Krieg Tag 94 – Sa 28.05.2022 ++ Kiew: Russland als Terrorstaat einstufen ++
28. Mai 2022Der ukrainische Präsident Selenskyj fordert von der EU die Einstufung Russlands als Terrorstaat. Verteidigungsminister Resnikow zufolge wurden unter anderem Harpoon-Antischiffsraketen aus Dänemark in die Ukraine geliefert.
- Putin telefoniert mit Scholz und Macron
- Fluchtroute aus Cherson geschlossen
- Ukraine: Rund 10.000 russische Soldaten in Region Luhansk .
- Moskau will Gas-Mehreinnahmen für Krieg verwenden
- Für Schüler aus der Ukraine fehlen laut Studie Lehrer
23:27 Uhr
Selenskyj fordert von EU Einstufung Russlands als Terrorstaat
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Russland eine Politik des Terrors vorgeworfen. „Ich werde die Welt immer wieder daran erinnern, dass Russland endlich offiziell als Terrorstaat, als Förderer des Terrorismus, anerkannt werden muss“, sagte Selenskyj in einer Videoansprache in Kiew. Dies spiegele die tägliche Realität wider, die Russland mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine geschaffen habe „und sehr viel weiter nach Europa tragen“ wolle. „Und das muss rechtlich verankert werden.“ Er wolle sich zu Wochenbeginn an die Teilnehmer des EU-Sondergipfels in Brüssel wenden und dann auch darüber sprechen. Nur gemeinsam könnten die Europäer die Politik eines solchen Staates stoppen, betonte er.
Das ukrainische Parlament hatte Russland im April als Terrorstaat eingestuft. „Die Russische Föderation ist ein Terrorstaat, eines der Ziele des politischen Regimes ist der staatliche Genozid des ukrainischen Volkes, die physische Auslöschung, die massenhafte Ermordung der Bürger der Ukraine“, heißt es etwa in dem Gesetz.
Kiew bittet um Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite
Die Ukraine hat den Westen zur Lieferung fortschrittlicher Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite für den Kampf gegen Russland aufgefordert. „Wenn der Westen wirklich den Sieg der Ukraine will, ist es vielleicht Zeit, uns MLRS zu geben?“, teilte Mychajlo Podoljak, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, auf Twitter mit. MLRS sind in den USA hergestellte Artilleriesysteme. „Es ist schwer zu kämpfen, wenn man aus einer Entfernung von 70 Kilometern angegriffen wird und nichts hat, womit man sich wehren kann“, meinte Podoljak. Die Ukraine könne Russland „hinter den Eisernen Vorhang“ zurückbringen. „Aber dafür brauchen wir wirksame Waffen. Hier und jetzt.“
Die US-Regierung zieht einem Medienbericht zufolge in Erwägung, fortschrittliche Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite in die Ukraine zu schicken. Die Artilleriesysteme MLRS und Himars könnten Geschosse über bis zu 300 Kilometer abfeuern, hatte der Sender CNN unter Berufung auf mehrere Beamte berichtet. Ein neues militärisches Hilfspaket könnte bereits in der kommenden Woche angekündigt werden.
21:37 Uhr
Ukraine: Russland-Sanktionen nicht ursächlich für Nahrungsmittelkrise
Die Ukraine hat Russland erneut mit Nachdruck widersprochen, dass westliche Strafmaßnahmen gegen Moskau der Grund für die aktuelle mangelnde Lebensmittelsicherheit in der Welt seien. „Sanktionen gegen Russland haben nichts mit der sich abzeichnenden globalen Nahrungsmittelkrise zu tun“, teilte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba auf Twitter mit. „Der einzige Grund für Engpässe, steigende Preise und drohenden Hunger ist, dass das russische Militär 22 Millionen Tonnen ukrainischer Lebensmittelexporte in unseren Seehäfen physisch blockiert“, betonte Kuleba. Der Westen müsse Russland mit Druck dazu bringen, die Blockade zu beenden.
Russland meldet erneuten Test von Hyperschallrakete
Die russische Marine hat einen weiteren Test der Hyperschallrakete Zircon durchgeführt. Es handelte sich vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs um eine Demonstration der Fähigkeit des russischen Militärs, Ziele in großer Entfernung zu treffen. Das Verteidigungsministerium erklärte, der Marschflugkörper sei von der Fregatte „Admiral Gorschkow“ in der Barentssee gestartet worden und habe erfolgreich ein Ziel im Weißen Meer, etwa 1000 Kilometer entfernt, getroffen. Es hatte bereits eine Reihe von Tests der Zircon gegeben. Die Waffe soll in diesem Jahr offiziell in Betrieb gehen.
Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte, die Zircon sei in der Lage, neunfache Schallgeschwindigkeit zu erreichen, bei einer Reichweite von 1000 Kilometern. Putin zufolge werde das Waffensystem die Fähigkeiten des russischen Militärs signifikant steigern. Vertreter Russlands behaupteten, es sei unmöglich, die Zircon mit bestehenden Raketenabwehrsystemen abzufangen. Putin hatte bereits in der Vergangenheit davor gewarnt, dass mit der Zircon ausgestattete russische Kriegsschiffe Russland in die Lage versetzen könnten, „Entscheidungszentren“ innerhalb von Minuten anzugreifen.
Selenskyj: Können nicht gesamtes Staatsgebiet mit Gewalt zurückholen
Die Ukraine wird Präsident Wolodymyr Selenskyj zufolge das von Russland in den vergangenen Jahren eingenommene Staatsgebiet nicht komplett mit Gewalt zurückholen können. „Ich glaube nicht, dass wir unser gesamtes Territorium mit militärischen Mitteln zurückgewinnen können“, sagte er in einem Interview, das sein Büro in voller Länge im Internet veröffentlicht hat. Bei einem solchen Vorgehen würden Hunderttausende Menschen getötet. Das Interview wurde zuerst im niederländischen Fernsehen gesendet. Russland hatte im Jahr 2014 die Krim annektiert.
Bericht: Moskauer Zeit in Cherson eingeführt
– In von Russland eingenommenen Städten in der Ukraine wird nach ukrainischen Behördenangaben teils die Anbindung an Russland vorangetrieben. Vom Kreml installierte Vertreter hätten mit der Ausstrahlung russischer Nachrichtensendungen begonnen, russische Schullehrpläne würden eingeführt und es würden andere Schritte unternommen, um Gebiete zu annektieren, hieß es. Die russische Nachrichtenagentur Ria Novosti zitierte den von Russland eingesetzten stellvertretenden Verwaltungschef Kirill Stremoussow in der ukrainischen Region Cherson damit, dass dort die Moskauer Zeit eingeführt worden sei.
Region Charkiw: Solarkraftwerk wohl schwer beschädigt
Ein Fotograf der Nachrichtenagentur Reuters berichtet von schweren Schäden an einem Solarkraftwerk in der Region Charkiw. Offenbar sei die Anlage von einer Rakete getroffen worden. Der ukrainische Generalstab hat mehrere russische Angriffe auf Gemeinden und Infrastruktur-Einrichtungen in der Region gemeldet.
Flüchtlinge aus Lyssytschansk berichten von schwerem Beschuss
Flüchtlinge aus Lyssytschansk haben ihr Überleben in der von Russland angegriffenen ukrainischen Stadt in der Region Luhansk im Donbass beschrieben. Sie schilderten verstärkten Beschuss, insbesondere in der zurückliegenden Woche. Es sei unmöglich gewesen, die Schutzräume in den Kellern zu verlassen. „Es ist zu gefährlich, jetzt dort zu bleiben“, sagte eine Frau, die mit ihren kleinen Söhnen geflohen ist.
Die Kämpfe um Lyssytschansk und das nahe gelegene Sjewjerodonezk dauern an. Die beiden benachbarten Städte sind die letzten beiden größeren Gebiete in der Region Luhansk, die noch von ukrainischen Kräften kontrolliert werden.
Macron und Scholz fordern Freilassung von Asowstal-Kämpfern
Deutschland und Frankreich haben von Russland die Freilassung der gefangen genommenen ukrainischen Kämpfer aus dem Asowstal-Werk gefordert. Macron und Scholz hätten in ihrem Telefonat mit Putin die Freilassung von rund 2500 Kämpfern verlangt, die das Stahlwerk in der Hafenstadt Mariupol verteidigt hatten, teilte der Elysée-Palast in Paris mit. Die russische Armee hatte die Hafenstadt monatelang belagert und am 20. Mai schließlich deren vollständige Eroberung verkündet. Ukrainische Kämpfer hatten sich im Asow-Stahlwerk der Stadt verschanzt und wochenlang den russischen Angriffen standgehalten.
