Warum der Ringtausch nicht funktioniert
20. Juli 2022Mit sogenannten Ringtausch-Verfahren soll die Ukraine mit Waffen unterstützt werden. Doch bisher wurde kein einziger Tausch vollzogen. Eine Vereinbarung mit Polen könnte sogar endgültig scheitern. Wie kann das sein?
Worum geht es beim sogenannten Waffen-Ringtausch?
Der Bundesregierung wird von Kritikern vorgeworfen, dass sie die Ukraine nicht ausreichend mit Waffen unterstützt. Mit einem Ringtausch-Verfahren wollte Deutschland verstärkt und indirekt schwere Waffen in das Land liefern. Am Ringtausch, wie ihn die Bundesregierung umsetzen will, sind jeweils drei Partner beteiligt: Deutschland als Geberland, ein „Tauschpartner“ und die Ukraine als Empfängerland. Die Ukraine wird mit schweren Waffen aus russischer oder ehemals sowjetischer Produktion beliefert wird. Zum Beispiel mit Panzern, die aus süd- und osteuropäischen NATO-Staaten kommen. Konkret ist die Bundesregierung mit Polen, Tschechien, der Slowakei, Slowenien und Griechenland in Verhandlungen. Deren Bestände sollen mit deutschem Gerät wieder aufgefüllt werden.
Das Argument der Ampel-Koalition lautete schon sehr früh, die Ukrainer könnten mit Panzern sowjetischer Bauart am besten umgehen, sie müssten nicht mühsam ausgebildet werden und sie hätten die Ersatzteile dafür. Gleichzeitig ist auch klar, dass die Bundesregierung und insbesondere der Kanzler es um jeden Preis vermeiden wollen, dass deutsche Kampf- oder Schützenpanzer in der Ukraine zum Einsatz kommen, also „Marder“ oder „Leopard“.
Gründe dafür gibt es viele – welche ausschlaggebend sind, darüber lässt sich nur spekulieren: Dass deutsche Panzer nie wieder auf russische schießen sollten, war eine der Lehren aus der Nazi-Vergangenheit und dem Zweiten Weltkrieg gewesen. Außerdem fürchtet man wohl doch, dass Putin direkte Panzerlieferungen als Überschreiten (oder vielmehr: Überrollen) einer roten Linie betrachten würde und dies zu einer gefährlichen Eskalation führen könnte.
Offiziell wird gern auf eine – mündliche – Vereinbarung unter NATO-Partnern verwiesen, der zufolge bislang niemand solches westliches Kriegsgerät geliefert hat. Deshalb wäre es auch für Deutschland äußerst unangenehm, wenn Spanien genau darauf dringt und wirklich Leopard-Panzer in die Ukraine schicken will. Ob das passiert, ist noch nicht sicher.
Kein einziges. Vor knapp drei Monaten hat der Deutsche Bundestag mit breiter Mehrheit beschlossen, dass die Bundesregierung die Ukraine auch mit schweren Waffen unterstützen soll. Auf der aktuellen Waffenlisten der Bundesregierung im Internet stehen bislang aber lediglich sieben gelieferte Panzerhaubitzen aus Bundeswehrbeständen. Zudem soll die deutsche Rüstungsindustrie bis Ende Juli mit der Lieferung von Flugabwehrpanzern vom Typ „Gepard“ beginnen.
Der Schwerpunkt der Waffenlieferungen liegt aber auf dem Ringtausch-Verfahren. Länder wie Polen oder Tschechien haben auch bereits T-72-Kampfpanzer oder BMP1-Schützenpanzer an die Ukraine geliefert. Die Bundesregierung hat danach angekündigt, dem NATO-Partner Tschechien 15 Leopard-2-Panzer aus Industriebeständen als Ausgleich zur Verfügung zu stellen. Doch vollzogen ist der Ringtausch noch nicht, genauso wenig wie mit Polen, der Slowakei, Griechenland und Slowenien.
