Krieg Tag 167 – Mi 09.08.2022 ++ UN erwarten steigende Getreideausfuhren ++
10. August 2022++ UN erwarten steigende Getreideausfuhren ++
++ Enerhoatom droht, Stromleitung zu kappen ++
++ Russische Journalistin erneut festgenommen ++
++ Mehrere Tote und Verletzte in Dnipropetrowsk ++
15:28 Uhr
Journalistin Owsjannikowa erneut festgenommen
Die durch ihren Live-Protest im Fernsehen bekannt gewordene Fernsehjournalistin Marina Owsjannikowa ist in Russland erneut festgenommen worden. Gegen Owsjannikowa seien Ermittlungen wegen der „Verbreitung von Falschinformationen“ über die russische Armee eingeleitet worden, sagte ihr Anwalt Dmitri Sachwatow der Nachrichtenagentur AFP.
Zuvor hatte er angegeben, Owsjannikowa gerate verstärkt ins Visier der Behörden – das Haus seiner Mandantin sei durchsucht und strafrechtliche Ermittlungen seien eingeleitet worden, schrieb er auf Telegram.
Seit Ende Juli wurde Owsjannikowa bereits zweimal wegen „Diskreditierung“ der Armee zu Geldstrafen verurteilt. Die Urteile bezogen sich insbesondere auf Veröffentlichungen im Internet, in denen die Journalistin die Militäroffensive in der Ukraine kritisierte.
14:39 Uhr
USA bekräftigen Unterstützung für das Baltikum
US-Verteidigungsminister Lloyd Austin hat bei einem Besuch in Lettland neue Militärmanöver mit den baltischen Staaten angekündigt. Auch das militärische Ausbildungsprogramm im Baltikum solle verstärkt werden, sagte Austin in Riga. Bei Bedarf könnten die USA zusätzliche Truppen stationieren, um die Region vor einer möglichen Bedrohung durch Russland zu schützen. Neben einer Verlegung von bereits in Europa stationierten Truppen, könnten auch weitere Soldaten aus den USA eingeflogen werden. Austin ist der erste US-Verteidigungsminister seit mehr als 25 Jahren, der Lettland besucht.
14:18 Uhr
Lokaler Notstand nach Explosionen auf der Krim verhängt
Nach den Explosionen auf dem Militärstützpunkt Saki auf der von Russland annektierten Halbinsel Krim haben die Behörden den Notstand in dem Landkreis ausgerufen. Der Verwaltungschef der Krim, Sergej Aksjonow, sagte der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge, dass mindestens 252 Bewohner des benachbarten Kurorts Nowofjodorowka in Notunterkünfte umgesiedelt werden.
Die Gasversorgung zweier Ortschaften wurde demnach vorübergehend abgestellt. Bei den Explosionen am Dienstag ist nach offiziellen Angaben mindestens ein Mensch ums Leben gekommen, 14 Menschen wurden demnach verletzt. Aksjonow versprach den Besitzern der beschädigten Wohnhäuser Schadenersatz zwischen 10.000 und 100.000 Rubel (umgerechnet 166 bis 1660 Euro). Laut Aksjonow laufen strafrechtliche Ermittlungen zu den Explosionen.
Das russische Verteidigungsministerium nennt bisher einen Verstoß gegen die Brandschutzregeln als wahrscheinlichste Ursache des Vorfalls. Experten vermuten, dass diese Version aus Imagegründen präsentiert wird. Moskau wolle seine Verletzlichkeit durch ukrainische Waffensysteme nicht eingestehen, hieß es. Zahl und Wucht der Explosionen legten dagegen einen gezielten Angriff der Ukraine nahe.
Zur Lage in der Ukraine
ARD-Korrespondent Paul Pietraß in Kiew mit einer Einschätzung der aktuellen Lage am AKW Saporischschja und zur Explosion auf dem russischen Militärstützpunkt auf der besetzten Krim.
G7: Russland soll sich vom AKW Saporischschja zurückziehen
Die G7-Gruppe sieben wichtiger Industrieländer hat Russland nachdrücklich aufgerufen, seine Armee vom Gelände des ukrainischen Atomkraftwerkes Saporischschja zurückzuziehen. „Es ist Russlands fortdauernde Herrschaft über das Kernkraftwerk, die die Region gefährdet“, erklärten die Außenminister der G7-Staaten, darunter auch Deutschland, sowie der EU-Vertreter für Außenpolitik in einer gemeinsamen Erklärung.