Selenskyj spricht mit Johnson: Kampf gegen Lebensmittelkrise
Der ukrainische Präsident Selenskyj hat bei einem Gespräch mit den britischen Premierminister Boris Johnson zum gemeinsamen Kampf gegen eine Lebensmittelkrise in der Welt aufgerufen. Dazu müssten die Häfen der Ukraine im Schwarzen Meer von der Blockade befreit werden, teilte Selenskyj nach einem Telefonat mit Johnson mit. Johnson sicherte zu, mit westlichen Partnern nach Lösungen zu suchen, um gegen Russlands Exportblockade von Getreide vorzugehen und damit eine globale Hungersnot abzuwenden.
Johnson und Selenskyj seien sich einig, dass Russland diese Blockade aufgeben und sichere Schiffsrouten gewährleisten müsse, hieß es nach dem Gespräch aus der Downing Street. Die Ukraine kann als großer Weizenproduzent das Getreide wegen der von der russischen Kriegsmarine blockierten Häfen derzeit nicht ausführen.
Ukraine: Haben Antischiffsraketen und Haubitzen erhalten
Die Ukraine hat Verteidigungsminister Olexij Resnikow zufolge Harpoon-Antischiffsraketen aus Dänemark und Selbstfahrhaubitzen aus den USA bekommen. Das schrieb Resnikow auf Facebook.
Putin warnt Deutschland und Frankreich vor Waffenlieferungen
Der russische Präsident Wladimir Putin hat Deutschland und Frankreich laut Kreml vor der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine gewarnt. Das berge das Risiko einer weiteren Destabilisierung der Lage und der Verschärfung der humanitären Krise, sagte er den Angaben zufolge in einem Telefongespräch mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron.
Zugleich stellte Putin erneut in Aussicht, die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine zu ermöglichen. Russland sei „bereit“, Möglichkeiten „für einen Getreide-Export ohne Hemmnisse zu finden“, sagte Putin nach Kreml-Angaben. Allerdings müssten dafür auch westliche Sanktionen gegen Russland gelockert oder aufgehoben werden.
Poroschenko nach eigenen Angaben an Ausreise gehindert
Dem früheren ukrainischen Präsident Petro Poroschenko ist nach eigenen Angaben die Ausreise für einen Besuch in Litauen verwehrt worden. Trotz einer offiziellen Reisegenehmigung sei ihm der Grenzübertritt verweigert worden, teilte sein Pressedienst mit. Poroschenko wollte demnach in Vilnius als Mitglied der ukrainischen Delegation an der Frühjahrstagung der Parlamentarischen Versammlung der NATO teilnehmen. Zudem waren Treffen mit dem litauischen Präsidenten Gitanas Neuseda und einer Gruppe europäischer Abgeordneter vorgesehen. Der Milliardär Poroschenko hatte die Ukraine von 2014 bis 2019 regiert, bevor er die Wahl gegen den heutigen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj verlor.
Gegen Poroschenko läuft in der Ukraine ein Verfahren wegen Hochverrats. Er soll während seiner Amtszeit Geschäft mit pro-russischen Separatisten in der Ost-Ukraine gemacht haben. Der Ex-Präsident bezeichnet die Vorwürfe als Erfindung seines Amtsnachfolgers Selenskyj.
Russland warnt vor Lieferung weitreichender Raketen
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat westliche Staaten vor der Lieferung weitreichender Raketen an die Ukraine gewarnt. Geschosse, mit denen die Ukraine Russland erreichen könne, wären der bislang „gravierendste Schritt hin zu einer inakzeptablen Eskalation“, sagte Lawrow in einem Interview mit der arabisch-sprachigen Ausgabe des staatlichen Fernsehsenders RT.
Die ukrainische Regierung hat angesichts des Vormarschs russischer Kräfte im Osten des Landes die Lieferung schwerer Waffen gefordert. „Ohne Geschütze, ohne Mehrfachraketenwerfersysteme werden wir nicht in der Lage sein, sie zurückzudrängen“, sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba. Medienberichten zufolge möchte die Ukraine das sogenannte Himars-System mit einer Reichweite von bis zu 300 Kilometern bekommen.
Ukraine: Haben Antischiffsraketen und Haubitzen erhalten
Die Ukraine hat Verteidigungsminister Olexij Resnikow zufolge Harpoon-Antischiffsraketen aus Dänemark und Selbstfahrhaubitzen aus den USA bekommen. Das schrieb Resnikow auf Facebook.
