Nach russischem Teilabzug – Selenskyj meldet Rückeroberung von Isjum
12. September 2022In seiner Videoansprache verkündete der Präsident, dass die strategisch wichtige Stadt wieder unter ukrainischer Kontrolle sei. In weiten Teilen der Ostukraine ist derweil der Strom ausgefallen.
Die ukrainische Armee hat nach den Worten von Präsident Wolodymyr Selenskyj die strategisch wichtige Stadt Isjum im Osten des Landes von den russischen Truppen zurückerobert. Die Armee habe „hunderte unserer Städte und Dörfer befreit“, zuletzt die Städte Isjum, Balaklija und Kupjansk, sagte Selenskyj am Sonntagabend in einer Videoansprache. Zuvor hatten die Behörden einen Stromausfall in weiten Teilen der Ostukraine gemeldet, Kiew machte russische Angriffe auf Infrastruktur für die Blackouts verantwortlich.
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Die ostukrainischen Regionen Charkiw und Donezk seien komplett ohne Strom, teilte der ukrainische Selenskyj auf Twitter mit. „Russische Terroristen bleiben Terroristen“, schrieb er dazu. Sie würden es nicht auf militärische Ziele absehen, sondern die Menschen in der Ukraine ohne Strom und Heizung zurücklassen.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Angriffe auf kritische Infrastruktur
Der Gouverneur der Region Charkiw erklärte, russische Angriffe auf „wichtige Infrastruktur“ hätten die Strom- und Wasserversorgung unterbrochen. Die Rettungsdienste arbeiten daran, die Brände an den getroffenen Orten unter Kontrolle zu bringen. Der Gouverneur der Region Dnipropetrowsk warf den russischen Truppen vor, „Energie-Infrastruktur“ angegriffen zu haben, um sich für ihre „Niederlage auf dem Schlachtfeld“ zu rächen. Sein Amtskollege in der der Region Sumy berichtete, mindestens 135 Städte und Dörfer seien von Stromausfällen betroffen.
Zwischenzeitlich gab es in der gesamten Ukraine Luftalarm. Teils berichteten Anwohner in sozialen Netzwerken von Explosionsgeräuschen. In Charkiw, wo russische Einheiten erst kurz zuvor abgezogen waren, schrieb der Bürgermeister der gleichnamigen Gebietshauptstadt Charkiw, Ihor Terechow, auf Telegram: „Das ist eine abscheuliche und zynische Rache des russischen Aggressors für die Erfolge unserer Armee.“
Gegenoffensive schreitet voran
Zuvor hatten die ukrainischen Truppen ihre Gegenoffensive im Nordosten sowie im Süden des Landes weiter vorangetrieben. Gouverneur Oleh Synjehubow teilte mit, mehr als 40 Orte in Charkiw seien wieder unter ukrainischer Kontrolle. Der ukrainische Militärchef Walerij Saluschnjy erklärte, seit Beginn der Gegenoffensive Anfang September seien etwa 3000 Quadratkilometer Land zurückerobert worden.
Zwei Drittel der zurückeroberten Gebiete seien in sehr kurzer Zeit wieder eingenommen worden, sagte der Sprecher des ukrainischen Generalstabs, Oleksandr Schtupun.
Rückeroberungen: wie Russland auf den ukrainischen Vormarsch reagiert
Russland gesteht Geländeverluste ein
Das russische Ministerium zeigte beim täglichen Briefing auf einer Karte den Umfang des Abzugs: Demnach kontrolliert die russische Armee nur noch einen kleinen Teil im Osten der Region östlich des Flusses Oskol. Beim Briefing am Vortag hatte die Karte noch ein weitaus größeres Gebiet als unter russischer Kontrolle stehend ausgewiesen.
Russen sollen sich auch aus Cherson zurückziehen
Nach ihrer Niederlage im ostukrainischen Gebiet Charkiw ziehen sich russische Truppen nach Angaben aus Kiew zufolge auch aus Teilen des südlichen Gebiets Cherson zurück. In einigen Orten hätten die Besatzer dort bereits ihre Positionen verlassen, teilte der ukrainische Generalstab mit. In der Stadt Nowa Kachowka hätten die russischen Soldaten ein Krankenhaus geräumt, um sich darin nun selbst zu verschanzen, hieß es weiter. Unabhängig überprüft werden können diese Angaben nicht.
Deutliche Kritik von russischem Verbündeten
Der dem Kreml treu ergebene tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow machte indes Fehler der russischen Militärführung für den Rückzug aus Charkiw verantwortlich: „Sie haben Fehler gemacht und ich glaube, sie werden die notwendigen Schlüsse ziehen“, erklärte er auf Telegram mit Blick auf die Militärführung.
„Wenn sie keine Änderungen an der Strategie der militärischen Spezialoperation innerhalb der nächsten ein, zwei Tage vornehmen, werde ich gezwungen sein, die Führung des Verteidigungsministeriums und die Führung des Landes zu kontaktieren, um die tatsächliche Lage vor Ort zu erklären“, schrieb Kadyrow weiter. Beobachter werteten seine Aussagen als Anzeichen möglicher Spannungen innerhalb der russischen Reihen.