Ruhetag im Restaurant – wenn Fachkräfte im Tourismus fehlen

Ruhetag im Restaurant – wenn Fachkräfte im Tourismus fehlen

23. Juli 2022 Aus Von MVP-WEB Team
Stand: 14.07.2022 17:53 Uhr

Annehmlichkeiten, die es noch vor einigen Jahren gab, sind eingeschränkt oder komplett verschwunden: Seit der Corona-Pandemie müssen Urlaubsgäste auf der Insel Usedom Abstriche bei Dienstleistungen hinnehmen. So stehen zum Beispiel Urlauber, die jedes Jahr auf die Insel kommen, des Öfteren vor verschlossener Tür ihres Lieblingsrestaurants.

von Matthes Klemme

Urlaubsgäste auf Usedom haben es schon längst bemerkt: Restaurants haben nicht mehr sieben Tage die Woche geöffnet, sondern sind sonntags oder montags dicht. Nach vielen Jahren gibt es ihn also wieder – den Ruhetag. Auch Geschäfte schließen früher und selbst in der Kultur, so sagen einige Urlauber, gibt es weniger Angebote. Nicht nur Usedom bekommt den Fachkräftemangel in der Hotel- und Gaststättenbranche zu spüren. Auch auf Rügen und im Küstenvorland sucht die Branche händeringend nach Mitarbeitenden. Zum Beispiel sind Köche schwer zu finden, obwohl die Branche gut bezahlt. Somit bleibt in der einen oder anderen Gastwirtschaft öfter mal die Küche kalt.

Ruhetage und weniger Auswahl in der Gastro

Das Restaurant durchgehend zu öffnen, leistet sich kaum noch ein Betreiber, erzählt der Chef des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (DeHoGa) von Usedom, Krister Hennige. Die einen bieten nur einen Mittagstisch an, die anderen öffnen dagegen erst am Abend. Zudem hätten die Gaststätten das Angebot auf ihren Speisekarten verkleinert. Die Auswahl zwischen 20 Gerichten war einmal. Heute hat der Gast Glück, wenn er aus zehn Gerichten auswählen kann. Hinzu kommt die allgemeine Teuerung. Bei vielen Gästen sitzt im Urlaub das Geld nicht mehr so locker wie noch vor einigen Jahren. Der tägliche Besuch im Restaurant für 80 Euro weicht dann schnell mal der preiswerten Einkehr an der Fischerhütte in der Nähe der Promenade.

Knapp ein Drittel der Branchenmitarbeiter ist abgewandert

Der Mangel an Fachkräften schlägt in der Branche zu. Zum einen habe Corona dies beschleunigt, erklärt Hennige, so dass seit 2020 zwischen 25 bis 30 Prozent der Mitarbeitenden der Hotel- und Tourismusbranche auf Usedom in andere, krisensichere Branchen abgewandert sind. Zum anderen wirkt sich der demographische Wandel aus. Die Jahrgänge 1960 bis 1970 gehen in den kommenden Jahren in Ruhestand. Danach kennt der Pfeil in der Geburtenstatistik nur noch den Weg nach unten.

Drei Viertel der Ausbildungsplätze unbesetzt

Die jüngere Generation kann sich inzwischen den Wunschberuf aussuchen. Vor allem legt sie mehr Wert auf eine gute Work-Live-Balance als die Elterngeneration. Arbeiten am Wochenende und in der Hauptsaison, Zehnstunden-Schichten schieben – das ist für viele junge Menschen kein Lebensziel. Und so macht sich auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar, dass die geburtenschwachen Jahrgänge die Schule verlassen haben und nach Lehrstellen suchen. 400 Ausbildungsplätze waren im vergangenen Jahr in der Speisezubereitung, der Hotellerie und der Gastronomie über die Arbeitsagentur Greifswald im Angebot. Gerade mal etwas mehr als 60 Schulabgänger haben sich auf eine dieser Lehrstellen beworben.

Fachkräftemangel: Werben im Ausland

Der demographische Wandel ist schon länger Thema auf Usedom. Bereits seit vielen Jahren sucht die Tourismusbranche der Insel Arbeitskräfte im Ausland. Aus dem nahen Swinemünde, der polnischen Stadt auf Usedom, pendeln etwa drei- bis viertausend Menschen täglich in eines der Seebäder auf dem deutschen Teil der Insel. Doch auch die polnische Tourismuswirtschaft sucht inzwischen Fachkräfte.

Deshalb schaut sich die Usedomer Tourismusbranche auch außerhalb der EU um. Usedoms DeHoGa-Chef, Hennige, erzählt von Angeboten des Bundes und der Arbeitsagentur. So gebe es Köche aus Brasilien oder Mexiko, aber auch Mitarbeiter aus Mazedonien, der Ukraine und aus Asien, wie etwa aus Vietnam. Damit überhaupt Auszubildende und Fachkräfte, die nicht aus dem Schengenraum stammen, angeworben werden können, braucht die Branche Unterstützung vom Land. Die ersten Vietnamesen hätten inzwischen ausgelernt. Einige von ihnen, die nicht wieder in die Heimat zurückgekehrt sind, haben mittlerweile feste Arbeitsverträge in der Tasche.

Tourismusbranche: „Zuwanderung muss einfacher werden“

In den kommenden Jahren wird die Herausforderung gutes Personal zu finden noch größer, so die einhellige Meinung der Tourismusbranche. Auch andere Wirtschaftszweige haben erheblich wegen fehlender Fachkräfte zu kämpfen. Diese Aufgabe lösen, das können die Hoteliers und Betreiber nicht allein. Sie sind der Meinung, die Spitzenpolitik in Berlin müsse mit den Fachverbänden Konzepte erarbeiten. Ansonsten könnten eines Tages Dienstleistungen komplett auf der Strecke bleiben, nicht nur auf Deutschlands Sonneninseln.