Die kurze Antwort lautet: Weil die Ringtausch-Länder mit dem deutschen Angebot meist nicht zufrieden sind. Das zeigt sich am Beispiel Slowenien. Es ist das erste Land, mit dem man im April zu verhandeln begann. Dafür, dass Slowenien Kampf- und Schützenpanzer (T72 bzw BMP1) an die Ukraine liefert, hatte Berlin den Schützenpanzer „Marder“ und den Transportpanzer „Fuchs“ angeboten – beides Auslaufmodelle in der Bundeswehr und rund 50 Jahre alt.
Slowenien schwebte stattdessen der neue Schützenpanzer „Puma“ und der Kampfpanzer „Leopard“ vor – also moderneres Gerät. Ein ähnliches „Ringen um den Ringtausch“ gibt es mit den anderen Partnerstaaten. Das ist der Grund, warum die Ringe bislang unvollendete Halbkreise sind.
Nebenbei noch eine andere Merkwürdigkeit: Den Transportpanzer „Fuchs“ verweigerte die Bundeswehr der Ukraine mit dem Argument, die Einsatzbereitschaft der Truppe würde gefährdet – an Slowenien ist sie aber bereit, diese abzugeben.
Polnischen Quellen zufolge hat das Land schon in den ersten zwei Monaten des russischen Angriffskriegs bis zu 240 T-72-Panzer und mehrere Dutzend gepanzerte Fahrzeuge an die Ukraine geliefert. Das Nachbarland gilt als ein Hauptwaffenlieferant und Unterstützer der Ukraine.
Bereits im Mai gab es Kritik des polnischen Präsidenten Andrzej Duda an der Bundesregierung, dass sie zeitnah keinen militärischen Ersatz für die Panzer liefere. Damals stand im Raum, dass Polen deutsche Leopard-Panzer des neuesten Typs haben möchte. Und schon damals galten die Gespräche als festgefahren.
Mittlerweile drohen sie nach Informationen des ARD-Hauptstadtstudios endgültig zu scheitern. In einem Fernsehinterview sagte der polnische Vize-Außenminister in dieser Woche, es gebe aus Deutschland kein „reales Angebot, das man in Erwägung ziehen könnte.“ Nach Angaben des CDU-Außenpolitikers Roderich Kiesewetter hat die Bundesregierung Polen zuletzt 20 runderneuerte Leopard 2-Panzer angeboten. Ab April 2023 soll ein Panzer monatlich und ab Oktober sollen dann drei Panzer monatlich geliefert werden. Aus Sicht Polens offenbar zu wenig. Offiziell abgebrochen sind die Verhandlungen aber noch nicht.
Mittlerweile wurde bekannt, dass Polen aus den USA die ersten von insgesamt 366 Kampfpanzer des Typs Abrams erhalten hat.
Den Satz „Gut Ring will Weile haben“ unterschreiben Kritiker nicht: Es leide das Ansehen und die Glaubwürdigkeit Deutschlands bei den Bündnispartnern, insbesondere in Osteuropa, wenn sich die Dinge so in die Länge zögen, warnt unter anderem die Union. Außerdem verstehen viele Oppositionspolitiker, aber auch manche in der Ampel nicht, warum Deutschland die Ukraine nicht stärker direkt mit modernem Gerät aus eigenen Beständen beliefert, statt mit betagtem Sowjet-Material: Wenn dort gerade unsere Freiheit verteidigt werde und Russland diesen Krieg nicht gewinnen dürfe, müsse man der Ukraine doch jede erdenkliche militärische Unterstützung zukommen lassen, lautet das Argument.
Doch dass die Bundeswehr-Bestände nun erschöpft seien, darauf weist Verteidigungsministerin Christine Lambrecht immer wieder hin. Doch dass sich auch innerhalb der Koalitionsregierung so manche mehr Tempo bei Waffenlieferungen wünschen, machte der jüngste Brief der Verteidigungsausschuss-Vorsitzenden Marie-Agnes Strack-Zimmermann an Olaf Scholz deutlich. Mit dem sie sich vom Kanzler allerdings eine sehr deutliche Abfuhr einholte.