Transporte aus der Ukraine – Wie es um die Getreidelieferungen steht

Transporte aus der Ukraine – Wie es um die Getreidelieferungen steht

11. August 2022 Aus Von mvp-web
Stand: 11.08.2022 12:46 Uhr

Rund ein Dutzend Schiffe haben seit Inkrafttreten des Getreide-Abkommens ukrainische Häfen verlassen. Welche Fracht haben sie an Bord? Wie verlaufen die Kontrollen? Und reichen die Exporte, damit die Preise sinken?

Nach dem Getreide-Abkommen zwischen Moskau und Kiew erwarten die Vereinten Nationen steigende Ausfuhren aus der Ukraine über das Schwarze Meer. Mehrere Schiffe warteten derzeit auf die Genehmigung zur Fahrt in Richtung der ukrainischen Häfen, sagte gestern der UN-Koordinator für die Ausfuhren, Frederick Kenney. Es sei mit einem „großen Aufwärtstrend bei den Anträgen für den Transit“ zurechnen. Im Juli hatten die Ukraine und Russland Abkommen mit der Türkei und den Vereinten Nationen für den Export von Agrarprodukten und Dünger aus drei ukrainischen Schwarzmeerhäfen abgeschlossen.

Wie viel Getreide ist bislang verschifft worden?

Nach offiziellen Angaben durften seit Anfang August rund ein Dutzend Schiffe die Häfen Tschornomorsk, Odessa und Piwdennyj mit über 370.000 Tonnen Fracht verlassen. Verschifft wurden landwirtschaftliche Erzeugnisse – bisher jedoch hauptsächlich Mais, der in der Regel als Tierfutter oder zur Herstellung von Ethanol als Biokraftstoff verwendet wird. Daneben wurden aber auch kleinere Mengen Sojabohnen, Sonnenblumenöl und Sonnenblumenmehl exportiert.

Weizen wurde bisher noch nicht verschifft. Das ist zum Teil auf den Zeitpunkt der russischen Invasion zurückzuführen, da ein Großteil der letztjährigen Weizenernte bereits im Februar exportiert wurde. Weizen wird einige Monate vor Mais geerntet und daher in der Regel früher verschifft. In den Häfen lagern schätzungsweise drei Millionen Tonnen Getreide, die zunächst umgeschlagen werden müssen, was wahrscheinlich bis etwa Mitte September dauern wird.

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Wo sind die Schiffe?

Als erster Frachter hatte die „Razoni“ am Montag vergangener Woche mit rund 26.000 Tonnen Mais den ukrainischen Hafen Odessa in Richtung Libanon verlassen. Eigentlich hätte das Schiff am vergangenen Sonntag im libanesischen Hafen Tripoli anlegen sollen. Der libanesische Käufer hat jedoch die Bestellung storniert. Grund sei die fünfmonatige Verzögerung der Lieferung, teilte die ukrainische Botschaft im Libanon mit. Ein neuer Abnehmer sollte gesucht werden. Zuletzt lag die „Razoni“ vor der Mittelmeerstadt Mersin in der Südtürkei auf Reede.

Die „Ocean Lion“ ist das bislang größte Schiff, das die Ukraine seit Monatsbeginn verlassen hat. Der Frachter war am Dienstag ausgelaufen und ist im Marmarameer unweit des südlichen Endes des Bosporus vor Anker gegangen. In der Nähe liegen außerdem die „Sacura“ und die „Mustafa Necati“. Ein weiterer Frachter, die „Rahmi Yagci“, befand sich zuletzt auf der nördlichen Seite des Bosporus. Nach Angaben des türkischen Verteidigungsministeriums musste das für heute geplante Auslaufen eines Getreidefrachters aus dem ukrainischen Hafen Tschornomorsk wegen schlechten Wetters verschoben werden.

Gibt es irgendwelche Probleme mit den Transporten?

Laut UN-Koordinator Kenney hat es bislang keine Vorfälle gegeben habe, die die Sicherheit von Schiffen gefährdeten. Auch habe es bei den Durchsuchungen der Schiffe keine Auffälligkeiten gegeben. Teil des Getreideabkommens sind Inspektionen der Schiffe in der Türkei. Sie sollen sicherstellen, dass keine Waffen in die Ukraine gebracht oder andere Güter außer Getreide ausgeführt werden. Die Zusammenarbeit zwischen den Vertretern Russlands und der Ukraine sei konstruktiv, sagte Kenney: „Ich war sehr beeindruckt von dem Grad an Zusammenarbeit und Koordination, der gezeigt wurde.“

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Entschärfen die Lieferungen die Nahrungsmittelkrise?

