Ukrainischer Regierungschef in Berlin Schmyhal fordert mehr schwere Waffen
5. September 2022„Sehr fruchtbar“ seien die Gespräche mit Kanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier gewesen, so der ukrainische Regierungschef Schmyhal. Er danke Deutschland für die Unterstützung, forderte aber zugleich weitere schwere Waffen.
Der ukrainische Ministerpräsident Denys Schmyhal hat bei seinem Besuch in Berlin um die Lieferung weiterer schwerer Waffen für sein Land gebeten. Bei einem Treffen mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterstrich Schmyhal nach Angaben seines Büros, wie wichtig es für sein Land sei, dass die Waffenlieferungen „verstärkt“ würden. Bei Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (beide SPD) war auch der Wiederaufbau der Ukraine ein zentrales Thema.
Die Ukraine hoffe, dass Deutschland insbesondere bei der Luftabwehr gegen die russischen Angreifer eine „führende Rolle“ einnehmen werde. Die von Deutschland gelieferten Panzerhaubitzen des Typs 2000 sowie die Raketenwerfer Mars II hätten sich „auf dem Schlachtfeld bewährt“, sagte Schmygal den Angaben zufolge bei dem Treffen mit dem Bundespräsidenten in Schloss Bellevue. „Wir hoffen, dass die Lieferungen schwerer Waffen ausgebaut werden können“, fügte er demnach hinzu.
Steinmeier habe dem Gast aus Kiew bei dem einstündigen Treffen zugesichert, dass Deutschland „weiter zuverlässig solidarisch an der Seite der Ukraine stehen“ werde, erklärte die Sprecherin des Bundespräsidenten. Die beiden Politiker hätten sich auch über „Hilfe beim Wiederaufbau der Ukraine“ ausgetauscht.
Verständnis für Debatte in Deutschland
Im Interview mit den tagesthemen danke Schmyhal Deutschland für die Unterstützung. Die Gespräche mit Scholz und Steinmeier nannte er „sehr fruchtbar“. Er äußerte auch Verständnis für die Diskussionen in Deutschland mit Blick auf die nächste Heizperiode. Russland führe einen hybriden Krieg gegen Europa auch auf Ebene der Energieversorgung. In den vergangenen Tagen war mitunter die Kritik laut geworden, die Debatten über Heizkosten und ähnliches in Deutschland seien angesichts der Lage der Menschen in der Ukraine unverhältnismäßig.
Schmyhal bekräftigte das Ziel, auch die Krim von Russland zurückzuerobern. Armee und Gesellschaft seien darauf eingestellt – nach „all den Gräueltaten“, die die russische Armee in der Ukraine begangen habe. „Alle haben gesehen, was in den besetzten Gebieten geschieht, alle haben Mariupol gesehen“, sagte er in dem Interview. Russland hatte die zur Ukraine gehörende Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 annektiert.
Scholz: Reformen im Justizsystem wichtig
Nach dem Treffen mit Steinmeier wurde Schmyhal von Scholz mit militärischen Ehren empfangen. Sie tauschten sich über die militärische sowie die humanitäre und wirtschaftliche Lage in der Ukraine aus, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit mitteilte. Der Kanzler versicherte demnach, Deutschland werde nicht nachlassen, die Ukraine militärisch, aber auch politisch, finanziell und humanitär zu unterstützen.
Schmyhal sprach nach eigenen Angaben mit Scholz auch über eine mögliche Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern. „Wir haben sogar vorgeschlagen, auf welche Weise Deutschland die Ukraine mit diesen Panzern versorgen kann“, sagte Schmyhal. Er könne aber keine Details nennen. Auf die Frage, ob er optimistisch sei, dass die Kampfpanzer am Ende geliefert werden, sagte Schmyhal: „Ich bin immer optimistisch.“
Scholz bestärkte Schmyhal in dessen Reformkurs mit Blick auf einen EU-Beitritt. Gerade Reformen im Bereich Rechtsstaatlichkeit und Justizsystem seien ebenso wichtig, um Investitionen für den Wiederaufbau anzulocken, heißt es in einer Erklärung. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten im Juni beschlossen, der Ukraine den EU-Kandidatenstatus zu verleihen. Von Berlin aus reist Schmyhal nach Brüssel weiter. Er führt dort unter anderem Gespräche mit EU-Vertretern.