gründung der Stiftung sei deutlich geworden, dass die Ukraine als Transitland für den Gastransport nach Europa massiv geschwächt worden wäre, wenn die Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 in Betrieb gegangen wäre. Die Fertigstellung der Röhre bis ins vorpommersche Lubmin war das Ziel des Stiftungsfirma. Weitemeyer sieht mit Blick auf die Schwächung der Ukraine „eine erhebliche Gefährdung des Gemeinwohls durch die mögliche angestrebte Umgestaltung der geopolitischen Nach-Kalte-Kriegsordnung durch Russland“. Die Gutachterin schlussfolgert: „Wären diese Umstände bereits im Zeitpunkt der Errichtung der Stiftung bekannt gewesen, hätte die Stiftung wegen Verstoßes gegen den Gemeinwohlvorbehalt nicht errichtet werden dürfen.“

Auswirkung auf die Ukraine war bekannt

Das Problem ist: Schon im Januar 2021 war bekannt, dass die Ukraine bei einer Fertigstellung von Nord Stream 2 als Gasdurchleitungsland weitgehend ausfallen würde, auf Einnahmen hätte verzichten müssen und die europäische Abhängigkeit von russischem Gas größer geworden wäre. Davor warnten unter anderem die USA und die osteuropäischen Länder. Sie bezogen sich dabei auch auf die vorangegangene Annexion der Krim und die russische Unterstützung der Separatisten in der Ostukraine. Und das heißt dann eigentlich: Die Gutachterin sagt dem Land, die Stiftungsidee sei von Beginn an falsch gewesen, die Stiftung hätte es so nie geben dürfen.