Die Gruppe äußerte sich „zutiefst besorgt angesichts der ernsten Bedrohung“ durch das russische Vorgehen in Hinsicht auf ukrainische Atomanlagen und warnte vor dem „Risiko eines nuklearen Unfalls oder Zwischenfalls“ über die Grenzen der Ukraine hinaus.
Nach Saporischschja sollten Experten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA geschickt werden, „um Bedenken in Bezug auf nukleare Sicherheit und Sicherung sowie diesbezügliche Maßnahmen zu klären, wobei die Souveränität der Ukraine über ihr Hoheitsgebiet und ihre Infrastruktur vollumfänglich zu achten ist“, hieß es weiter.
Russland erhob unterdessen Vorwürfe gegen die UN. „Die UN haben in dem vorliegenden Fall leider eine negative Rolle gespielt“, sagte die Sprecherin des Außenministeriums Maria Sacharowa dem staatlichen russischen Radiosender Sputnik. Die UN hätten ihr zufolge eine geplante Inspektionsreise der IAEA in letzter Sekunde wegen Sicherheitsbedenken gestoppt. Bei den UN solle man begreifen, „dass die Welt am Abgrund wandelt“, erklärte Sacharowa.
12:29 Uhr
Slowakei meldet Kompromiss um gestoppte Öl-Lieferungen
Über die Pipeline Druschba (Freundschaft) in der Ukraine könnte offenbar bald wieder russisches Öl nach Ungarn, Tschechien und in die Slowakei fließen. Der Sprecher der slowakischen Raffinerie Slovnaft, Anton Molnar, teilte der Nachrichtenagentur dpa mit, sowohl die Ukraine als auch Russland hätten einem Kompromissvorschlag zugestimmt, um den seit einigen Tagen unterbrochenen Betrieb wieder aufzunehmen.
Demnach würden die Transitgebühren an die Ukraine vorerst von Unternehmen aus der EU getragen werden. Eine erste Zahlung sei bereits überwiesen worden, sagte Molnar.
Der russische Pipeline-Monopolist Transneft hatte die Ukraine für den Lieferstopp verantwortlich gemacht. Demnach habe die Ukraine das Weiterpumpen des Öls gestoppt, weil die Transitgebühren nicht gezahlt worden seien. Diese werden normalerweise von Transneft überwiesen, was wegen der Sanktionen gegen Russland aber nicht funktioniert habe.
Die Slowakei hatte bestätigt, dass über die Druschba-Leitung kein Öl mehr ankomme. Die Nordroute der Pipeline, über die auch Deutschland versorgt wird, ist davon nicht betroffen, weil sie nicht durch die Ukraine, sondern durch Polen und Belarus verläuft.
Ukraine: Explosion auf der Krim hat russische Flugzeuge zerstört
Bei den Explosionen auf einem Luftwaffenstützpunkt auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim sind nach ukrainischen Angaben mindestens zehn Flugzeuge zerstört worden. „Nach der Explosion, die wir gesehen haben, ist klar, dass das Kontingent der Luftwaffe getroffen wurde“, sagte der Sprecher des ukrainischen Luftwaffenstabs, Juri Ihnat, im Fernsehen.
Laut Ihnat sind dort Kampfflugzeuge der Typen Suchoi Su-30M und Su-24 sowie Transportflugzeuge vom Typ Iljuschin Il-76 stationiert. Der Militärstützpunkt Saki auf der Krim, die Russland 2014 annektiert hatte, war am Dienstag von Explosionen schwer erschüttert worden. Videos zeigen, dass es an mindestens zwei unterschiedlichen Stellen zu Detonationen kam. In sozialen Netzwerken kursieren zudem Videos, die zerstörte Flugzeuge und Autos auf dem Stützpunkt zeigen sollen.
Die große Rauchwolke der Explosion auf dem Stützpunkt war weithin auf der bei russischen Touristen beliebten Krim zu sehen.