12:17 Uhr
Militärexperte: NATO hat Russland nicht eingekreist
Der Politologe und Militärexperte Carlo Masala ist auf dem Katholikentag in Stuttgart der These entgegengetreten, die NATO habe Russland eingekreist und den Ukraine-Krieg dadurch mitverschuldet. Es gebe nur drei NATO-Staaten mit einer gemeinsamen Grenze zu Russland, nämlich die baltischen Staaten, sagte Masala in einer Podiumsdiskussion. „Ich glaube, da kann man nicht von einkreisen sprechen.“
Die NATO habe außerdem 1997 in der NATO-Russland-Grundakte versprochen, auf dem Gebiet ihrer neuen Mitglieder keine Nuklearwaffen zu stationieren, keine Hauptquartiere und keine substanziellen Kampfverbände. „Die NATO hat sich bis 2022 daran gehalten“, sagte Masala. Selbst nach der Annexion der Krim 2014 habe man penibel darauf geachtet, nicht dagegen zu verstoßen. „Der NATO kann man sicherlich viele Vorwürfe machen, was sie in den letzten 30 Jahren falsch gemacht hat, aber man kann ihr nicht diese Vorwürfe machen, die ihr Russland macht“, sagte Masala.
Lyman offenbar vollständig unter Kontrolle Russlands
Die strategisch wichtige Stadt Lyman im Osten der Ukraine ist nach russischen Angaben eingenommen. Sie sei vollständig unter Kontrolle russischer Truppen und den mit ihnen verbündeten Einheiten der Volksrepublik Donezk, teilt das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Zuvor hatten bereits pro-russische Separatisten der selbst ernannten Volksrepublik Donezk die Eroberung Lymans verkündet.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Moskau vermeldet „erfolgreichen“ Test von Hyperschall-Rakete
Inmitten seiner verstärkten Militäroffensive in der Ukraine hat Russland nach eigenen Angaben erneut eine Hyperschall-Rakete getestet. Die Rakete vom Typ Zirkon sei von einer Fregatte in der Barentssee in Richtung eines Ziels im Weißen Meer in der Arktis abgefeuert worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Das Ziel in einer Entfernung von rund tausend Kilometern „wurde mit Erfolg anvisiert“.
Russland hatte erstmals im Oktober 2020 eine Zirkon-Rakete getestet, seitdem folgten mehrere weitere Versuche. Im März hatte Moskau verkündet, dass es Hyperschall-Raketen vom Typ Kinschal im Westen der Ukraine eingesetzt habe. Ihr Einsatz war nach Angaben der staatlichen Agentur RIA Nowosti ein Novum, zuvor waren lediglich Tests erfolgt.
Ukrainischer Unterhändler: Einigung mit Russland keinen Cent wert
Der ukrainische Chef-Unterhändler in den Gesprächen mit Russland, Mychailo Podoljak, hält eine Vereinbarung mit der Führung in Moskau nicht für vertrauenswürdig. „Jedes Abkommen mit Russland ist keinen Cent wert“, schreibt Podoljak auf dem Kurznachrichtendienst Telegram. „Ist es möglich, mit einem Land zu verhandeln, das immer zynisch und propagandistisch lügt?“ Podoljak ist Berater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
„Russland hat bewiesen, dass es ein barbarisches Land ist, das die Weltsicherheit bedroht“, erklärt Podoljak. „Ein Barbar kann nur mit Gewalt aufgehalten werden.“ Die Ukraine und Russland machen einander dafür verantwortlich, dass die Friedensgespräche ins Stocken geraten sind. Das letzte bekannte Gespräch, bei dem sich die Unterhändler trafen, fand am 29. März statt.
Cherson schließt Grenze zu ukrainisch kontrolliertem Gebiet
Das von russischen Truppen besetzte Gebiet Cherson im Süden der Ukraine hat die Grenze Richtung Norden für Flüchtlinge geschlossen. „Der Grenzübergang in Richtung der Gebiete Mykolajiw und Dnipropetrowsk ist angesichts des systematischen Beschusses vonseiten ukrainischer Kämpfer sehr gefährlich“, erklärte der Vizechef der prorussischen Militärverwaltung, Kirill Stremoussow, zur Begründung der Entscheidung.
