Energieknappheit – Mehrere Stadtwerke weisen Kunden ab

Energieknappheit – Mehrere Stadtwerke weisen Kunden ab

25. Oktober 2022 Aus Von ...Susanne Kimmpert
Stand: 25.10.2022 10:46 Uhr

In der Krise wollen viele Menschen ihren Energieanbieter wechseln – viele Stadtwerke sind den Anfragen aber nicht mehr gewachsen. Einige lehnen neue Kunden ab oder gewähren Bestandskunden keine Anschlussverträge mehr.

Viele Kunden wechseln derzeit ihren Gasanbieter – entweder weil sie müssen oder weil sie aufgrund der extremen Energie-Preissteigerungen ein günstigeres Angebot gesucht und gefunden haben. Die Versorger in Deutschland stellt dieser Zustrom an neuen Kunden vor große Probleme.

Derzeit können mehrere Stadtwerke keine Neukunden mehr aufnehmen oder lassen Verträge mit Kunden, die nicht in ihrem Versorgungsgebiet wohnen, auslaufen, wie ein Sprecher des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) erklärte. “Das gilt für die Gasversorgung außerhalb der Grundversorgung.” Innerhalb der Grundversorgung sei dagegen eine Beschränkung auf Bestandskunden und eine Ablehnung von Neukunden gesetzlich nicht möglich, so der VKU-Sprecher.

Eine Hochspannungsleitung überquert den Ort Urbar. | picture alliance/dpa

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Stabilisierungsmaßnahmen für Stadtwerke

Jeder Haushaltsbewohner in Deutschland hat laut dem Energiewirtschaftsgesetz das Recht auf eine Grundversorgung mit Strom (Niederspannung) und Gas (Niederdruck). Als Grundversorger gilt nach dem Energiewirtschaftsgesetz jeweils das Energieunternehmen, das in einer Region die meisten Haushaltskunden mit Strom beziehungsweise Gas beliefert. Meist handelt es sich dabei um die örtlichen Stadtwerke oder Flächennetzbetreiber.

Kommunal- und Energieverbände hatten zuletzt in einem gemeinsamen Appell auf die durch die Energiekrise verursachten Probleme der Versorger hingewiesen und staatliche Unterstützung für die Unternehmen gefordert. Da sich die Situation weiter zuspitze, brauche es Stabilisierungsmaßnahmen für Stadtwerke und weitere regionale Energieversorger, die in allen Bundesländern zugänglich sind und im Ernstfall Hilfen anbieten, hieß es in einem Brief an die Ministerpräsidenten.

In dem Schreiben hatten die Spitzenverbände auch auf den Kundenzustrom verwiesen, der dazu führe, dass die Grundversorger ungeplant mehr Energie beschaffen müssten – trotz des extremen Preisniveaus. “So nachvollziehbar die Idee vieler Menschen ist, sich aus Sorge vor den steigenden Preisen in die Grundversorgung fallen zu lassen, so schwierig ist dieses Unterfangen für die Stadtwerke”, sagte der VKU-Sprecher.

Fokus auf Bestandskunden

So seien nicht nur die Beschaffungspreise stark nach oben gegangen, sondern auch der Zwischenfinanzierungsaufwand steige, hieß es weiter. Das ist die Summe, mit der Stadtwerke die Zeit vom Einkauf bis zum Weiterkauf an ihre Kunden und bis zur Erhöhung der Abschläge überbrücken müssten. “Beides zusammen erhöht den Liquiditätsbedarf der Stadtwerke. Das beeinträchtigt wiederum die Möglichkeit, Kundenanfragen nach Strom und Gas zu bedienen”, erklärte der Sprecher.

