IW-Studie zu steigenden Gaspreisen Zweistellige Inflationsraten möglich

IW-Studie zu steigenden Gaspreisen Zweistellige Inflationsraten möglich

11. August 2022 Aus Von mvp-web
Stand: 11.08.2022 13:45 Uhr

Was passiert, wenn sich der Gaspreis um 50 Prozent erhöht oder verdoppelt? Forscher haben die Szenarien untersucht: Der Verlust Hunderttausender Jobs und ein starker Anstieg der Teuerung drohen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) rechnet mit gravierenden Folgen für die deutsche Wirtschaft durch weiter anziehende Gaspreise. In einer heute veröffentlichten Studie untersucht das IW die Auswirkungen der Energiepreise auf die Konjunktur und den Arbeitsmarkt. Dabei simuliert das Forscherteam einen Anstieg des Gaspreises im dritten Quartal im Vergleich zum zweiten Quartal um 50 Prozent sowie eine Verdoppelung des Preises.

Die Autoren spielen verschiedene Szenarien für steigende Energiepreise durch – beginnend von einem hohen Ausgangsniveau. So habe sich allein der Gaspreis zwischen 2020 und 2021 im Jahresschnitt bereits verfünffacht. Es handele sich dabei aber nicht um Prognosen, sondern vielmehr um mögliche Entwicklungen, betont das Institut.

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Inflationsanstieg von vier Prozentpunkten

Das Ergebnis der simulierten Entwicklungen seien „düstere“ Aussichten, warnte das IW-Forscherteam. Bei einem Anstieg der Gaspreise um 50 Prozent dürfte die Inflationsrate um 0,9 Prozentpunkte im laufenden Jahr und um 1,3 Prozentpunkte im kommenden Jahr steigen. Bei einer Verdopplung der Gaspreise, was ein derzeit „realistisches“ Szenario sei, würde die Inflation um einen Punkt in diesem Jahr und um fast vier Prozentpunkte im nächsten Jahr wachsen.

Zuletzt lag die Inflation im Juli bei 7,5 Prozent, angetrieben durch die hohen Energiepreise, die im Jahresvergleich um über 35 Prozent in die Höhe schnellten. Nahrungsmittel wurden um fast 15 Prozent teurer. Die Inflation wurde zugleich durch staatliche Maßnahmen wie das Neun-Euro-Ticket abgebremst.

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Folgen für den Arbeitsmarkt

Bei einer Verdopplung der Gaspreise könnten den IW-Berechnungen zufolge noch in diesem Jahr 30.000 Menschen ihren Job verlieren, das entspricht einer Erhöhung der Arbeitslosenquote um 0,1 Prozent. Im kommenden Jahr könnte das bei diesem Szenario schon 307.000 Menschen treffen.

Das IW berechnete auch die Folgen für das Bruttoinlandsprodukt bei einer Verdopplung der Gaspreise im dritten Quartal. Dann könnte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr immerhin noch um 0,2 Prozent schrumpfen und im kommenden Jahr dann um zwei Prozent einbrechen. Das entspricht einem Verlust von 70 Milliarden Euro.

Da die Menschen weniger Geld zur Verfügung hätten, würden sie auch deutlich weniger kaufen: Der private Konsum läge 1,1 Prozent unter dem Basisszenario. Die Unternehmen wiederum hätten weniger Geld für Investitionen übrig. Diese könnten dann im laufenden Jahr um 0,4 Prozent sinken und im nächsten Jahr um 3,1 Prozent.

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Produktionsausfälle bei Lieferstopp

Noch gar nicht berücksichtigt in den Berechnungen sind Auswirkungen von Produktionsausfällen bei einem Stopp der Gaslieferungen, gibt das IW zu bedenken. „Das würde zusätzliche hohe Preisschocks in den Wertschöpfungsketten auslösen“, erklärte Studienautor Thomas Obst. Viele Experten rechneten derzeit noch mit einem Aufschwung im kommenden Jahr: „Es kann aber sein, dass daraus nichts wird.“

Zu einer Normalisierung käme es erst wieder 2024. „Normalisierung bedeutet nicht den Rückgang auf das Vorkriegsniveau“, betonte Obst. Er erwarte einen kompletten Umbau der Energieinfrastruktur, etwa durch den Bau von Terminals zum Import von Flüssiggas (LNG). „Das kostet Geld und Zeit, zumal Flüssiggas teurer als Erdgas ist.“ Normalisierung, also ein erneut stabiler Zustand, bedeute in diesem Fall: „Die Unsicherheit würde sich wieder legen, wir wüssten wieder, wo wir unsere Energie herbekommen und gehen davon aus, dass das so bleibt.“

Unabhängig davon müssten sich Verbraucher und Produzenten auf anhaltend hohe Preise einstellen, schreiben die Autoren der Studie. „Bisher beschlossene Entlastungspakete können die zu erwartenden Mehrbelastungen nur teilweise auffangen.“

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Offene Stellen auf Allzeithoch

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) vermeldete derweil heute ein neues Allzeithoch an offenen Stellen – die Zahl lag für den Zeitraum von April bis Juni bei 1,93 Millionen. Das seien elf Prozent mehr als im ersten Quartal, teilte das Institut in Nürnberg mit. Zieht man den Vergleichszeitraum des Vorjahres heran, so stieg die Zahl der offenen Stellen sogar um 66 Prozent

Das IAB wies dennoch auf die Gefahr eines Gasstopps hin. Für den Arbeitsmarkt bestünden für die nahe Zukunft „gravierende Risiken, zum Beispiel im Hinblick auf einen möglichen Stopp der Gaslieferungen aus Russland“.