Offiziellen Angaben aus Moskau zufolge ist ein Verstoß gegen die Brandschutzregeln für den Vorfall verantwortlich. Viele Beobachter gehen hingegen von einem ukrainischen Angriff aus. Die Führung in Kiew hat bisher aber keine Verantwortung für die Explosionen übernommen. Der ukrainische Präsidentenberater Mychajlo Podoljak schrieb allerdings auf Twitter: „Das ist nur der Anfang.“
Den Militärexperten des US-amerikanischen Institute for the Study of the War zufolge will die russische Führung einen ukrainischen Angriff aus Imagegründen nicht eingestehen. Dann würde Moskau einräumen müssen, dass seine Luftabwehr versagt habe, teilte das Institut in seiner Analyse mit.
Russland will Gepard-Panzer zerstört haben
Die russischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben einen deutschen Gepard-Luftabwehrpanzer im Süden der Ukraine zerstört. Das Verteidigungsministerium in Moskau teilt mit, das Waffensystem sei im Gebiet der Stadt Mykolajiw getroffen worden. Zudem seien in der Region drei ukrainische Kampfjets abgeschossen worden. In Cherson südöstlich von Mykolajiw seien sieben HIMARS-Raketen aus US-Beständen zerstört worden. Unabhängig überprüfen ließen sich die Angaben nicht.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Philippinen wollen Rüstungsgeschäft mit Russland kündigen
Die Philippinen wollen aus Angst vor möglichen US-Sanktionen einen Vertrag über den Kauf von 16 russischen Militärtransporthubschraubern kündigen. Das Geschäft mit der russischen Firma Sovtechnoexport habe einen Umfang von 12,7 Milliarden Pesos (223 Millionen Euro) gehabt, teilte die Regierung in Manila mit. Das Verteidigungsministerium wolle nun mit der russischen Seite die Details der Kündigung besprechen.
Die Entscheidung, den Vertrag zu kündigen, sei in den letzten Tagen der Amtszeit des ehemaligen Präsidenten Rodrigo Duterte im Zuge der russischen Invasion in die Ukraine getroffen worden, sagte der frühere Verteidigungsminister Delfin Lorenzana.
10:50 Uhr
Gute Chancen für ukrainische Kinder an deutschen Schulen
Aus der Ukraine geflüchtete Kinder haben einer Studie zufolge gute Chancen im deutschen Schulsystem. Es könne auf einem hinreichenden Bildungsstand aufgebaut werden, teilte das Ifo-Institut in München auf Basis einer Auswertung der Pisa-Studie 2018 mit. Das Kompetenzniveau ukrainischer Kinder liege zwar unter dem deutscher Kinder, jedoch deutlich über dem Niveau von Kindern aus EU-Ländern wie Rumänien und Bulgarien. Aus diesen beiden Ländern seien bereits zahlreiche Kinder erfolgreich ins deutsche Schulsystem integriert worden. An allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen in Deutschland waren nach Angaben der Kultusministerkonferenz zuletzt mehr als 150.000 ukrainische Schüler registriert.
Owsjannikowa im Visier der Behörden
Die durch eine Protestaktion im russischen Fernsehen bekannt gewordene TV-Journalistin Marina Owsjannikowa gerät nach Angaben ihres Anwalts verstärkt ins Visier der Behörden. Das Haus seiner Mandantin sei durchsucht und strafrechtliche Ermittlungen seien eingeleitet worden, schrieb er auf Telegram. Hintergrund seien russische Gesetze, die die Verbreitung von Falschmeldungen über die russische Armee unter Strafe stellen.
Owsjannikowa hatte sich im März während einer Live-Sendung des staatlichen TV-Senders Kanal Eins mit einem Plakat hinter die Moderatorin gestellt, auf dem sie zum Ende des Kriegs aufrief und vor Propaganda warnte. Daraufhin wurde die gebürtige Ukrainerin vorübergehend festgenommen und wegen ihrer anhaltenden Kritik an dem russischen Vorgehen in der Ukraine zu einer Geldstrafe verurteilt.