Ausreisen aus dem Gebiet Cherson seien stattdessen über die Halbinsel Krim oder den russisch kontrollierten Teil des Gebiets Saporischschja möglich. Die neue Verwaltung hat zahlreiche Initiativen unternommen, das Gebiet Cherson von der Ukraine abzuschneiden und an Russland anzubinden.
So wurde die russische Landeswährung Rubel eingeführt, die Administration hat die Ausgabe russischer Pässe gefordert und den Eintritt des Gebiets in die Russische Föderation – selbst ohne vorheriges Referendum. Auf die letzte Initiative reagierte selbst Moskau zurückhaltend.
Europol besorgt über Verbleib von Waffen
Die europäische Polizeibehörde Europol ist besorgt über den Verbleib der Waffen, die aus der EU in die Ukraine gelieferten werden. „Irgendwann ist der Krieg vorbei. Wir wollen eine Situation verhindern wie vor 30 Jahren im Balkankrieg“, sagte Europol-Direktorin Catherine De Bolle der „Welt am Sonntag“. „Die Waffen aus diesem Krieg werden noch heute von kriminellen Gruppen genutzt.“
Europol plant daher, eine internationale Arbeitsgruppe einzurichten, um Strategien für einen Umgang mit der Situation zu entwickeln. Europol beobachte zudem verdeckte Aus- und Einreiseaktivitäten bekannter terroristischer und gewaltbereiter Extremisten zwischen der Ukraine und der EU.
Ukrainisches Militär räumt Rückschlag in Lyman ein
Das ukrainische Militär hat einen Rückschlag im Kampf um die strategisch wichtige Stadt Lyman im Donbass eingeräumt. Der Feind „versucht sich im Raum Lyman festzusetzen“, und beschieße bereits Ortschaften außerhalb der Stadt, heißt es im Lagebericht des ukrainischen Generalstabs. Am Vortag hatte der Generalstab noch von Kämpfen in Lyman berichtet und mitgeteilt, die russischen Truppen versuchten, die ukrainischen Verteidiger aus der Stadt zu drängen.
Die prorussischen Separatisten hatten am Freitag die Eroberung Lymans gemeldet. Nun teilte der Generalstab mit, dass die russischen Truppen die Ortschaften Oserne und Dibrowa mit Granat- und Raketenwerfern beschießen. Beide Dörfer liegen südöstlich von Lyman. Das deutet darauf hin, dass die Front nun südlich der Stadt verläuft.
Ukraine: Rund 10.000 russische Soldaten in Region Luhansk
In der ostukrainischen Region Luhansk halten sich nach Schätzungen des dortigen Gouverneurs rund 10.000 russische Soldaten auf. Das seien die Einheiten, die dauerhaft dort seien, die versuchten, anzugreifen und in jede Richtung vorzurücken, in die sie das könnten, sagte Gouverneur Serhij Gaidai im ukrainischen Fernsehen. Unabhängig überprüfen kann Reuters diese Angaben nicht.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Berichte über Tote und Verletzte bei russischen Angriffen
Die Ukraine hat Russland für den Tod von fünf Zivilisten in dem von Regierungstruppen kontrollierten Teil der Region Donezk im Osten des Landes verantwortlich gemacht. „Heute haben Russen fünf Bürger des Donbass getötet und vier weitere verwundet“, schrieb der Gouverneur des Gebiets, Pawlo Kirilenko, im Nachrichtenkanal Telegram. Zudem berichteten ukrainische Medien von Angriffen im Raum Charkiw. Der Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, sprach von einer schwierigen Lage in der umkämpften Stadt Sjewjerodonezk. Zwar habe man genug Mittel, um die Verteidigung zu halten. Es könne aber sein, dass sich das ukrainische Militär aus taktischen Gründen zurückziehe.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Ukraine: Deutschland sollte russische Gaslieferungen stoppen
Der ukrainische Staatskonzern Naftogaz und der staatliche Netzbetreiber appellieren an Deutschland, russische Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 einzustellen oder zumindest spürbar zu drosseln. Die Leitung durch die Ostsee sei unter anderem erlaubt worden, um die Gasversorgung Europas zu sichern, sagte Konzernchef Serhij Makohon im ukrainischen Fernsehen. „Aber wir sehen, dass Russland diese Prinzipien völlig verletzt.“ Er fordere daher das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur auf, die Lieferungen auszusetzen oder mindestens stark zu begrenzen.