Denn die Vor- und Zwischenfinanzierungslast erhöhe sich mit den zu beschaffenden Gasmengen. Die Folge sei, dass sich immer mehr Stadtwerke auf die Versorgung ihrer Bestandskunden konzentrierten, so der VKU-Vertreter. “Sie schränken das Neukundengeschäft ein, und auch Anschlussverträge stehen in Frage.” Ende September etwa hatten die Stadtwerke Flensburg mitgeteilt, Kunden, die nicht in Schleswig-Holstein leben, künftig nicht mehr mit Gas zu versorgen. Betroffen davon sind rund 45.000 Privatkunden, der Großteil der Verträge läuft Ende November aus.

Auch wenn Kunden ihre Rechnung nicht mehr zahlen können, hat das laut VKU Folgen für die Versorger: “Zahlungsausfälle von mehr als zehn Prozent können das Eigenkapital der Stadtwerke aufzehren und sie in Liquiditätsnöte bringen.”

Ein Mitarbeiter der Stadtwerke Kiel führt an den Leitungen des Gaspeichers der Stadtwerke Messungen durch.  | picture alliance/dpa

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Wechsel von Discountanbietern zu Stadtwerken – zu höheren Preisen

Auch der in München ansässige Stadtwerkeverbund Thüga spricht von einer unerwartet großen Anzahl an Neukunden, die von Discountanbietern im Rahmen der “Ersatzversorgung” aufgenommen werden müssten. “Sicher ist, dass kein Kunde von einem Grundversorger abgewiesen wird, sondern die Stadtwerke und kommunalen Versorger ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen und auch in Krisenzeiten die Energiekundinnen und -kunden sicher und zuverlässig versorgen”, sagte ein Thüga-Sprecher.

Allerdings müssten sich vor allem Neukunden auf höhere Preise einstellen. Derzeit liefen immer mehr der langfristig ausgehandelten und im Vergleich zu den aktuellen Bedingungen noch relativ günstigen Bezugsverträge für Erdgas aus. Neue Verträge hätten zu wesentlich höheren Preisen abgeschlossen werden müssen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband hatte zuletzt zwar über eine Vervielfachung der Beratungszahlen von Gas- und Stromkunden berichtet. Spezielle Schwierigkeiten bei einem Anbieterwechsel seien aber derzeit kein Thema in den Beratungsgesprächen, sagte eine Sprecherin.

Ein Sprecher des Vergleichsportals Verivox erklärte, die Einschränkungen beim Neukundengeschäft seien schon seit Beginn der Energiekrise nicht nur ein Thema von Stadtwerken, sondern auch anderen Anbietern. “Wir sehen schon, dass der Wettbewerb dadurch eingeschränkt ist”, sagte der Sprecher. Angesichts der extremen Preisunterschiede nutzten derzeit viele Menschen das Portal, um sich über die Preise der Anbieter zu informieren.

Messinsturmente zeigen den Leitungsdruck von Rohrleitungen des Gaspeichers der Stadtwerke Kiel an (Archivbild).  | dpa

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Keine Angebote mehr für Unternehmen

Anders als private Haushalte und sehr kleine Unternehmen hätten größere und mittlere Betriebe dagegen keinen Anspruch auf Ersatz durch Grundversorger, so DIHK-Präsident Peter Adrian. “Wir brauchen daher dringend eine Ersatzversorgung auch für Betriebe sowie eine Liquiditätssicherung für die Energieversorger.”

Die Sicherheitsleistungen hätten analog zu den Börsenpreisen so astronomische Höhen erreicht, dass Stadtwerke und andere Lieferanten ihren Kunden keine Angebote für die Belieferung mit Strom und Gas mehr machen können, so Adrian. “Wir brauchen daher schnell einen staatlichen Garantierahmen wie bei der Finanzkrise.”

Der DIHK-Präsident warnte weiter: “Quer durch die Branchen erreichen uns täglich Hilferufe von Unternehmen, die für das kommende Jahr keinen Energieversorgungsvertrag mehr bekommen. Wenn hier keine Lösung gefunden wird, stehen zum Jahreswechsel Teile unserer Wirtschaft still.”