Mehr Gas aus Russland: CDU im Osten fordert Umsteuern von Habeck
20. Juli 2022Was tun gegen die Energiekrise? Die CDU-Wirtschaftsexperten in den fünf ostdeutschen Landtagen fordern von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen) ein Umsteuern. In einem „Offenen Brief“ rücken jetzt von den Sanktionen gegen Russland ab. Sie sprechen sich für Gas- und Öllieferungen aus Russland aus und verlangen ein Ende der „ideologisch geprägten Energiepolitik“.
Die CDU-Politiker – darunter der Ex-Fraktionschef im Schweriner Landtag, Wolfgang Waldmüller – warnen vor den Folgen der Sanktionen gegen Russland. Die Maßnahmen würden die ostdeutsche Wirtschaft in eine „mehrjährige Rezession“ führen. Die Landespolitiker fürchten auch angesichts der hohen Energiepreise „massive soziale Verwerfungen“. In dem Brief, den der brandenburgische Landtagsabgeordnete Frank Brommert initiiert hat, heißt es: „Es ist alles dafür zu tun, dass die Gas-Pipeline North Stream 1 schnellstmöglich wieder in voller Leistungsbereitschaft ist und die bereits seit Jahren genutzten Pipelines zwischen Russland und Europa genutzt werden, die Versorgung mit Gas abzusichern.“
„Weiter so“ bei Braunkohle, Gas und Atomstrom?
Das konterkariert die Versuche der EU und des Bundes, weitgehend unabhängig von russischer Energie zu werden – den Kurs hat die Union auf Bundesebene bisher unterstützt. Was genau getan werden muss für den Weiterbezug von russischem Gas, das lassen die Verfasser offen. Sie sprechen sich in ihrem Brief dafür aus, Braunkohle unbegrenzt mindestens bis 2038 abzubauen, in Niedersachsen soll Gas per Fracking-Methode gewonnen werden und die Atomkraft-Werke sollen am Netz bleiben.
Waldmüller: Habeck müsse „Schaden vom deutschen Volk abwenden“
Mitunterzeichner Waldmüller sagte dem NDR, er habe den Eindruck, dass Habeck „viel und gut erklärt“, aber es würden keine Maßnahmen erfolgen. In dem offenen Brief verweisen die CDU-Politiker auf den Amtseid, Habeck müsse „Schaden vom deutschen Volk abwenden“. Die AfD-Fraktion im Landtag klatscht Beifall. Endlich schwenke die CDU auf einen realistischen Kurs ein, sagte ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Martin Schmidt dem NDR. „Der CDU schwimmen offensichtlich die Felle davon“, meinte er. Ähnlich Vorschläge wie die der Briefeschreiber kommen seit Wochen auch aus den Reihen der AfD.
Unions-Spitze in MV reagiert zurückhaltend
Waldmüller wies jeden Vergleich mit der AfD zurück. „Das ist zu banal“, sagte er. Die Verfasser des offenen Briefes würden der Union auf Bundesebene auch nicht in den Rücken fallen, meinte er. CDU-Fraktionschef Franz-Robert Liskow äußerte sich zurückhaltend. Er habe im Vorfeld von dem Brief gewusst. Es sei „gesellschaftlicher Konsens“, dass die Energieabhängigkeit zu Russland enden solle. Bisher habe die Bundesregierung keine überzeugenden Konzepte vorlegt, wie sie das bewerkstelligen wolle. Dass die Briefschreiber darauf hinweisen wollten, „ist inhaltlich ganz sicher nicht falsch“, so Liskow.
Grüne: Brief „polemische Scheindebatte“ der Union
Vollkommen falsch finden die Grünen dagegen den Vorstoß. Anne Shepley, die Vize-Fraktionschefin im Landtag, meinte, der Brief „strotzt nur so vor Geschichtsvergessenheit der Union“. CSU/CSU hätten Deutschland in den vergangenen Jahren in die Abhängigkeit von Energie aus Russland geführt. Die Unionspolitiker würden nur eine polemische Scheindebatte anzetteln, die die Menschen weiter verunsichern würden. Lösungen würden nicht geliefert. Russisches Gas, Braunkohle oder längere Laufzeiten für Atomkraft würde die Energiewende nicht voranbringen. Die Union habe diese Energiewende in den vergangenen Jahren blockiert. „Jetzt zu sagen, Herr Habeck muss alles richten, ist absurd.“
SPD: „Keine Aufforderung zum Handeln nötig“
Kritik kommt auch von der SPD-Fraktion. Ihr Energie-Experte Philipp da Cunha meinte, Land und Bund hätten keine Aufforderung zum Handeln in Sachen Energiesicherheit nötig. „Auf allen Ebenen wird sowohl an kurzfristigen aber auch an langfristigen Maßnahmen für die Wirtschaft, aber auch für die Bürgerinnen und Bürger gearbeitet“, erklärte der Sozialdemokrat. Er erinnerte an den Aufbau von LNG-Terminals in der Ostsee vor Lubmin.
Vorpommern-Rügens Landrat Kerth für Weiterbetrieb von AKWs
Allerdings gibt es auch in der Landes-SPD Kritik am energiepolitischen Kurs im Bund: Der Landrat des Kreises Vorpommern-Rügen, Stefan Kerth (SPD), verlangt vom Bund „sich schnellstmöglich konsequent für den Weiterbetrieb der vorhandenen Kernkraftwerke einzusetzen“. Schon aus Sicherheitsgründen sollte mit den Vorkehrungen „lieber früher als in letzter Sekunde begonnen werden“. Beifall bekam er für sein Atomkraft-Plädoyer ausgerechnt von der CDU: Wolfgang Waldmüller schrieb auf seiner Facebook-Seite: „Ehrlichen Respekt, hätte ich von einem Genossen nicht erwartet!“