Selenskyj: „Donbass wird ukrainisch bleiben“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die derzeitige Lage seiner Truppen im Donbass als sehr schwierig bezeichnet. In seiner abendlichen Ansprache sagte der Präsident, dass die Russen ihre Kräfte weiter konzentrierten und schwere Artillerie und Flugzeuge einsetzten, um die ukrainischen Stellungen zu beschießen. „Wir schützen unser Land so gut wie es unsere derzeitigen Verteidigungsressourcen erlauben. Wenn die Besatzer denken, dass Lyman und Sjewjerodonezk ihnen gehören werden, dann irren sie sich. Der Donbass wird ukrainisch bleiben“, so Selenskyj. Das ukrainische Militär teilte über einen Onlinepost mit, gestern acht Angriffe in Donezk und Luhansk abgewehrt und dabei fünf Panzer und zehn gepanzerte Fahrzeuge zerstört zu haben.
Europol sorgt sich wegen Waffenlieferungen
Europol ist besorgt, dass aus der Europäischen Union in die Ukraine gelieferte Waffen langfristig in die falschen Hände geraten könnten. „Irgendwann ist der Krieg vorbei. Wir wollen eine Situation verhindern wie vor 30 Jahren im Balkankrieg. Die Waffen aus diesem Krieg werden noch heute von kriminellen Gruppen genutzt“, sagte die Direktorin der Europäischen Polizeibehörde, Catherine De Bolle, im Interview der „Welt am Sonntag“. Europol plane daher, eine internationale Arbeitsgruppe zusammenzustellen, um angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Strategien für einen Umgang mit der Situation zu entwickeln.
Europol beobachte zudem verdeckte Aus- und Einreiseaktivitäten bekannter terroristischer und gewaltbereiter, extremistischer Personen zwischen der Ukraine und der EU, sagte De Bolle weiter. „Die Situation ist hochdynamisch und fragmentiert, und wir erhalten unterschiedliche Zahlen von unseren europäischen Partnern“, so die Polizei-Direktorin. Derzeit registriere Europol zudem eine Zunahme von Cyberangriffen im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg.
Habeck weist Vorwurf mangelnder Ukraine-Hilfe zurück
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck weist den Vorwurf zurück, Deutschland sei zu zurückhaltend bei der Hilfe für die Ukraine. Er sagte der „Welt am Sonntag“: „Während wir reden, werden gerade ukrainische Soldaten an der Panzerhaubitze 2000 ausgebildet.“ In Kürze werde Deutschland diese Waffen in die Ukraine liefern. „Es ist also keineswegs so, dass Deutschland nichts oder zu wenig liefert.“ Richtig sei, dass Berlin nicht alle Wünsche der Ukraine erfüllen könne. „Daraus entsteht ein gewisses Spannungsverhältnis“, sagte Habeck. Auch Politiker der Ampel-Regierung mahnten immer wieder zur Eile bei den Waffenlieferungen an die Ukraine. So hatte etwa auch der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter wiederholt mehr Tempo gefordert.
Kirche in Ukraine beendet Verbindungen zu Russland
Eine der christlich-orthodoxen Kirchen der Ukraine hat angekündigt, ihre seit Jahrhunderten bestehende Verbindung nach Russland zu kappen. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchat erklärte infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ihre „vollständige Unabhängigkeit“ von geistlichen Autoritäten in Russland. In der Ukraine gibt es mehrere Kirchen orthodoxer Christen: Dazu gehören die ukrainisch-orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchat und die 2018 entstandene orthodoxe Kirche der Ukraine.
Die Kirche Moskauer Patriarchat war bisher Patriarch Kirill, dem Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, unterstellt. Kirill steht treu zu Kremlchef Wladimir Putin und unterstützt Moskaus militärische Einsätze im Ausland. Die Gegner der russischen Armee in der Ukraine beschimpfte er als „Kräfte des Bösen“ und warf den ukrainischen Soldaten vor, die historische Einheit zwischen den beiden Ländern brechen zu wollen. „Wir widersprechen der Position des Moskauer Patriarchen Kirill (…) zum Krieg“, erklärte die ukrainisch-orthodoxe Kirche in einer Mitteilung nach einem Konzil zu Russlands „Aggression“. Das Konzil verurteile „Krieg als Verletzung von Gottes Gebot ‚Du sollst nicht töten'“ und drücke all jenen, die darunter litten, ihr „Beileid“ aus.
