Nord Stream 2: Lobbyismus vorwürfe gegen die Landesregierung MV
18. Mai 2022Oppositionspolitiker, Experten und Verbände erheben im neuen NDR MV Podcast schwere Vorwürfe gegen die Landesregierung. Mit Blick auf die Vorgänge rund um Nord Stream 2 und die umstrittene Klimaschutzstiftung sprechen sie von Lobbyismus und politischer Korruption. Ex-Energie- und jetzt Innenminister Christian Pegel (SPD) weist die Anschuldigungen zurück.
Das jahrelange Festhalten der Landesregierung an der Gaspipeline Nord Stream 2 und die Einrichtung der Klimaschutzstiftung vor gut 15 Monaten steht spätestens seit Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine in der Kritik. Der Landtag wird am Mittwoch deswegen auch über die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses abstimmen. Unterdessen mehren sich die Vorwürfe gegen die Landesregierung.
„Enges Verhältnis“ zwischen Nord Stream 2 und Landesregierung
2016 lädt die Nord Stream 2 AG Vertreter der Landesregierung zu einem sogenannten „Auftakttreffen“ ein. Dort wird eine Präsentation zur Ostseepipeline gezeigt, in der die Manager der Tochterfirma des russischen Staatskonzerns Gazproms um Unterstützung aus der Politik für die Erdgasleitung bitten. So heißt es in der Präsentation, „eine politische Flankierung der Neuausweisung der Gebiete sei von großer Wichtigkeit“ und „ein entsprechender Kabinettsbeschluss aus Schwerin wäre wünschenswert“.
In den folgenden Jahren unterstützt die Landesregierung die Nord Stream 2 AG immer wieder politisch bei der Fertigstellung der Pipeline. So werden etwa zwei Mitarbeiter im Bergamt Stralsund extra für das Vorhaben eingestellt, damit die Genehmigung der Erdgas-Pipeline zügig vonstatten gehen kann. Außerdem ist mittlerweile bekannt, dass die Nord Stream 2 AG die Landesregierung mit Kommunikationsstrategien zur Pipeline ausstattete und später auch an der Entwicklung der Klimaschutzstiftung beteiligt war. All das geht aus dem internen Schriftverkehr der Staatskanzlei hervor, den sich unter anderem die Investigativjournalistin Vera Deleja-Hotko von der Transparenz-Plattform „Frag den Staat“ auf dem Rechtsweg beschafft hat. Sie schlussfolgert: „Man merkt schon, dass es ein ziemlich enges Verhältnis zwischen der Landesregierung und der Nord Stream 2 AG gibt“.
Lobby Control: „Enge Verflechtung“
Im neuen NDR MV Podcast „Akte Nord Stream 2: Gas, Geld, Geheimnisse“ erklärt Klimaexpertin Nina Katzemich von der unabhängigen Organisation „Lobby Control“, die Vorgänge in Mecklenburg-Vorpommern würden die Definition von Lobbyismus sprengen: „Das ist schon weitaus mehr. Das ist eine ganz enge Verflechtung, eine ganz enge Partnerschaft. Da würde ich nicht mehr von Lobbyismus sprechen.“ Ähnlich bewerten das auch Oppositionspolitiker. Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Hannes Damm, sagt im Podcast: „Das ist definitiv Lobbyismus. Die Frage ist, was man dort noch für andere starke Worte für wählen kann. Ich würde das sagen, das geht in eine Richtung von politischer Korruption.“ Auch für Rene Domke, dem FDP-Fraktionsvorsitzenden, sind die Grenzen von Lobbyismus überschritten. Mit Blick auf die Beteiligung der Nord Stream 2 AG an der Stiftungsidee sagt Domke: „Das ist ja schon fast ein Diktat und wenn man das zulässt, begibt man sich natürlich in Abhängigkeiten.“
Minister Pegel (SPD) weist Vorwürfe zurück
Für die Landesregierung war der ständige, intensive Kontakt zu Nord Stream 2 kein Lobbyismus. Die Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) betonte bereits mehrfach: „Diese Vorwürfe sind falsch. Auch der damals zuständige Energieminister und heutiger Innenminister Christian Pegel (SPD) meint, das gesamte Handeln der Landesregierung habe dem Landesinteresse entsprochen – beispielsweise die Einbindung der Nord Stream 2 AG bei der Erarbeitung der Stiftungsidee. „An den Stellen, wo sie ihre Interessen vertreten, vertreten sie ihre Interessen – genauso wie andere Unternehmen auch. Aber an den Stellen, wo ich sie einbinde, weil ich möchte, dass die Stiftung hinterher funktioniert, ist das sogar in meinem Interesse.“
Rostocker Politikwissenschaftler spricht von Lobbyskandal in MV
Professor Wolfgang Muno, Politikwissenschaftler an der Universität Rostock, widerspricht dem. Der Fall in Mecklenburg-Vorpommern sei anders gelagert, als beispielsweise die Lobbyeinflüsse von Pharmaunternehmen oder Anwaltskanzleien. „Wir haben es hier mit einem besonderen Lobbyismusskandal zu tun, weil hier ein anderes Land über Staatskonzerne Lobbyismus betreibt.“ Er kommt zu dem Schluss, es handele sich um Lobbyismus einer ausländischen Diktatur in Deutschland. Muno ist der Auffassung, der mögliche Untersuchungsausschuss müsse aufdecken, wie weit der Einfluss Moskaus auf Schwerin ging.
Kieler Sicherheitsexperte wirft Frage nach Korruption und Bestechlichkeit auf
Professor Joachim Krause, Direktor am Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel, hält darüber hinaus Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden für angebracht. Ihm kämen mit Blick auf die Politik der vergangenen Jahre in Mecklenburg-Vorpommern und im Bund die Begriffe „Korruption“ und „Bestechlichkeit“ in den Sinn. Anders sei das Ausmaß des jahrelangen Ignorierens der Landesregierung, aber auch der Bundesregierung, von Tatsachen – wie die Annexion der Krim durch Russland, der Fall Nawalny oder auch der Abschuss des Passagierflugzeuges MH 17 – nicht zu erklären, so Krause.