„Das ist das Ende“: Lauterbach sagt voraus, wann und wie Pandemie vorbei geht

„Das ist das Ende“: Lauterbach sagt voraus, wann und wie Pandemie vorbei geht

19. Juli 2022 Aus Von ...Linda Gerke
Die Infektionszahlen steigen und ebenso die Angst vor einer noch größeren Welle im Herbst. Auch Karl Lauterbach warnt gebetsmühlenartig davor. Doch der Gesundheitsminister sieht Licht am Ende des Tunnels. Auf Twitter erklärt er, was längerfristig der Pandemie ein Ende bereiten könnte.

Das Ende der Pandemie – es gibt wohl niemanden, der sich das nicht wünscht. Doch irgendwie scheint dies durch die neu aufkommenden und noch ansteckenderen Varianten immer unwahrscheinlicher. Denn ausgerechnet jetzt beschert uns die Omikron-Sublinie BA.5 eine Sommerwelle mit über 90.000 Neuinfektionen pro Tag im 7-Tage-Mittel. Das gefährliche daran: Obwohl die Variante nicht unbedingt für einen schwereren Verlauf sorgt, steigt die Anzahl der Intensivpatienten wieder an.

Lauterbach: Langfristig werden Impfstoffe kommen, die gegen viele Variante schützen“

Keine guten Voraussetzungen also für den Herbst, wenn sich das Leben wieder in Innenräume verlagert und möglicherweise noch ansteckendere Varianten das Infektionsgeschehen weiter befeuern. Doch nun sorgt ausgerechnet Gesundheitsminister Karl Lauterbach für Hoffnung. Bei Twitter schrieb er: „Viele fragen sich: endet Corona denn nie? Wann kommt Endemie? Nicht in diesem Herbst, da geht es nicht ohne wirksame Schutzmaßnahmen. Aber langfristig werden Impfstoffe kommen, die gegen viele Varianten und Infektionen schützen. Ich gehe davon aus: das ist das Ende.“

Damit weist Lauterbach auf eine Liste von Impfstoffen hin, die der Wissenschaftler Eric Topol ebenfalls bei Twitter veröffentlicht hat. Sie stammt aus einem Artikel bei „The Scientist“. Darin geht es um Nasenimpfstoffe, von denen sich gerade Dutzende in der Entwicklung befinden. „So wenig Kandidaten und so wenig Aufmerksamkeit“, schrieb Topol dazu.

Nasenimpfstoffe bieten Riesenchance für Pandemie-Ende

Tatsächlich sehen viele Wissenschaftler ähnlich wie Lauterbach in der Entwicklung von Nasenimpfstoffen eine Riesenchance auf ein Ende der Pandemie. Denn Nasenimpfstoffe könnten das bewerkstelligen, was die bisher verfügbaren Impfstoffe nicht vermochten: eine Infektion gänzlich zu verhindern.

Obwohl die bei uns bisher zugelassenen Impfstoffe weitgehend vor einem schweren Verlauf schützen, verhindern sie keine Ansteckung und auch keine Erkrankung. Auch eine Weitergabe des Virus an andere können sie nicht verhindern. Sie bieten also keine sterile Immunität. Deshalb fegt über viele Länder wie Deutschland auch gerade eine hohe Infektionswelle hinweg – trotz Impfquoten, die bei uns immerhin bei 76 Prozent Grundimmunisierten und 61 Prozent Geboosterten liegt.

Schleimhautimmunität kann Eindringen des Corona-Virus verhindern

Doch Nasenimpfstoffe setzen genau da an, wo der Erreger in den Körper eintritt: nämlich durch die Nase. Da die verfügbaren Impfstoffe intramuskulär verabreicht werden, erzeugen sie zwar eine systemische Immunität, die aber nicht verhindern kann, dass der Erreger über die Atemwege eintritt. Die Nasenimpfstoffe, die in erster Linie wie ein Nasenspray verabreicht werden, erzeugen dagegen genau dort eine sogenannte Schleimhautimmunität. Viele Wissenschaftler sehen darin die beste Möglichkeit Infektionen weitestgehend zu verhindern und somit auch eine Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung zu stoppen.

Spannend, aber gerade keine Zeit?

„Im Idealfall würde man die Übertragung des Virus bei geimpften Menschen natürlich vollständig blockieren, und ich denke, der Konsens ist derzeit, dass intramuskuläre Impfstoffe es wirklich, wirklich schwer haben werden, diesen Meilenstein zu erreichen“, sagt etwa der Virologe Neeltje van Doremalen vom National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID) in den USA bei „The Scientist“.

Neeltje selbst hat bereits an der präklinischen Studie einer nasalen Version eines Impfstoffs von Astrazeneca und der University Oxford mitgearbeitet, der sich jetzt in klinischen Studien befindet. Allerdings betont Neeltje auch „… ich sage nicht, dass wir glauben, dass intranasale Impfstoffe dies problemlos tun werden, aber ich denke, dass dies eine Verbesserung sein wird“, so der Wissenschaftler weiter.

Nasenimpfstoffe sehr schwierig zu entwickeln

Auch wenn es bereits Grippeimfpstoffe gibt, die über die Nase verabreicht werden, ist die Entwicklung eines Nasenimpfstoffes keine einfache Sache. Im Vergleich zu intramuskulären Injektionen „haben wir mit intranasalen Impfstoffen eigentlich noch nicht so viel Erfahrung beim Menschen“, sagt etwa Florian Krammer, Professor für Impfstoffentwicklung an der Uni Icahn School of Medicine Mount Sinai in New York bei „The Scientist“.

Die Entwicklung sei viel komplizierter als die eines regelmäßig injizierten Impfstoffes, so Krammer weiter, der selbst einige Unternehmen bei der Entwicklung berät. Darüber hinaus sei die Schleimhautimmunität bei Studien schwer nachzuweisen, da es keine standardisierten Tests dafür gebe. So reiche die Messung des Antikörpergehalt im Blut nicht aus, da sie nichts über die Schleimhautimmunität aussage. „Es könnte sein, dass vielleicht die Titer niedriger sind, obwohl der Impfstoff besser wirken würde“, sagte Krammer weiter im Bezug auf Nasenimpfstoffe.

Neurologische Nebenwirkungen: Gefahren durch Nähe zum Gehirn

Neben der enorm schwierigen Entwicklung dieser Impfstoffe sehen Kritiker auch Gefahren durch nasal verabreichte Impfstoffe. So könnte es durch die Nähe zum Gehirn beispielsweise auch zu neurologischen Nebenwirkungen kommen. Genau das trat bei einem Grippe-Impfstoff auf, der im Jahr 2000 in der Schweiz eingeführt wurde. Wegen einem gehäuften Auftreten von Gesichtslähmungen musste dieser ein Jahr später vom Markt genommen werden.

Berliner Charité forscht ebenfalls an Nasenimpfstoff gegen Corona

Dennoch ist die Hoffnung, dass nasale Impfstoffe uns im Kampf gegen Corona voranbringen, groß. Auch in Deutschland wird daran geforscht. So ist es einem Team aus Wissenschaftlern der Berliner Charité und anderer Berliner Forschungseinrichtungen bei Tierversuchen bereits gelungen, erste Erfolge zu verbuchen: In einer im Mai veröffentlichten nicht begutachteten Preprint-Studie berichteten die Forscher von den Vorteilen gegenüber schon verfügbaren Impfstoffen – insbesondere beim Einsatz als Booster.

Bei dem an Hamstern getesteten Präparat handelt es sich um einen sogenannten attenuierten Lebendimpfstoff, der ein stark abgeschwächtes Virus nutzt. Die Experten veränderten das Viruserbgut zum Beispiel so, dass sich der Erreger kaum noch vermehren kann. Als Vergleich nutzten sie für die Studie unter anderem den Biontech/Pfizer-Impfstoff, der auf der mRNA-Technologie basiert. „Die 2x mit Lebendimpfstoff geimpften Tiere zeigten fast keine Anzeichen von Krankheit, und sehr geringe Entzündungswerte“, schrieb Wyler.

Insgesamt habe der Impfstoffkandidat eine sehr gute Wirkung gezeigt. „Bis zur Anwendung im Menschen ist es aber noch ein weiter Weg“, kommentierte der beteiligte Wissenschaftler Emanuel Wyler vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin in Berlin im Mai auf Twitter. Klinische Studien zur Wirkung im Menschen seien in Vorbereitung.

Natürliche Infektionen können ebenfalls Schleimhautimmunität erzeugen

Auch Christian Drosten hatte eine Impfung in die Nase schon Anfang des Jahres als „nächsten Meilenstein“ im Kampf gegen Corona bezeichnet. Gerade den Erwerb einer Schleimhautimmunität hält der Virologe dabei für bedeutend. Im NDR-Podcast im März hatte Drosten beschrieben, dass wiederholte Infektionen ebenfalls dabei helfen können, dass sich bereits auf der Schleimhaut eine Barriere gegen den Erreger bilde – auch wenn es dazu mehrere Infektionen bräuchte.

„Der Erwerb von natürlichen Infektionen, vor allem in der geimpften jüngeren Bevölkerung über die Zeit, ist der Schlüssel zur Beendigung der Pandemie“, sagte er diesbezüglich. Allerdings dürfe dies nur auf der Basis einer vollständigen Impfung und graduell geschehen. Gerade Risikogruppen müssten aber genau vor diesem Prozess geschützt werden. Hier wiederum könnten Nasenimpfstoffe endlich einen Infektionsschutz bieten, wie es die bisher verfügbaren Impstoffe leider nicht tun.