Schimmel und Schäden: Der Staat sieht aktuell alle in der Pflicht, wenn es um das Energiesparen geht
14. August 2022Der Staat sieht aktuell alle in der Pflicht, wenn es um das Energiesparen geht. An der falschen Stelle zu sparen, kann aber auch schädliche Folgen haben, etwa für die Bausubstanz. Vermieter und Mieter könnten sich daher künftig häufiger als bisher vor Gericht treffen.
Angesichts der sich zuspitzenden Gas-Krise könnte es in diesem Herbst und Winter zu Hause ungemütlicher werden als in den Jahren zuvor. Bürgerinnen und Bürger sollen ihren Verbrauch senken und die Heizung runter drehen, vielen wird wohl angesichts der steigenden Preise auch gar nichts anderes übrigbleiben.
Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) kündigte unterdessen vor einigen Tagen ein weiteres Paket zur Energiesicherung an, welches auch erhebliche Auswirkungen auf Verbraucherinnen und Verbraucher haben dürfte.
Denkbar ist, dass Vorgaben zu Mindesttemperaturen fürs Heizen auf der Arbeit – also etwa in Büros und Werkshallen – abgesenkt werden. Zudem sollen in privaten Haushalten Mieterinnen und Mieter von der Pflicht entbunden werden, ihre Wohnung auf eine Mindesttemperatur zu heizen. Gelten soll das für die nächsten zwei Winter.
Räumen aufrechtzuerhalten. Wenn Mieterinnen und Mieter weniger heizen wollen, verstoßen sie gegen ihre Mietverträge.
Nicht-Einhalten der Mindesttemperatur: Auswirkungen auf den Zustand des Gebäudebestands sind unabwägbar
Doch auch wenn Energiesparen aus Sicht der Versorgungssicherheit geboten ist (laut Expertinnen und Experten entspricht jedes Grad weniger Heizen einer Energieeinsparung von 6 Prozent), können solche Maßnahmen an der falschen Stelle auch schädliche Folgen haben. Marcel Dietz vom Verband der deutschen Bauherren warnt im Gespräch mit FOCUS online: „Gerade mit Blick auf die ungedämmten Bestandsimmobilien, von denen wir in Deutschland bekanntlich sehr viele haben, halten ich eine solche Entscheidung für fahrlässig.“
Der Architekt hält die Auswirkungen auf den Zustand des Gebäudebestands für unabwägbar. „In schlecht gedämmten Häusern und deren Wärmebrücken an Gebäudeecken, Fensterlaibungen, Deckeneinbindungen und Balkonplatten schlägt sich bei unzureichendem Heizen Luftfeuchtigkeit an den Oberflächen nieder.“ Das bleibt nicht folgenlos: An den feuchten Wänden hat Schimmel die idealen Voraussetzungen.
Wer die Heizung zu stark herunterdreht oder im Zweifel sogar ganz abstellt, riskiert zudem teure Frostschäden im Winter. Auch im vorübergehend leerstehenden Haus sollten die Thermostate deshalb laut dem Experten immer noch auf 15 Grad stehen.
„Normale Wohnräume in schlecht gedämmten Häusern sollten mindestens auf 20 Grad beheizt werden, wenn man Schäden vermeiden möchte. Bei Neubauten kann man auch mal ein Grad weniger heizen. Allerdings kommen hier bereits häufig Wärmepumpen zum Einsatz, die ja ohnehin mit Strom und nicht mit Gas betrieben werden.“
Haftungsrechtliche Fragen für etwaige Schäden sind noch nicht geklärt
Auch der Deutsche Mieterbund ist von dem Habeck-Vorschlag vor allem aus zwei Gründen nicht überzeugt. „Energiesparen ist das Gebot der Stunde und betrifft alle: Eigentümer, Mieter und Industrie. Dabei darf aber natürlich nicht vergessen werden, dass zu kalte Wohnungen oder einfrierende Leitungen im Winter zu erheblichen Schäden am Haus und an der Gesundheit der Bewohner führen können.“
Berücksichtigen müsse man daher in jedem Fall die gefährdete Gesundheit von Bewohnern durch zu kalte Wohnungen im Winter sowie auch die haftungsrechtlichen Fragen für etwaige Schäden an den Gebäuden.
„Mieter treffen Sorgfaltspflichten im Umgang mit ihren Wohnungen. Dazu zählt, dass sie angemessen heizen und lüften müssen, um Feuchtigkeit und Schimmelbildung in der Wohnung zu vermeiden“, erklärt Stefan Bentrop, Justizar beim Deutschen Mieterbund, FOCUS online auf Nachfrage. „Wenn dies nicht geschieht, laufen sie Gefahr, dass sie für dadurch verursachte Schäden am Gebäude haften und zum Beispiel die Kosten einer Schimmelentfernung tragen müssen.“
Zusammenhang zwischen richtigem Lüften und Heizen
„Wenn Mieter nun animiert werden sollen, Energie einzusparen, genügt es deshalb nicht, für ein Absenken von Raumtemperaturen zu werben“, findet Bentrop weiter. „Vielmehr müssen Mieter dringend auch darüber informiert und dafür sensibilisiert werden, was bei reduzierten Temperaturen in puncto Heizen und Lüften zu beachten ist, um Schäden am Gebäude zu vermeiden.“
Anderenfalls drohten vermehrt Schadensfälle und rechtliche Auseinandersetzungen zwischen Vermietern und Mietern, die teuer werden können.