Ziel des Getreideabkommens ist es, die weltweite Lebensmittelknappheit zu lindern. Zu den Abnehmern der Ukraine gehören einige der ärmsten Länder der Welt, wie beispielsweise Eritrea in Afrika. Allerdings müssen noch viel größere Mengen verschifft werden, um die weltweite Versorgung wesentlich zu verbessern. In der Ukraine stapeln sich noch rund 20 Millionen Tonnen Getreide aus der letztjährigen Ernte sowie die diesjährige Weizenernte, die auf weitere 20 Millionen Tonnen geschätzt wird. Die drei an der Vereinbarung beteiligten Häfen Odessa, Tschornomorsk und Pivdennyi verfügen zusammen über eine Verschiffungskapazität von rund drei Millionen Tonnen pro Monat. Einige Experten gehen davon aus, dass dieses Exportniveau im Oktober erreicht werden könnte.

Es wird jedoch eine große Anzahl von Schiffen benötigt, um eine so große Getreidemenge zu transportieren. Einige Schiffseigner könnten zögern, in ein Kriegsgebiet zu fahren, insbesondere angesichts der von Minen ausgehenden Gefahr und der hohen Versicherungskosten.

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Kann das Abkommen die Lebensmittelpreise dämpfen?

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine und der drastische Rückgang der Getreidelieferungen aus der Ukraine haben die Lebensmittelpreise stark verteuert, da sowohl die Getreide- als auch die Energiepreise gestiegen sind. Höhere Kraftstoffpreise treiben die Kosten für Landwirtschaft, Transport, Verarbeitung und Verpackung von Lebensmitteln in die Höhe. Auch die Corona-Pandemie und Klimaschocks haben zur Inflation der Lebensmittelpreise beigetragen.

Sollte der Exportplan für die Getreidelieferungen erfolgreich sein, wird allgemein mit einem Rückgang der Weltmarktpreise für Getreide und Ölsaaten gerechnet. Das Angebot ist jedoch nach wie vor knapp, und die Ernte in der Ukraine wird in diesem Jahr geringer ausfallen als im Vorjahr, da der Krieg auch die Landwirtschaft beeinträchtigt hat. Das Welternährungsprogramm hat davor gewarnt, dass die Lebensmittelpreise auch dann hoch bleiben werden, wenn die Vereinbarung eingehalten wird.

Wie groß ist das Risiko durch Seeminen?

Russland und die Ukraine beschuldigen sich gegenseitig, die zahlreichen Seeminen im Schwarzen Meer gelegt zu haben. Diese stellen eine erhebliche Bedrohung für die Schiffsbesatzungen dar. Allerdings wird davon ausgegangen, dass die Minen inzwischen von der ukrainischen Küste weggetrieben sind. Taucherteams des rumänischen, bulgarischen und türkischen Militärs entschärfen Minen in ihren Gewässern. Es könnte Monate dauern, sie zu räumen.

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Lassen sich die Transporte überhaupt versichern?

Das Gemeinsame Koordinierungszentrum mit Sitz in Istanbul, das die Vereinbarung überwacht und sich aus türkischen, russischen, ukrainischen und UN-Beamten zusammensetzt, hat Anfang der Woche ein Verfahren die Schiffstransporte veröffentlicht, um die Bedenken von Versicherern und Reedern zu zerstreuen. Versicherer hatten zuvor klare Regeln für internationale Begleitfahrten der Marine und den Umgang mit Seeminen gefordert.

Inzwischen haben der Versicherer Ascot, eine Tochter des britischen Lloyd’s-Konzerns, und der Makler Marsh eine Seefracht- und Kriegsversicherung aufgesetzt für Getreide und Lebensmittel, die ukrainische Schwarzmeerhäfen verlassen – mit einer Deckungssumme von 50 Millionen Dollar für jede Reise. Die Kosten des Versicherungsschutzes der Schiffe für die Reedereien sind jedoch hoch.

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Gibt es genug Seeleute?

Weiterhin gilt es als schwierig, genügend Seeleute für die Besatzungen der Schiffe zu finden, die Getreide aus der Ukraine transportieren sollen. Zu Kriegsbeginn saßen rund 2000 Seeleute aus aller Welt in ukrainischen Häfen fest, heute sind es knapp 450.

Bieten sich andere Transportwege für das Getreide an?

Die Ukraine kann monatlich bis zu zwei Millionen Tonnen Getreide mit Lkw und Bahn transportieren – etwa die Hälfte der vier Millionen Tonnen, die das Land vor dem russischen Angriff über seine Seehäfen verschifft hat. Deswegen hat der Seeweg enorme Bedeutung. Das Abkommen mit Russland werde den Entwicklungsländern, die „am Rande des Bankrotts und den am meisten gefährdeten Menschen am Rande der Hungersnot“ stehen, Erleichterung verschaffen, sagte der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres.