Krieg Tag 260 Sa 12.11.2022 ++ Kuleba bereit zu Dialog mit Lawrow ++
12. November 2022Der ukrainische Außenminister Kuleba signalisiert, dass er zu einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Lawrow auf dem ASEAN-Gipfel bereit sei. Die Ukraine bittet die ASEAN-Länder um Unterstützung.
- Kuleba bereit zu Treffen mit Lawrow
- Ukrainische Truppen stabilisieren neue Stellungen in Cherson
- Russische Besatzer verlegen Chersoner Verwaltungszentrum
- Erdogan will sich um Friedensdialog bemühen
- UN melden Fortschritte bei Verhandlungen um Zukunft von Getreidedeal
- Ukraine fordert von ASEAN-Ländern Hilfe
- London: Rückzug aus Cherson ist großer Imageschaden für Russland
13:57 Uhr
Banksy bekennt sich zu Werk auf zerstörtem Haus
Banksy hat sich mutmaßlich in der Ukraine verewigt. Auf seinem Instagram-Kanal veröffentlichte der Streetart-Künstler Fotos, die im stark verwüsteten Kiewer Vorort Borodjanka aufgenommen worden sein sollen. Das Bild zeigt auf der grauen Wand eines kriegszerstörten Hauses ein Mädchen, das scheinbar auf Trümmern einen Handstand macht. „Borodjanka, Ukraine“ lautet der Begleittext.
Borodjanka war kurz nach Beginn des Kriegs von russischen Truppen erobert worden. Im April konnten ukrainische Einheiten die Siedlung befreien. Die Ukraine wift russischen Truppen vor, sie hätten dort Gräuel wie Morde, Entführungen, Folter und Vergewaltigungen begangen.
Ukrainische Truppen stabilisieren neue Stellungen in Cherson
Ukrainische Truppen haben am westlichen Ufer des Dnipros „Stabilisierungsmaßnahmen“ ausgeführt, wie der ukrainische Generalstab mitteilte. Russische Einheiten bauten am Ostufer ihre Stellungen aus. Von der südlichen Region Cherson sind weiter 70 Prozent unter russischer Kontrolle. Die Menschen in der gleichnamigen Regionalhauptstadt am Westufer hatten in der Nacht ausgelassen das Ende der achtmonatigen russischen Besatzung gefeiert.
Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte ein seiner nächtlichen Videobotschaft: „Auch wenn die Stadt noch nicht völlig von der Präsenz des Feindes gereinigt ist, beseitigen die Menschen in Cherson selbst bereits russische Symbole und jede Spur des Aufenthalts der Besatzer von Straßen und Gebäuden.“ In sozialen Medien wurden Fotos geteilt, die Einwohner bei der Beseitigung von Gedenkplaketten und russischen Symbolen zeigten.
Blinken sichert Ukraine weitere Unterstützung zu
Die USA haben der Ukraine im Krieg mit Russland dauerhafte Unterstützung zugesagt. Bei einem Treffen mit seinem ukrainischen Amtskollegen Dmytro Kuleba am Rande des ASEAN-Gipfels in der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh sagte US-Außenminister Antony Blinken, die Erfolge um Cherson seien ein weiteres Zeugnis für den bemerkenswerten Mut der Streitkräfte und der Volkes der Ukraine wie auch für die starke Unterstützung durch die USA und die Welt.
Die sicherheitstechnische, humanitäre und wirtschaftliche Hilfe werde „solange wie nötig“ fortgesetzt. Blinken übte scharfe Kritik an Russland, dass die Ukraine weiter „brutal behandelt“ – besonders mit seiner gezielten Kampagne, um die Energieinfrastruktur zu zerstören: „Alles, was notwendig ist, um Licht zu haben, Menschen im Winter warmzuhalten.“
Die Angriffe hätten schreckliche Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung überall in der Ukraine. Die USA seien entschlossen, der Ukraine zu helfen, die kritische Infrastruktur zu verteidigen und zu ersetzen und zu reparieren, sagte Blinken.
Russische Besatzer verlegen Chersoner Verwaltungszentrum
Die russischen Besatzer haben ihr Chersoner Verwaltungszentrum auf den noch von ihnen kontrollierten Teil des gleichnamigen Gebiets verlegt. Ein großer Teil der russischen Administration sei bereits in die Stadt Henitschesk umgesiedelt worden, meldeten Russlands staatliche Nachrichtenagenturen unter Berufung auf einen Sprecher der Chersoner Besatzungsverwaltung. Henitschesk liegt ganz im Südosten von Cherson am Asowschen Meer und nur wenige Dutzende Kilometer von der Schwarzmeer-Halbinsel Krim entfernt, die Moskau bereits 2014 annektiert hat.
Erdogan bemüht sich um Friedensdialog
Die Türkei will sich um einen Friedensdialog zwischen Russland und der Ukraine zu bemühen. Dies sagte Präsident Tayyip Erdogan, wie türkische Medien berichteten. „Wir arbeiten daran, hier einen Friedenskorridor zu schaffen, so wie wir den Getreidekorridor hatten“, wurde Erdogan auf einem Flug von Usbekistan zu Reportern zitiert, während er Russlands Widerstand gegen den Druck der Vereinigten Staaten und seiner Verbündeten lobte.
Kuleba signalisiert Bereitschaft zu Treffen mit Lawrow
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba würde nach eigenen Angaben ein Treffen mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow in Betracht ziehen, sollte dieser eines nachfragen. Die Gelegenheit dazu bestünde beim ASEAN-Gipfel in Phnom Penh, zu dem sowohl Kuleba als auch Lawrow angereist sind.
