Fragen und Antworten – Was im Lauterbach-Wirrwarr um die 4. Impfung wirklich wichtig ist
11. August 2022Wer soll die vierte Impfung denn jetzt eigentlich bekommen? Und wann? Und was bringt das dann? Mit einem Interview und Tweets aus der Corona-Quarantäne sorgt Gesundheitsminister Karl Lauterbach gerade für große Verwirrung. Was Sie wissen müssen.
Geht es nach der Ständigen Impfkomission (Stiko), ist die Lage klar: Wer über 70 ist oder zur Risikogruppe gehört, sollte sich schon jetzt ein viertes Mal gegen Corona impfen lassen. Wer nicht, der kann noch warten.
Deutlich komplizierter gestaltet sich die Lage aber, seitdem sich Karl Lauterbach vor wenigen Wochen in die Debatte einmischte. Der Gesundheitsminister hatte sich Mitte Juli in einem „Spiegel“-Interview zur vierten Corona-Impfung geäußert und gesagt, wolle man den Sommer ohne das Risiko einer Erkrankung genießen, dann würde er „in Absprache natürlich mit dem Hausarzt auch Jüngeren die Impfung empfehlen“.
Nun ruderte er allerdings wieder zurück. Und will frühere Äußerungen zur vierten Corona-Impfung plötzlich doch nicht als Empfehlung für alle jüngeren Menschen verstanden wissen. „Ich habe nicht gesagt: Für alle die vierte Impfung“, sagte er dann am Dienstagabend im ZDF-„heute journal“. „Ich habe nie gesagt, dass alle jüngeren Leute sich jetzt impfen lassen sollen. Das ist einfach falsch.“
Wir erklären, welche offiziellen Vorgaben und Empfehlungen es bisher zur vierten Impfung gibt – und was Experten auf die dringendsten Fragen antworten.
Wem wird die vierte Impfung offiziell empfohlen?
Die für Impfempfehlungen in Deutschland zuständige Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine zweite Auffrischung bislang für:
- Menschen ab 70 Jahren
- Patienten mit unterdrücktem Immunsystem
- Pflegeheimbewohner
- Personal medizinischer Einrichtungen.
Stiko-Chef Thomas Mertens hatte allerdings angekündigt, das Gremium werde sich „relativ bald“ zu einer möglichen Erweiterung der bestehenden Empfehlung äußern.
Wem empfehlen andere Experten die vierte Impfung?
Führende EU-Behörden befürworten nämlich bereits jetzt eine vierte Corona-Impfung für alle über 60 . Auch Epidemiologe Timo Ulrichs sprach sich jetzt für eine Impfung „mindestens für die Ü-60-Jährigen“ aus. „Jetzt impfen ist besser als auf den omikronspezifischen Impfstoff im Herbst zu warten. Der könnte dann als fünfte Impfung nachgelegt werden“, erläutert er.
Wer sollte noch mit der vierten Impfung warten?
Mit Aussicht auf die neuen, an Omikron angepassten Vakzine, stellen sich viele die Frage, ob sie mit ihrer vierten Impfung noch warten sollen. „Diese Frage wird mit voranschreitender Zeit immer irrelevanter“, sagte Epidemiologe Ulrichs FOCUS online. Dennoch könne man zum jetzigen Zeitpunkt sagen: Sinnvoll ist eine Impfung schon jetzt mit den bisher zugelassenen Vakzinen für Menschen über 60 Jahren . Das gelte insbesondere für die bisher Ungeimpften. Sie sollten also nicht darauf warten .
Ab Herbst sollten dann allerdings „vornehmlich der neue Impfstoff zur Anwendung kommen“, erklärt der Epidemiologe. Das gelte auch für Jüngere . Diese können also auf die neuen Vakzine warten .
Auch nach Ansicht von Gesundheitsminister Karl Lauterbach sollten Risikopatienten nicht auf die angepassten Impfstoffe warten: Abwarten sei „für diejenigen, die jetzt im Risiko stehen, einfach falsch“, sagte er im ZDF. Bei jüngeren Menschen könne es aber durchaus Sinn machen, „dass man noch etwas zuwartet“ und sich mit den neuen Impfstoffen impfen lasse, sagte Lauterbach in den ARD- „Tagesthemen“.
