Letzter Tag der Scheinreferenden Annexion schon am Freitag?
27. September 2022Heute ist der letzte Tag der Scheinreferenden in den von Russland besetzten ukrainischen Gebieten. Wie es danach weitergeht, ist unklar. Britische Geheimdienste gehen davon aus, dass Putin die Annexion schon am Freitag verkünden wird.
In den von russischen Truppen besetzten Gebieten in der Ukraine ist heute der letzte Tag, an dem die Scheinreferenden stattfinden, mit denen Russland versucht, sich die Regionen Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja einzuverleiben. Wie genau der Tag ablaufen soll und was danach folgt, ist unklar. In Berichten von Nachrichtenagenturen ist davon die Rede, dass die Scheinreferenden noch bis zum Nachmittag 15 Uhr MESZ laufen sollen. Erste angebliche Ergebnisse könnten von den Besatzungsbehörden noch am Abend vermeldet werden, berichtet die Nachrichtenagentur RIA.
Die Scheinreferenden – bei denen nach einem Beitritt der ukrainischen Gebiete zur Russischen Föderation gefragt wird – werden als Bruch des internationalen Völkerrechts kritisiert. Sie werden weltweit nicht anerkannt, weil sie unter Verletzung ukrainischer und internationaler Gesetze und ohne demokratische Mindeststandards abgehalten werden.
Androhung von Gewalt und Einschüchterung
Es wird damit gerechnet, dass die Zustimmung für einen Beitritt zur Russischen Föderation von den Besatzern mit 80 bis 90 Prozent angegeben wird. Laut russischen Angaben ist die Beteiligung hoch. Es gibt eine Reihe von Berichten, wonach die Stimmabgaben unter Androhung von Gewalt und Einschüchterung stattfinden. Vertreter der Besatzungsbehörden waren von Tür zu Tür gegangen, um Stimmen einzusammeln. Beobachtern zufolge wurden sie dabei häufig von bewaffneten russischen Kräften begleitet.
Nach Einschätzung britischer Geheimdienste könnte der russische Präsident Wladimir Putin am Freitag in einer Rede vor dem russischen Parlament die Annexion der Gebiete im Osten und Süden der Ukraine formell bekanntgeben. Die russische Führung wolle damit den Angriffskrieg vor der eigenen Bevölkerung rechtfertigen. Jegliche Ankündigung einer Einverleibung der Gebiete werde der Rechtfertigung von Russlands „spezieller Militäroperation“ in der Ukraine dienen und beabsichtige, die patriotische Unterstützung des Konfliktes zu festigen, heißt es in einem Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums.
Noch drei Millionen Einwohner?
Putin hatte vor Beginn der „Referenden“ betont, dass Rückeroberungsversuche von Gebieten nach einer Annexion als Angriff auf das eigene Staatsgebiet betrachtet würden. Daher würden sie auch „mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln“ verteidigt werden. Damit ist implizit der Einsatz von Atomwaffen gemeint.
Unklar ist, wie viele Menschen überhaupt noch in den betreffenden Regionen leben. Vor Beginn des Krieges waren es etwa acht Millionen. Viele von ihnen sind aber vor den Kämpfen geflohen. Der ukrainische Politologe Wolodomyr Sonjuk schätzt, dass in den besetzten Gebieten noch zwei bis drei Millionen Menschen sind, aber verlässliche Zahlen gibt es nicht.
Russische Reservisten „Kanonenfutter“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat unterdessen die vom Kreml angeordnete Teilmobilmachung als sinnlos und zynisch kritisiert. Der Schritt Russlands sei nichts anderes als ein „Versuch, Kommandeure vor Ort mit einem anhaltenden Strom von Kanonenfutter zu versorgen“, so Selenskyj.
Obwohl die Sinnlosigkeit des Krieges für Russland offenkundig sei und die Besatzer die Initiative verloren hätten, schicke die russische Militärführung nach wie vor Soldaten in ihren Tod. „Sie haben gefühlt, dass sie verlieren werden. Und sie versuchen einfach, diesen Moment hinauszuzögern, um zumindest etwas Aktivität an der Front zu haben“, sagte Selenskyj weiter in seiner täglichen Videoansprache.
Weiter Kämpfe im Donbass
Rund sieben Monate nach Kriegsbeginn hatte Putin am vergangenen Mittwoch eine Teilmobilmachung von Reservisten angeordnet. Seitdem herrscht vielerorts in Russland Entsetzen. Landesweit gibt es Proteste. Mehrfach gab es auch schon Angriffe auf Einberufungszentren.
Selenskyj verwies außerdem auf russische Versuche, die ukrainischen Verteidigungslinien im ostukrainischen Industriegebiet Donbass zu durchbrechen. Die vollständige Eroberung der Region gilt als ein Hauptziel von Moskaus Angriffskrieg. Laut Angaben der ukrainischen Miltärführung würden die eigenen Truppen die russischen Einheiten entlang der dortigen Frontlinie weiter in Schach halten.
Konfliktparteien als QuelleAngaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.