Kuleba sagte in der kambodschanischen Hauptstadt allerdings auch, Russland habe Gespräche bislang nur als „Deckmantel für seine fortgesetzte Aggression“ benutzt. „Die Ukraine wird siegen, es ist nur eine Frage der Zeit und des Preises“, sagte er. „Und ja, einige Erfolge sind militärisch erzielt worden, aber einige Erfolge der Ukraine werden diplomatisch erreicht werden.“
Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete. Bild: ISW/11.11.2022
EU-Kommission billigt deutsche Übernahme von Gazprom-Tochter
Die EU-Kommission hat die Verstaatlichung einer deutschen Tochter des russischen Energiekonzerns Gazprom gebilligt. Die Brüsseler Behörde stimmte Beihilfemaßnahmen für Gazprom Germania von 225,6 Millionen Euro zu. Damit kann die Bundesregierung die Firma, die inzwischen Securing Energy for Europe (Sefe) heißt und unter Treuhänderschaft der Bundesnetzagentur steht, komplett übernehmen.
Nach Angaben der Kommission folgt die Maßnahme den Regeln des befristeten Krisenrahmens, wonach Unternehmen in der Energiekrise Hilfen erhalten können, wenn privates Geld nicht ausreicht. Sefe habe nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hohe Verluste erlitten. Das Unternehmen sei mit einem Anteil von 14 Prozent am deutschen Gasversorgungsmarkt und 28 der Gasspeicherkapazität für Deutschland ein systemrelevantes Energieunternehmen.
London: Rückzug aus Cherson ist großer Imageschaden für Russland
Die Rückeroberung der südukrainischen Großstadt Cherson durch ukrainische Truppen bedeutet nach britischer Einschätzung einen erheblichen Imageschaden für Russland. „Der Rückzug ist eine öffentliche Anerkennung der Schwierigkeiten, mit denen die russischen Streitkräfte am Westufer des Flusses Dnipro konfrontiert sind“, kommentierte das Verteidigungsministerium in London.
Ressortchef Ben Wallace sprach von „einem weiteren strategischen Versagen“. Die russische Einnahme von Cherson zu Kriegsbeginn sei das einzige Mal gewesen, dass Russland ein wichtiges Ziel erreicht habe. Wenn die Stadt nun wieder aufgegeben werde, würden sich die Menschen in Russland mehr und mehr die Frage stellen, wozu der Krieg gut sei.
Kuleba: Lawrow hat auf Asean-Gipfel nicht um Treffen gebeten
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba fordert die ASEAN-Staaten auf, Russlands „Hungerspiele“ in Bezug auf das auslaufende Getreideabkommen zu stoppen. Kuleba sagt auf einer Pressekonferenz am Rande des ASEAN-Gipfels in Kambodscha, sein Amtskollege Sergej Lawrow habe nicht um ein Treffen mit ihm gebeten. Die Ukraine strebt eine Erweiterung des Getreideexportabkommens im Schwarzen Meer auf weitere Häfen und Waren an. Zudem hofft die Regierung in Kiew, dass in der kommenden Woche eine Entscheidung zur Verlängerung der Übereinkunft um mindestens ein Jahr getroffen wird. Das Abkommen läuft am 19. November aus.
Moskau hat bereits angedeutet, es nicht zu verlängern, wenn auf seine Bedenken nicht eingegangen wird. Im Oktober hatten die Russen das Abkommen bereits für mehrere Tage einseitig ausgesetzt.
UN melden Fortschritte bei Verhandlungen um Zukunft von Getreidedeal
Im Ringen um eine Verlängerung des Abkommens zum Export von ukrainischen und russischen Agrargütern haben die Vereinten Nationen Fortschritte bei Verhandlungen mit Moskau gemeldet. Der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffiths und Rebecy Grynspan, die Generalsekretärin der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung, hätten eine russische Delegation um Vize-Außenminister Sergej Werschinin in Genf über Schritte unterrichtet, wie russischen Kritikpunkten an der Umsetzung der Vereinbarung begegnet werden solle, sagte UN-Sprecherin Stephanie Tremblay. Russische Diplomaten beklagten im Vorfeld, dass es Probleme bei der Finanzierung und Versicherung von Schiffen für Getreide- und Düngemittelausfuhren sowie bei der Suche nach Häfen gebe, in denen russische Schiffe anlegen können.
Ukraine erringt laut USA „außergewöhnlichen Sieg“ in Cherson
Nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der ukrainischen Stadt Cherson haben die USA von einem „außergewöhnlichen Sieg“ für Kiew gesprochen. „Es sieht so aus, als hätten die Ukrainer gerade einen außergewöhnlichen Sieg errungen, bei dem die einzige Regionalhauptstadt, die Russland in diesem Krieg erobert hat, nun wieder unter ukrainischer Flagge steht“, sagte der Nationale Sicherheitsberater, Jake Sullivan, am Samstag gegenüber Reportern bei einer Reise mit US-Präsident Joe Biden in Kambodscha. Dies sei „bemerkenswert“. Sullivan sagte, der russische Rückzug habe „umfassendere strategische Auswirkungen“. Dazu gehöre, dass sich die längerfristige Bedrohung anderer südukrainischer Städte wie Odessa durch Russland verringere. Dieser große Moment sei der „unglaublichen Hartnäckigkeit und dem Geschick der Ukrainer zu verdanken“. Er verwies aber auch auf die Unterstützung der USA und anderer Staaten.