Immunologe Carsten Watzl sah zuletzt durchaus Gründe, mit einer vierten Corona-Impfung noch auf an die Omikron-Variante angepassten Vakzine zu warten. „Da die angepassten Impfstoffe hoffentlich nächsten Monat kommen, kann man jetzt auch warten, wenn man die vierte Impfung bisher noch nicht gemacht hat“, sagte der Experte.
Allerdings kündigte Hersteller Biontech an, erst im Oktober und auch nur nach Genehmigung mit der Auslieferung der neuen Vakzine beginnen zu können. Damit kommen die Impfstoffe also voraussichtlich nicht nächsten, sondern erst übernächsten Monat. Ob sich auch hier das Warten lohnt, dazu äußerte sich Watzl bislang nicht.
Was bringt die vierte Impfung für meine Gesundheit?
Wie immer mehr Studien zeigen, lässt die Schutzwirkung der Corona-Impfungen nach wenigen Monaten zumindest teilweise nach. Die Antikörperspiegel nehmen dann ab, sodass der Körper im Falle einer Infektion nicht mehr so gut vor einem schweren Verlauf geschützt ist.
Aus diesem Grund gilt es, den Impfschutz regelmäßig aufzufrischen. Das ist jetzt insbesondere für Risikogruppen relevant, bei denen der erste Booster häufig schon länger her ist und die außerdem anfälliger für schwere und tödliche Verlaufe sind.
Was bringt die vierte Impfung in Hinblick auf mögliche Maßnahmen?
Werden die für Herbst und Winter vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich so durchgesetzt, könnte eine vierte Impfung weitere Vorteile mit sich bringen. Denn in Restaurants sowie bei Kultur- und Sportveranstaltungen soll es Ausnahmen der Maskenpflicht für „frisch“ vollständig geimpfte Menschen geben. „Frisch“ bedeutet, dass die Impfung nicht länger als drei Monate her sein darf.
„Frisch“ Geimpfte sollen zudem von der Testpflicht in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen ausgenommen sein.
Muss ich mich künftig alle drei Monate nachimpfen?
Dass nur für „frisch“ Geimpfte Ausnahmen gelten sollen, ist keineswegs unumstritten. „Wenn bei der Maskenpflicht beispielsweise danach differenziert werden soll, ob die letzte Impfung drei oder vier Monate zurückliegt, dann frage ich mich, wie das im Alltag funktionieren soll“, sagte etwa der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, der „Rheinischen Post“.
Und auch Karl Lauterbach, der ja – als Kopf seines Ministeriums – die Maßnahmen für Herbst und Winter selbst auf den Weg brachte, scheint jetzt wieder zurückzurudern. Darauf lassen zumindest wirre Tweets schließen, die er zu Beginn der Woche aus seiner Corona-Quarantäne heraus absetzte. „Glauben Sie im Ernst, dass Menschen sich alle 3 Monate impfen lassen, um ohne Maske in ein Restaurant gehen zu können??????“, schrieb er dort auf die Anmerkung eines Nutzers. Dieser hatte darauf hingewiesen, dass der Maßnahmenentwurf einen Anreiz setzen würde, um sich alle drei Monate nachzuimpfen. Immerhin hätten die „frisch“ Geimpften somit stets Zugang zu Veranstaltungen, ohne dabei einen Test machen zu müssen.
Bis vor kurzem sah Lauterbach das offenbar selbst so. „Das ist dann sicherlich Anreiz für den ein oder anderen, darüber nachzudenken, ob er sich impfen lassen möchte“, zitiert ihn die „Berliner Zeitung“ von einer Pressekonferenz.
Doch Lauterbach widerspricht dieser Aussage jetzt nicht nur. Er geht sogar noch einen Schritt weiter. „Wenn wir das wirklich oft sähen würden wir die Regel ändern“, behauptet er auf Twitter. Die Konsequenz wäre dann eine allgemeine Maskenpflicht im Innenraum oder ein Test.
In diesem Fall wäre eine weitere Impfung alle drei Monate also nicht für bestimmte Ausnahmen erforderlich. Die Maßnahmen würden dann für alle Menschen gelten, unabhängig vom Impfstatus und dessen Frische.