Wirbel um Schwesig-Aussage zur Gaspreise-Bremse
3. November 2022Viel Ankündigung – wenig Entscheidung. Im Beschlusspapier von Bund und Ländern demonstriert die Politik erneut vor allem eines: Einigkeit, dass bei den Winterhilfen etwas passieren muss. Der Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern dauert das zu lange. Kritik gibt es auch einer Aussage von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD).
Es sollte der große Wurf der Politik sein, um Bürger und Wirtschaft in der Energiekrise zu entlasten. Bund und Länder haben sich gestern auf die Übernahme des Gasabschlags im Dezember, den Stromdeckel zum 1. Januar, die Gaspreisbremse und das 49-Euro-Ticket verständigt. Ministerpräsidentin Schwesig feierte die Verabredungen, die schon lange feststanden, gestern in der Landesvertretung in Berlin als „gute Nachrichten“.
Februar-Termin alles andere als sicher
Die Regierungschefin ließ aufhorchen, als sie mit Blick auf das Kernstück der Winterhilfen sagte: „Und dann kommt die Gaspreis-Bremse im Februar.“ Im gemeinsamen Beschlusspapier von Bund und Ländern ist von diesem Termin allerdings keine Rede. Dort heißt es: „Die Gaspreisbremse wird wie von den Expertinnen und Experten vorgeschlagen zum 1. März 2023 eingeführt. Eine Rückwirkung zum 1. Februar 2023 wird angestrebt.“ Anders als Schwesig es darstellte, ist der Februar-Termin alles andere als sicher.
CDU verweist auf „Winterlücke“
Darauf verweist auch der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, Sebastian Ehlers. Es sei höchst bedenklich, wie sich Schwesig äußere. „Die Menschen sind stark verunsichert und da erwarte ich von einer Ministerpräsidentin, dass sie bei der Wahrheit bleibt und keine falschen Hoffnungen weckt“, sagte Ehlers. Immerhin hätten auch die Energieunternehmen große Zweifel, dass eine frühe Gaspreisbremse zu schaffen ist.
Ansonsten wiederholte Ehlers die Grundkritik der Union: Die „Winterlücke“ bleibe bestehen, wenn die Gaspreisbremse erst zum 1. März komme. Das sei für viele „deutlich zu spät“. Ungeduldig wird auch die Wirtschaft im Land. Die Eckdaten würden jetzt vorliegen, so Sven Müller, Geschäftsführer bei der Vereinigung der Unternehmensverbände. Allerdings müssten die Entlastungen „schnell ins Laufen kommen“, damit Bürger und Unternehmen wissen, woran sie sind. Auch Müller spricht von „Unsicherheiten, die schnellstmöglich abgebaut werden müssen“.
Landtags-SPD zufrieden
Jubel kommt dagegen aus der Landtags-SPD. Fraktionschef Julian Barlen reklamierte die Ergebnisse als eigene Erfolge. „Das gemeinsame und unnachgiebige Eintreten Mecklenburg-Vorpommerns für umfassende Hilfen in allen Bereichen des privaten und öffentlichen Lebens hat sich gelohnt“, lässt sich der Sozialdemokrat in einer Pressemitteilung zitieren. Und er legte noch nach: „Wir haben uns mit Ministerpräsidentin Manuela Schwesig seit Monaten beharrlich für konkrete Hilfen eingesetzt. Das zahlt sich nun aus.“
Wie genau, das lässt Barlen in seiner Pressemitteilung offen. Er räumte eher kleinlaut ein: „Details müssen noch ausgearbeitet werden“. Bekanntlich steckt da ja oft der Teufel drin. Auch Schwesig relativierte am Ende ihrer Pressekonferenz, es gehe jetzt darum, die Verabredungen schnell und unkompliziert umzusetzen. „Das wird auch kein einfacher Weg sein“, meinte die Regierungschefin.
Caritas vollkommen enttäuscht
Vollkommen enttäuscht zeigte sich Eva Maria Welskop-Deffaa von der Caritas, sie ist Mitglied in der Expertenkommission „Gas und Wärme“. Im Deutschlandfunk sagte sie, es sei gestern „eigentlich fast gar nichts beschlossen worden“ – auch nicht zu den Hilfe- und Härtefall-Fonds, die wichtig seien, um soziale Gerechtigkeit zu erhöhen. „Und dazu hat man gestern gar nichts verabredet, außer, dass sich die Fachminister jetzt darum kümmern sollen, noch nicht mal mit Terminen.“
Offene Fragen bei vielen Details
Barlen kündigte allerdings ein „Landesenergiefonds“ an, für alle, die trotz der „verschiedenen Hilfen finanziell durch die Krise bedroht“ seien. Ähnliche Hilfen hatte Schwesig mehr oder weniger im Alleingang und unabgestimmt bereits vor einem Monat angekündigt. Offen ist nach den Verabredungen zwischen Bund und Länder weiter, wie Menschen entlastet werden, die mit Öl oder Holzpellets heizen.
Offene Fragen gibt es auch beim gestern beschlossenen 49-Euro-Ticket, dem sogenannten Deutschlandticket als Nachfolger des 9-Euro-Tickets. Verkehrsminister Reinhard Meyer (SPD) meinte, Detailfragen müssten zügig besprochen werden. Es geht dabei ums Geld. Das Land hofft auf Hilfen des Bundes, um gerade auf dem Land mehr Busse fahren zu lassen. Denn, meinte nicht nur Minister Meyer, was nütze ein 49-Euro-Ticket ohne ein passendes Angebot. Ähnlich sieht es der Geschäftsführer des Städte- und Gemeindetags, Andreas Wellmann. Ein reduzierter Ticketpreis allein reiche nicht aus. Bus und Bahn müssten verlässlich und gut erreichbar sein und außerdem regelmäßig fahren. Von einem „Schritt in die richtige Richtung“ spricht der Landesverband von Pro-Bahn. Für Pendler zwischen Berlin und Hamburg sei das Ticket durchaus eine finanzielle Entlastung, so der Landesvorsitzende des Interessenverbands Marcel Drews. Er sieht allerdings Verbesserungsbedarf bei Streckenangebot, Taktung und Reisezeiten. Unterdessen hat Finanzminister Heiko Geue (SPD) nachrechnen lassen, wie viel das Land zum 49-Euro-Ticket dazuschießen müsste: Es sind laut Finanzministerium 25 Millionen Euro im Jahr.