Ukraine-Krieg und Energiekrise Erdogan wirft Westen Provokation vor
8. September 2022Während die EU-Kommission über eine Preisdeckelung für Importe von russischem Gas nachdenkt, bewertet der türkische Präsident Erdogan die westliche Politik als „Provokation“ Russlands – und zeigt Verständnis für Putin.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die politischen Reaktionen aus dem Westen rund um den Ukraine-Krieg und seine Folgen als „Provokation“ gegenüber Russland bezeichnet.
Bei einem Besuch in der serbischen Hauptstadt Belgrad sagte Erdogan: „Ich kann ganz offen sagen, dass ich die Haltung, die der Westen an den Tag legt, nicht für richtig halte.“ Es handle sich hier „um einen Westen, der eine auf Provokation basierende Politik verfolgt“.
„Wieso habt ihr euch das nicht früher überlegt?“
Weiter erklärte Erdogan, solange man sich bemühe, so einen Krieg „über Provokation zu führen“, werde es nicht möglich sein, zu einem Ergebnis zu gelangen.
Russland habe als Reaktion darauf das Erdgas abgedreht. Tatsächlich fließt aktuell weniger russisches Gas über die Pipeline nach Deutschland als eigentlich mit Russland vereinbart. Zu den westlichen Reaktionen auf die hohen Energiepreise sagte Erdogan:
Die Preise in Europa sind plötzlich angestiegen. Jetzt denken alle angestrengt darüber nach, wie sie diesen Winter überwinden sollen. Wieso habt ihr euch das nicht früher überlegt?
Erdogan: Westen liefert „nur Schrott“ in Ukraine
Gleichzeitig warf Erdogan dem Westen vor, die Ukraine nur mit „Schrott“ zu unterstützen. Er sagte: „Es wird behauptet, dass Waffen geschickt wurden. Jeden Schrott, den sie finden, schicken sie in die Ukraine.“
Damit zielt Erdogan offenbar auf die Ringtausche ab. Dabei werden modernere Waffensysteme an Staaten geliefert, die dafür etwa Panzer sowjetischer Bauart in die Ukraine senden. Einen solchen Deal gibt es aktuell zum Beispiel mit Tschechien. Ziel dieser Ringtausche ist es, die Ukraine möglichst schnell mit schweren Waffen sowjetischer Bauart zu versorgen. Diese können von ukrainischen Soldaten ohne Einweisung bedient werden.
Türkei will vermitteln
Die Türkei präsentiert sich im Krieg zwischen der Ukraine und Russland immer wieder als Vermittler, ohne für eine der beiden Seiten Partei zu ergreifen. Die Türkei pflegt sowohl zu Russland als auch zur Ukraine gute Beziehungen. So lieferte Ankara Kiew einerseits Militärdrohnen – schloss sich aber andererseits nicht den westlichen Sanktionen gegen Moskau an.
Als Türkei haben wir immer eine Politik des Gleichgewichts zwischen der Ukraine und Russland gepflegt, von nun an werden wir diese ausgewogene Politik weiter verfolgen.
In puncto Getreidelieferungen hatte sich diese Linie als nützlich erwiesen: So hatten Russland und die Ukraine unter Vermittlung der Türkei und den UN im Juli ein Abkommen zur Wiederaufnahme der ukrainischen Getreidelieferungen unterzeichnet. Zuvor waren die Lieferungen aufgrund des russischen Angriffskriegs und der Blockade ukrainischer Häfen monatelang gestoppt gewesen.
Europa Schuld an Energiekrise
Bereits am Dienstag hatte der türkische Staatspräsident „Europa“ die Schuld für die aktuelle Energiekrise gegeben. „Europa erntet, was es gesät hat“, hatte Erdogan gesagt.
Die gegen Russland verhängten Sanktionen hätten unweigerlich zu diesem Punkt geführt. „Putin setzt alle seine Mittel und Waffen ein. Erdgas ist das wichtigste davon.“ Erdogan folgte damit der Argumentation des Kreml.
Türkei und Russland wollen wirtschaftlich eng zusammenarbeiten
Während eines Treffens zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Erdogan im August in Sotschi am Schwarzen Meer hatten beide Länder ein Abkommen über eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit unter anderem bei Wirtschaft und Energie unterzeichnet. Erdogan wird Putin voraussichtlich nächste Woche bei einem Regionalgipfel in Usbekistan treffen.