Nord-Stream-Pipelines Schweden meldet viertes Leck
29. September 2022Schwedens Küstenwache hat nach eigenen Angaben ein viertes Gasleck an den beschädigten Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee entdeckt. Das Loch sei ebenfalls diese Woche gefunden worden. Unterdessen geht die Suche nach dem Verursacher weiter.
An den Nord-Stream-Gaspipelines zwischen Russland und Deutschland ist in der Ostsee ein viertes Leck entdeckt worden. „Es gibt zwei Lecks auf schwedischem Gebiet und zwei auf dänischem“, erklärte ein Verantwortlicher der schwedischen Küstenwache gegenüber der Nachrichtenagentur AFP – die beiden Lecks auf schwedischem Gebiet lägen „nahe beieinander“. Das Loch sei ebenfalls diese Woche gefunden worden, zitierte die Zeitung „Svenska Dagbladet“ einen Sprecher der Küstenwache.
Beide Lecks „im selben Sektor“
Die schwedische Küstenwache machte zunächst keine genauen Angaben zur Lage des neu festgestellten Lecks und dazu, weshalb es erst jetzt entdeckt wurde. Beide Schadstellen in der schwedischem Wirtschaftszone befänden sich aber „im selben Sektor“ Schwedische Medien berichteten, dass sich das neu festgestellte Leck an der Pipeline Nord Stream 2 befinde. Die Küstenwache bestätigte diese Information jedoch zunächst nicht. Das andere Leck betraf Nord Stream 1.
An den russischen Nord-Stream-Pipelines waren Anfang der Woche innerhalb kurzer Zeit in dänischen und schwedischen Gewässern zunächst drei Lecks entdeckt worden. Seit Montag tritt Gas aus und sorgt für heftige Blasenbildungen im Meer.
Bislang waren drei Lecks an den Pipelines geortet worden.
Der „Tagesspiegel“ berichtet unter Verweis auf Regierungskreise, deutsche Sicherheitsbehörden würden davon ausgehen, dass die Röhren der Pipelines „für immer unbrauchbar“ sein werden. Wenn sie nicht schnell repariert würden, werde sehr viel Salzwasser einlaufen und die Pipelines korrodieren, so der „Tagesspiegel“.
Die genaue Ursache der Lecks ist weiterhin unklar. Westliche Sicherheitsexperten gehen aber von Sabotage aus.
EU-Innenkommissarin kündigt Belastungstest an
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson bezeichnete die mutmaßliche Sabotage an den Ostsee-Pipelines als Warnruf und kündigte einen Belastungstest für die kritische Infrastruktur in Europa an. „Wir (die EU-Kommission) werden uns jetzt an alle Mitgliedstaaten wenden und wir werden einen Belastungstest durchführen in Bezug auf die kritische Infrastruktur“, sagte die Schwedin am Mittwochabend im ZDF-„heute journal“.
Angesichts der Lecks in den Pipelines sprach sie von einem „Anschlag“, der eine „Eskalation“ und „eine Bedrohung“ sei. „Soweit ich es beurteilen kann, ist es ein sehr intelligenter Anschlag, der nicht verübt worden sein kann von einer normalen Gruppe von Menschen“, sagte die Kommissarin. Das Risiko sei groß, dass ein Staat dahinterstehe. „Wir haben natürlich einen Verdacht. Aber es ist zu früh, das abschließend zu beurteilen.“
Terrorexperte: Urheber ist vermutlich ein Staat
Terrorexperte Peter Neumann sagte in den tagesthemen, er gehe davon aus, dass ein Staat der Urheber sei und kein nicht-staatlicher Akteur wie etwa eine Terrororganisation. „Es ist eine Operation, die ziemlich viel Sachverstand, Expertise und Vorbereitung gehabt hat“, so Neumann.
Zu der Frage, ob Russland dahinter stecken könnte, sagte er: „Man könnte erstmal fragen: Warum sollte Russland diese Pipeline zerstören, es will uns ja Gas verkaufen?“ Es gebe aber schon Argumente, die dafür sprächen. Der Energiemarkt werde noch chaotischer, die Preise gingen noch weiter nach oben.
Außerdem gebe es eine psychologische Konsequenz, so Neumann. Jeder in Europa frage sich jetzt, was mit den anderen Pipelines passieren könne, durch die tatsächlich Öl oder Gas fließe. „Die Verunsicherung in Europa ist heute größer denn je, und die Ursache dafür ist dieser Anschlag“, so Neumann. Das sei durchaus in Russlands Interesse.
Kreml beschuldigt die USA
Der Kreml hatte am Mittwoch Spekulationen über eine russische Beteiligung an der Beschädigung der Pipelines als „dumm und absurd“ zurückgewiesen. Die Lecks seien für Moskau „ziemlich problematisch“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Die russische Generalstaatsanwaltschaft leitete derweil nach eigenen Angaben ein Verfahren wegen internationalen Terrorismus ein. Moskau begründete den Schritt damit, dass mit der Beschädigung der Pipelines „Russland erheblicher wirtschaftlicher Schaden zugefügt“ worden sei.
Zuvor hatte die Sprecherin des russischen Außenministeriums angedeutet, US-Präsident Joe Biden könnte eine Sabotage der Pipelines Nord Stream 1 und Nord Stream 2 angeordnet haben. „Der US-Präsident muss auf die Frage antworten, ob die USA ihre Drohung umgesetzt haben“, schrieb Maria Sacharowa im Onlinedienst Telegram. Sacharowa verwies dabei auf Äußerungen Bidens im Februar bei einem Washington-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz. Biden hatte mehrere Wochen vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gewarnt, sollte Russland im Nachbarland einmarschieren, „dann wird es kein Nord Stream 2 mehr geben“. Das „verspreche“ er, betonte der Präsident, ohne nähere Angaben zu machen.
USA: Vorwürfe sind „lächerlich“
Die Vorwürfe, sie könnte hinter dem Sabotageakt stehen, wies die US-Regierung als „lächerlich“ zurück. „Wir alle wissen, dass Russland eine lange Geschichte der Verbreitung von Falschinformationen hat“, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, Adrienne Watson.