Entscheidung im Bundesrat Stoppt die Union das Bürgergeld?
14. November 2022Bürgergeld statt Hartz IV, so stellt es sich die Ampel vor. Den Bundestag passierte das Gesetz schon – heute ist der Bundesrat dran. Doch hier droht ein Stopp durch die unionsgeführten Länder. Und dann?
Es ist das Lieblingsargument der Union: Mit dem neuen Bürgergeld sei es möglich, dass Arbeitslose am Ende des Monats mehr Geld in der Tasche hätten als Menschen mit einem Job.
„Es ist ganz entscheidend, dass klar sein muss, dass der, der arbeitet, mehr hat als der derjenige, der nicht arbeitet“, bringt es Bayerns Ministerpräsident Markus Söder am Sonntagabend im Bericht aus Berlin der ARD auf den Punkt.
Also lohnt es sich finanziell, nicht zu arbeiten und stattdessen Bürgergeld zu kassieren? „Ich erlaube mir die Bemerkung: Quatsch! Das ist wirklich vollständiger Quatsch“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz am Freitagabend auf einer Veranstaltung des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
„Es muss klar sein, dass der, der arbeitet, mehr hat“, CSU-Chef Markus Söder
„Arbeit lohnt sich immer“
Seit Wochen streiten Regierung und Opposition darüber. Und seit Wochen ist bekannt, dass beide Seiten mit anderen Zahlen, anderen Rechenbeispielen argumentieren, die nicht ohne weiteres vergleichbar sind. SPD-Chefin Saskia Esken meint: „Arbeit lohnt sich immer.“ Vor allem wenn man an ergänzende und aufstockende Sozialleistungen denke. Die bekomme man man bei geringem Lohn.
Als Beispiel nennt Esken das Wohngeld, das ab dem neuen Jahr im Schnitt verdoppelt wird: „Ich wundere mich, dass in der Union ein Menschenbild verbreitet ist, dass jeder die Neigung hat, faul auf dem Sofa zu sitzen. Das ist nicht meine Haltung.“
Die Ampelkoalition setzt mehr auf Vertrauen, vor allem im ersten halben Jahr, in dem ein Mensch Bürgergeld bekommt. Empfängern soll nur geringfügig die Leistung gekürzt werden, wenn sie zum Beispiel Termine beim Jobcenter verpassen. Außerdem sieht das Gesetz vor, dass Bezieher bis zu 60.000 Euro Vermögen haben dürfen, das nicht angetastet wird.
Union wird Zustimmung wohl verweigern
CDU-Chef Friedrich Merz spricht in der „Welt am Sonntag“ von einem vollständigen Systemwechsel in der Arbeitsmarktpolitik. Kompromisse hält er für schwierig. Wie Söder. Der stellt schon klar, Bayern werde nicht zustimmen. Andere Länder mit Unionsbeteiligung in der Regierung deuten Ähnliches für die heutige Sondersitzung des Bundesrats an.
Das Bürgergeld droht also erst einmal zu scheitern, das Gesetz ginge dann in einen Vermittlungsausschuss. „Das sind wir die letzten 16 Jahre nicht mehr gewohnt, dass der oft zusammenkommt“, sagt Scholz. Grund: Union und SPD hätten meistens zusammen regiert. Das sei bei der jetzigen Regierungskonstellation anders. Nun gibt es eben vielleicht mal wieder einen Vermittlungsausschuss.
„Können über alles reden“
„Da können wir natürlich über alles reden, man kann in der Demokratie sowieso über alles reden“, findet der FDP-Sozialpolitiker Johannes Vogel ebenfalls im Bericht aus Berlin. Er zeigt sich offen für ein Vermittlungsverfahren. Stellt aber auch klar: „Was in meinen Augen nicht passieren darf, ist, dass wenn Selbstständige in die Grundsicherung fallen, ins Bürgergeld, dass sie als erstes ihre Altersvorsorge aufbrauchen müssen.“
Das Schonvermögen muss für ihn also bleiben. SPD-Chefin Esken zeigt sich in zentralen Punkten ebenso wenig kompromissbereit: „Diese neue Kultur, wo es um Nachhaltigkeit geht, wo es auch um Respekt geht, da sind wir nicht bereit drüber zu sprechen.“
Die Zeit drängt. Liegt bis Ende November kein Kompromiss auf dem Tisch, kann das Bürgergeld nicht wie geplant zum neuen Jahr starten.