Spargelbilanz MV: Billigimport schlägt Regional

Spargelbilanz MV: Billigimport schlägt Regional

23. Juni 2022 Aus Von MVP-WEB Team
Stand: 22.06.2022 12:51 Uhr

Die Spargelsaison in diesem Jahr wurde stark negativ durch das Kaufverhalten der Verbraucher beeinflusst. Regionale Unternehmen hatten es schwer, sich gegen Discounterware aus dem Ausland durchzusetzen. Mitten in der Saison wurde die Spargelernte reduziert, die am 24. Juni mit dem Johannitag immer offiziell endet.

von Franziska Drewes, NDR 1 Radio MV

So eine Saison hat Caspar von Hertell auch noch nicht erlebt. Das Familienunternehmen „Mecklenburger Frische“ baut in Tieplitz im Landkreis Rostock Spargel auf einer Fläche von rund 33 Hektar an. Damit zählt das Unternehmen zu einem der größten Spargelanbauer im Land. Am 13. April hat der Landwirt die ersten Stangen gestochen und schnell war klar, dieses Jahr läuft alles anders. Die Direktvermarktung war deutlich schwieriger, weniger Kunden als sonst haben den Hofladen und die eigenen Verkaufsstände im Land besucht.

„Wir haben gemerkt, dass Verbraucher aufgrund der deutlich gestiegenen Nebenkosten, Energiekosten und Spritpreise sparen. Der Spargel als Luxusgemüse wurde deshalb geringer nachgefragt“. Dieses Phänomen bestätigen sämtliche befragten Spargelanbauer in der Region, beispielsweise der Hof Denissen in Wöbbelin im Landkreis Ludwigslust-Parchim, der Hof Sabö in Nantrow bei Wismar oder auch der Kartoffel- und Spargelhof Demmin.

Preiskampf mit dem Einzelhändel

Am Markt entsteht ein enormer Preisdruck. Der Einzelhandel setzt verstärkt auf Billigimporte aus dem Ausland und drückt den Preis von Anfang an nach unten. Anbauer aus Mecklenburg-Vorpommern bieten ihren Spargel im Schnitt um einen Euro günstiger an als im Vorjahr. Trotzdem liegt in den Supermärkten vor allem Spargel aus Spanien, Griechenland oder Peru. Viele regionale Unternehmen bleiben auf ihrer Ware sitzen, weil der Einzelhandel den Landwirten weniger Spargel abnimmt als in den Jahren zuvor. Betroffen ist auch Caspar von Hertell. „Importierter Spargel wird unter ganz anderen Standards produziert. In den Ländern herrscht ein völlig anderes Lohngefüge. Da können wir deutschen Landwirte gar nicht mithalten.“

Anbauer reduzieren Menge

Frischer Spargel ist eine verderbliche Ware und muss innerhalb weniger Tage verkauft werden. Damit die Landwirte nicht ernten, um zu vernichten, reduzieren sie die Menge. Schwarze Folie wird von den Dämmen genommen, damit der Spargel weniger Wärme bekommt und langsamer wächst. Fast überall im Land werden Flächen nur teilweise abgeerntet oder komplett aus dem Ertrag genommen. Die Spargelpflanzen dürfen aus dem Boden herauswachsen, Kraut bilden und Kraft sammeln für das nächste Jahr. Spargel ist eine Dauerkultur, die Felder können bis zu zwölf Jahre lang genutzt werden. Der Bauernhof Reichelt bei Plau am See reagiert auf die aktuelle Entwicklung landesweit am stärksten. Der Familienbetrieb trennt sich mitten in der Ernte von einem Großteil seiner Spargelfläche und reduziert diese von sechs auf zwei Hektar. Auf den Feldern wächst künftig Futter für die eigenen Nutztiere.

Landwirte setzen auf neue Partner

Andere Landwirte suchen sich während der Saison neue Vertriebswege, so auch der Kartoffel- und Spargelhof Demmin. Er spricht beispielsweise verstärkt Restaurants in der Umgebung an, ob sie Ware abnehmen möchten. Das habe gut funktioniert, heißt es. Auch von Hertell geht diesen Weg. In den vergangenen zwei Jahren mussten Restaurants coronabedingt immer wieder schließen. Diese Saison lief positiv spürbar wieder unter normalen Bedingungen. „Der Tourismus war wieder da. Wir haben sehr viel Spargel nach Rostock-Warnemünde verkauft und sehr gutes Feedback bekommen. Die Gastronomie war bereit, für ein regionales frisches Produkt mehr zu zahlen.“

Saisonarbeitskräfte reisen ab

Dennoch gibt es in diesem Jahr große Absatzschwierigkeiten. Die Spargelanbauer im Land mussten teilweise Saisonarbeitskräfte aus Rumänien, Bulgarien oder Polen auch vorzeitig wieder nach Hause schicken. Sebastian Böckmann vom Hof Sabö in Nantrow bei Wismar ist dieser Schritt besonders schwergefallen. „Das ist ein großes Drama. Die Erntehelfer kommen zu uns nach Deutschland und verlassen sich darauf, hier ihr Geld zu verdienen, von dem sie zuhause das ganze Jahr leben.“

Erzeuger zwischen Hoffen und Bangen

In Mecklenburg-Vorpommern bauen laut Statistik etwa 15 Betriebe auf insgesamt rund 200 Hektar Spargel an. Caspar von Hertell hofft, dass sich die Situation am Markt wieder beruhigt und dass billige Importware nicht zum Standard wird. „Ich würde es nicht richtig finden, wenn wir abhängig wären vom Ausland, wenn es um unsere Ernährung geht.“ Er und viele andere Landwirte appellieren an die Verbraucher, wieder verstärkt auf regionale Produkte zu setzen und dass sie auch bereit sind, dafür zu zahlen. Denn nur so könne die heimische Landwirtschaft gestärkt und die Existenz zahlreicher Arbeitsplätze gesichert werden. Mit Sorge blicken sie auf den Oktober dieses Jahres. Dann wird der Mindestlohn auf zwölf Euro angehoben. Die Spargelanbauer in Mecklenburg-Vorpommern sind sich einig, dass das ins gesamte Lohngefüge der Betriebe eingreifen und sich in Zukunft auch auf den Spargelpreis auswirken wird.