Entlastungspaket: Wer profitiert – und wie schnell?
5. September 2022Das neue Entlastungspaket war mit Spannung erwartet worden. Ob es so „wuchtig“ ist wie angekündigt, wer wie schnell profitiert und wie gerecht die Entlastungen verteilt sind, analysiert Kirsten Girschick.
„Wuchtig“ solle das Entlastungspaket sein, hatte Finanzminister Christian Lindner angekündigt. Zumindest was das Volumen angeht, ist es das auch. Noch gestern wurde spekuliert, ob es mehr oder weniger als zehn Milliarden Euro umfassen würde – nun ist klar, es sind 65 Milliarden Euro. Das klingt viel, dennoch soll die Schuldenbremse im kommenden Jahr wieder eingehalten werden. Zielgerichtet und gerecht sollten die Entlastungen sein und schnell wirken.
Wie schnell wirkt das Paket?
Schnell geht zumindest die Energiepreispauschale für Rentnerinnen und Rentner – zum 1. Dezember bekommen alle jeweils 300 Euro, über die Rentenversicherung läuft das rasch und unbürokratisch.
Schwieriger wird es für Studierende – die sollen 200 Euro bekommen, aber der Zahlungsweg muss zusammen mit den Ländern noch gefunden werden.
Erst Anfang 2023 werden dagegen Kindergeld und Kinderzuschlag erhöht, das Bürgergeld eingeführt und das Wohngeld so reformiert, dass mehr Menschen Anspruch darauf haben und steigende Heizkosten dauerhaft abgefedert werden. Diese Wartezeit könnte für viele Menschen sehr lang sein.
Noch länger dauern könnte es bei den Entlastungen von steigenden Energiepreisen. Ein verbilligter Grundbedarf an Wärme soll erst mal durch eine Expertenkommission diskutiert werden.
Beim Strom soll das über eine Strompreisbremse gehen: Privathaushalte und kleine und mittelständische Unternehmen sollen für ihren Basisverbrauch an Strom einen vergünstigten Preis zahlen. Doch das soll erst kommen, wenn ein Teil der Gewinne der Stromkonzerne durch die sogenannte „Erlösobergrenze“ abgeschöpft wird.
Kommt jetzt doch die Übergewinnsteuer?
„Erlösobergrenze“ – das ist die Übergewinnsteuer mit anderem Namen. „Abschöpfung von Zufallsgewinnen“, wie es die Ampelspitzen nannten, klingt besser. Allerdings will die Bundesregierung nun zunächst eine mögliche Lösung auf europäischer Ebene abwarten, bevor sie selbst ins Strommarktdesign eingreift. Damit hofft sie auf eine rechtssichere Lösung außerhalb des Steuersystems. Aber bis dahin könnte vielen Haushalten und kleineren Betrieben die Luft ausgehen.
Wie gerecht ist das Paket?
Finanzminister Lindner wirbt auf Twitter damit, dass eine vierköpfige Familie mit 31.000 Euro Einkommen um 1500 Euro entlastet werde, bei 66.000 Euro seien es nur 1000 Euro. Die Maßnahmen kämen also auch bei der „arbeitenden Mitte“ an. Lindners Rechnungen sind nicht auf die Schnelle nachvollziehbar.
Kritik entzündet sich weiterhin daran, dass von der Anpassung des Einkommenssteuertarifs an die Inflation vor allem die oberen Einkommensgruppen profitieren. Die Entlastungen für Geringverdiener durch die Anhebung der Midi-Job-Grenze auf 2000 Euro werden grob geschätzt maximal 50 Euro im Monat bringen. Und die Erhöhung des Kindergelds beispielsweise wird bei Hartz-IV-Empfängern voll mit dem Regelsatz verrechnet, bringt also keine Entlastung.
Viele halten die Fortführung des 9-Euro-Tickets zum Preis von 49 bis 69 Euro für zu teuer für Menschen mit geringen Einkommen.
Koalitionsausschuss stellt drittes Entlastungspaket im Umfang von 65 Milliarden Euro vor
Wie wirksam wird das Paket sein?
Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung geht davon aus, dass die gestiegenen Energiepreise Deutschland 2023 mit rund 200 Milliarden Euro belasten. Das ist Geld, das Unternehmen und Verbraucher nicht für Konsum oder Investitionen ausgeben können. Das 65-Milliarden-Euro Paket würde zumindest einen Teil dieser fehlenden Nachfrage auffangen, sodass die Konjunktur gestützt wird.
Wie wird Unternehmen geholfen?
Kleinere Unternehmen sollen mit der Strompreisbremse entlastet werden. Energieintensive Unternehmen werden mit 1,7 Milliarden Euro entlastet. Zudem soll es weitere Bürgschaften und KfW-Hilfen geben und Erleichterungen beim Insolvenzrecht geschaffen werden. Der Mittelstand kritisiert allerdings, dass es keine kurzfristigen Nothilfen für existenzbedrohte Betriebe gebe.
Was ist mit dem Klimaschutz?
Die Erhöhung des CO2-Preises wird verschoben, das sorgt für Kritik von Klimaschützern. Auch die Pläne für Strom- oder Gaspreisdeckel werden von Klimaschützern wie Wirtschaftsvertretern gleichermaßen kritisiert – denn der Preis sei der wichtigste Anreiz zum Energiesparen.