Britischer Geheimdienst: Neuer Großverband russischer Bodentruppen
Russland hat nach britischen Angaben mit hoher Wahrscheinlichkeit einen neuen Großverband von Bodentruppen für den Krieg gebildet. Das 3. Armeekorps sei in der Nähe der Stadt Mulino, östlich der Hauptstadt Moskau, stationiert, berichtet das britische Verteidigungsministerium unter Berufung auf seine Geheimdienste.
Elf Tote durch Beschuss in Region Dnipropetrowsk
Durch nächtlichen Raketenbeschuss sind im Gebiet Dnipropetrowsk ukrainischen Angaben zufolge mindestens elf Menschen ums Leben gekommen. 13 weitere seien verletzt worden, schrieb der Chef der Militärverwaltung des Gebiets, Walentyn Resnitschenko, auf Telegram. Die beiden Ortschaften, die getroffen wurden, liegen dem zuletzt mehrfach beschossenen Atomkraftwerk Saporischschja gegenüber. In der Kleinstadt Marhanez seien 20 mehrgeschossige Gebäude beschädigt worden, darunter der Kulturpalast, zwei Schulen und ein Wohnheim.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle
überprüft werden.
Kohlenimporteure rechnen nicht mit Engpässen
Die deutschen Kohlenimporteure rechnen trotz des ab Donnerstag geltenden Importverbots für russische Steinkohle in der EU nicht mit Lieferengpässen. „Kohle ist auf dem Weltmarkt verfügbar“, sagte Vorstandschef Alexander Bethe vom Verein der Kohlenimporteure (VdKi) der Nachrichtenagentur dpa. Hauptlieferländer seien jetzt die USA, Südafrika, Australien, Indonesien und Kolumbien.
Ukraine: Russland will besetztes AKW an die Krim anschließen
Russland will das besetzte ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja nach ukrainischen Angaben an die annektierte Halbinsel Krim anschließen. Der Präsident des ukrainischen AKW-Betreibers Energoatom, Petro Kotin, sagte, die russischen Soldaten an dem Atomkraftwerk würden ein Vorhaben des russischen Atomkonzerns Rosatom umsetzen, das AKW „an das Stromnetz der Krim“ anzuschließen.
„Dafür müssen zunächst die Stromleitungen des Atomkraftwerks beschädigt werden, die mit dem ukrainischen Energiesystem verbunden sind“, sagte Kotin im ukrainischen Fernsehen weiter. „Zwischen dem 7. und 9. August haben die Russen schon drei Stromleitungen beschädigt. Derzeit läuft das Werk mit einer einzigen Produktionsleitung, was ein äußerst gefährlicher Arbeitsmodus ist.“
USA unterstützen Minenräumung in der Ukraine mit 89 Millionen Dollar
Die USA unterstützen mit 89 Millionen Dollar die Räumung von Anti-Personen-Minen in der Ukraine. Mit den umgerechnet 87 Millionen Euro soll unter anderem die Arbeit von 100 Minenräumteams von Nichtregierungsorganisationen oder spezialisierten Privatunternehmen finanziert werden, wie ein Vertreter des Außenministerium sagte. Er warf den russischen Streitkräften vor, nach ihrem Rückzug aus Teilen der Ukraine zahlreiche Minen und Sprengfallen hinterlassen zu haben, unter anderem in Waschmaschinen, Krankenhausbetten und Leichen.
AKW Saporischschja soll Thema im UN-Sicherheitsrat werden
Der UN-Sicherheitsrat soll sich auf Initiative Russlands mit dem Beschuss des ukrainischen Atomkraftwerks Saporischschja beschäftigen. Moskau beantragte ein Treffen des mächtigsten UN-Gremiums für Donnerstag. Der Rat soll vom Chef der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA), Rafael Grossi, über den Zustand des AKW unterrichtet werden. Das in der Stadt Enerhodar gelegene AKW Saporischschja war am vergangenen Wochenende mehrfach beschossen und teils beschädigt worden.
Selenskyj verspricht Rückeroberung der Krim
Die Ukraine strebt nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj weiter eine Rückeroberung der von Russland annektierten Halbinsel Krim an. „Dieser russische Krieg gegen die Ukraine und gegen das gesamte freie Europa hat mit der Krim begonnen und muss mit der Krim enden – mit ihrer Befreiung“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videobotschaft.