04:19 Uhr
Kreditwürdigkeit von Ukraine herabgestuft
Die Ratingagentur S&P drückt ihre Bewertung für die Kreditwürdigkeit der Ukraine weiter nach unten. Die Bonitätsnote wurde wegen der Auswirkungen des Krieges von „B-/B“ auf „CCC+/C“ herabgestuft. „Erhebliche Schäden an der ukrainischen Wirtschaft und der Fähigkeit zur Steuererhebung haben die Abhängigkeit der Staatsschulden von internationaler finanzieller Unterstützung erhöht“, erklärt die Agentur. S&P erwarte, dass das reale Bruttoinlandsprodukt der Ukraine um 40 Prozent schrumpfen werde, wenn der Konflikt bis zur zweiten Hälfte des Jahres 2022 andauere.
Moskau: Gas-Mehreinnahmen für Krieg
Russland rechnet in diesem Jahr mit zusätzlichen Einnahmen in Höhe von umgerechnet 13,7 Milliarden Euro durch den Export von fossilen Brennstoffen. „Wir erwarten bis zu eine Billion Rubel mehr an Öl- und Gaseinnahmen“, sagte Finanzminister Anton Siluanow im staatlichen Fernsehen. Die Regierung wolle die zusätzlichen Einnahmen in diesem Jahr eher ausgeben als zur Seite legen, sagte er. Das Geld solle für „zusätzliche Zahlungen“ für Rentner sowie Familien mit Kindern ausgegeben werden und für die „Spezialoperation“ in der Ukraine, sagte der Finanzminister.
Russland streicht wegen des sehr hohen Gaspreises derzeit Rekordeinnahmen ein. Die Mitgliedstaaten der EU wollen unabhängiger werden von fossilen Brennstoffen aus Russland, auf ein geplantes Öl-Embargo konnten sie sich wegen einer Blockade durch Ungarn bislang jedoch nicht einigen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte sich kürzlich über die Sanktionen lächerlich gemacht und erklärt, die europäischen Länder würden sich mit ihrem „chaotischen Handeln“ nur selbst schaden.
Studie: Tausende Lehrer für Schüler aus Ukraine benötigt
Für den Schulunterricht der nach Deutschland geflüchteten Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine werden viele Tausend neue Lehrerstellen benötigt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die der „Welt am Sonntag“ vorliegt. Rund 242.000 geflüchtete Minderjährige aus der Ukraine wurden bis zum 5. Mai in Deutschland registriert. Das entspricht mindestens 3,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine.
„Geht man von den aktuellen Betreuungsrelationen an den Schulen aus, wären bei einem Anteil von 3,5 Prozent 13.500 zusätzliche Lehrkräfte in Vollzeitäqivalenten notwendig“, sagte Studienautor Wido Geis-Thöne. Steige der Anteil auf fünf Prozent, seien es schon 19.400 Lehrkräfte. Um kurzfristig für Entlastung zu sorgen, haben mehrere Bundesländer Aufrufe gestartet, um bereits pensionierte Lehrkräfte zurückzugewinnen.
Chodorkowski fordert Lieferung schwerer Waffen
Der Kremlkritiker Michail Chodorkowski drängt den Westen zur Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. „Wenn den Ukrainern die Waffen, die sie anfordern, nicht geliefert werden, wird es bald wieder zu Kämpfen um Kiew kommen“, sagte er der „Bild“. Er denke, westliche Politiker hätten vor allem Angst vor dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. „Sie glauben, sich nicht in einem Krieg zu befinden. Deswegen glauben sie auch, dass die Lieferung bestimmter Waffen zu einer Eskalation führen oder sie zu einer Kriegspartei machen könnte.“
Chodorkowski bezeichnete dies als „sehr dumme Haltung“, da sich westliche Politiker und Länder aus Putins Sicht bereits im Krieg mit Russland befänden. Auf die Frage, ob der Krieg Putins Regierung stärken oder schwächen werde, antwortete er: „Das hängt davon ab, wie dieser Krieg enden wird. Wenn Putin den Krieg nicht gewinnt, wird das Regime geschwächt sein.“
Chodorkowski war früher Chef des russischen staatlichen Ölkonzerns Yukos. Nach seinem Bruch mit Putin saß er von 2003 bis 2013 in Haft. Dann wurde er begnadigt und durfte Russland verlassen. Vor gut einer Woche hatte Russland Chodorkowski als““ausländischen Agenten“ eingestuft.