Lauterbachs Wirbel um die 4. ImpfungMit neuer Empfehlung macht die Stiko das Impf-Wirrwarr perfekt
16. August 2022Die Ständige Impfkommission hat eine neue Empfehlung herausgegeben und den Kreis derer erweitert, die sich ein viertes Mal impfen lassen sollten. Doch die Empfehlung passt nicht so recht zu dem, was Gesundheitsminister Lauterbach für den Herbst plant. Damit wird das Impf-Wirrwarr nur noch größer.
Wer darf sich wo aufhalten? Und mit oder ohne Maske? Das müssen sich die Bundesbürger seit geraumer Zeit nicht mehr fragen. Nach dem flächendeckenden Wegfall der meisten Maßnahmen gegen das Coronavirus kann derzeit jeder selbst entscheiden, wie er sich schützt.
Vorbei ist die Pandemie aber nicht – und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) plant bereits, wie einer etwaigen Herbst- und Winterwelle begegnet wird. Nur: Wie Lauterbachs Entwürfe und die jüngste Impf-Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zusammenpassen sollen, ist unklar.
Wie die „Bild“ und das „Handelsblatt“ unter Verweis auf einen Stiko-Entwurf am Montag berichtete, will die Stiko eine vierte Impfung (den zweiten Booster) allen Personen zwischen 60 und 69 Jahren empfehlen. Eine entsprechende Empfehlung für Über-70-Jährige sowie Risikogruppen gibt es bereits. Damit zieht die Stiko mit den europäischen Behörden ECDC und EMA gleich, welche sich bereits für eine vierte Spritze für die Über-60-Jährigen ausgesprochen haben.
Allerdings soll es auch Bedingungen geben. Der erste Booster oder die letzte Corona-Infektion müssen sechs Monate zurück liegen – erst dann gibt’s die vierte Impfung. Lediglich in „begründeten Einzelfällen“ dürfen sich Bürger schon nach vier Monaten erneut impfen.
Neue Stiko-Empfehlung macht Wirrwarr um zweiten Booster perfekt
So der so: Vier und sechs Monate sind mehr als nur drei Monate. Und eben diese drei Monate sollen im Herbst und Winter einen entscheidenden Maßstab bilden, wenn es nach Karl Lauterbach geht. Dessen Pläne sehen vor, dass ab dem 1. Oktober wieder bundesweit einheitliche Maßnahmen gelten, etwa eine Masken- und Testpflicht in Pflegeheimen und Krankenhäusern.
Je nach Bedarf sollen die Bundesländer diese Pflicht selbstständig ausweiten, auf Restaurants oder andere Freizeiteinrichtungen beispielsweise. Neu sind dabei Ausnahmen von der Pflicht. Wer frisch geimpft oder genesen ist, soll dann keine Maske tragen müssen. Diese Befreiung soll auch für länderspezifische Maskenpflichten.
Der daraus gezogene Umkehrschluss: Soll man sich jetzt alle drei Monate impfen lassen, um der Maskenpflicht zu entgehen? Lauterbach selbst sprach sich kürzlich für eine vierte Impfung für alle aus, schränkte dann aber ein, man solle sich vorher mit seinem Hausarzt beraten.
Danach wiederum verkündete er, dass die geplanten Maßnahmen durchaus „ein Anreiz für die Impfung“ seien – nur, um später auf Twitter zurückzurudern. „Glauben Sie im Ernst, dass Menschen sich alle drei Monate impfen lassen, um ohne Maske in ein Restaurant gehen zu können?????? [sic]“, antwortete der Politiker dort auf eine entsprechende Frage.
Die neue Stiko-Empfehlung macht das Wirrwarr nun vorerst perfekt. Neben der Impfempfehlung für die Über-60-Jährigen erklärte die Kommission auch, dass bei älteren Personen auch eine fünfte Impfung „sinnvoll sein“ könnte. Hier solle dann aber im Einzelfall entschieden werden.
Die Jungen und Gesunden profitieren „nicht nennenswert“ vom vierten Piks
Allen anderen aber empfiehlt die Stiko keine vierte Spritze. Wer unter 60 und gesund ist, muss sich nicht noch ein weiteres Mal impfen lassen. „Nach derzeitigem Kenntnisstand“ profitieren diese Bürger „nicht nennenswert“ von einer weiteren Immunisierung.
Nach Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI) sind derzeit knapp 51,5 Millionen Bundesbürger einmal geboostert, nur 6,9 Millionen Deutsche haben sich indes schon ein viertes Mal impfen lassen. Bei einer großen Mehrheit stünde also noch eine weitere Spritze aus, wenn sie im Herbst und Winter ohne Maske am gesellschaftlichen Leben teilnehmen wollen.
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Nur eben empfiehlt die Stiko selbige nun gar nicht, während es auch kein eindeutiges Signal aus dem Gesundheitsministerium gibt. Die Impfkommission und Lauterbach stehen dabei nicht zum ersten Mal im Konflikt. Schon Mitte Juli widersprach Stiko-Chef Thomas Mertens Lauterbach und stellte klar, dass die Daten Lauterbachs Vorschlag nicht stützen würden. „Ich halte es für schlecht, medizinische Empfehlungen unter dem Motto ‚Viel hilft viel‘ auszusprechen“, sagte Mertens damals.
Mit ihrer neuen Empfehlung hat sich die Stiko nun vorerst zumindest nicht auf die Seite Lauterbachs gestellt. Das RKI wollte sich auf den Stiko-Entwurf zur neuen Empfehlung nicht äußern. Lauterbach wiederum dankte der Impfkommission auf Twitter lediglich für die neue Empfehlung, ohne auf die Problematik zwischen seinen geplanten Maßnahmen und der Stiko-Empfehlung einzugehen.
Das macht die Frage, ob man sich nun nochmal impfen lassen soll, für viele Deutsche nicht leichter. Dabei ist es doch eigentlich ganz simpel, was sich die Bundesbürger wünschen – kein verwirrender Föderalismus, kein Kompetenzgerangel zwischen Behörden und Ministern, sondern ein bundesweit einheitlicher und vor allem nachvollziehbarer Corona-Kurs.