Friedhöfe in MV: Bestattungskultur ändert sich weiter
20. November 2022Auf den Friedhöfen in MV werden die freien Flächen zwischen den Gräbern weiter. Immer mehr Urnen werden auch im Wald, in Kirchen und auf See bestattet. Das Bild vom Friedhof ändert sich.
Immer mehr Urnenbestattungen, weniger Familiengräber – die Bestattungskultur in MV ändert sich. Und das stellt die Friedhöfe im Land vor neue Probleme. Für Friedhofs-Chef Sebastian Schröder in Neubrandenburg wird das beim Rundgang über den Neuen Friedhof deutlich: Immer mehr Grünflächen, Grabsteine mit weiten Abständen zueinander. „Im vergangenen Jahr hatten wir 851 Bestattungen. Fast alle waren Urnenbeisetzungen“, sagt der 41-Jährige. So viele Beisetzungen gab es noch nie auf dem Friedhof und deshalb liegt immer mehr Fläche sozusagen brach. Denn Urnengräber brauchen viel weniger Platz.
Herausforderungen für Bestattungskultur
Das sei optisch anspruchsvoll, koste natürlich aber auch Geld. Da Friedhöfe kostendeckend arbeiten müssten, wirke sich das natürlich auch auf die Gebühren aus. Schröder erlernte den Beruf des Friedhofgärtners von der Pike an auf dem Neuen Friedhof in Neubrandenburg. Dass die Bestattungskultur sich wesentlich verändert, stellt auch ihn vor neue Herausforderungen.
Auf den Dörfern gibt es mehr Familiengräber
Da kaum noch Familiengräber angelegt werden, verschwindet auch ein Stück Friedhofskultur. Neubrandenburg ist deshalb zum Beispiel wie andere Städte in Mecklenburg-Vorpommern der Charta zur Friedhofskultur beigetreten. Anlass war das 100-jährige Jubiläum des „Neuen Friedhofs“. Ändern werde das an den Tendenzen der Bestattungskultur nichts, ist sich Schröder sicher. Und die Bestatterin Gabriele Wolgast aus Waren pflichtet ihm bei. Hauptgrund sei, „dass kaum einer planen kann, was in den nächsten 20 bis 30 Jahren, so lange würde eine Familiengrabstelle laufen, mit der Familie passiert. Ob noch jemand da ist, der die Pflege übernehmen könnte, ob die Kinder wegziehen oder wer diese Arbeit dann die gesamte Zeit über machen soll. Ein zweiter Punkt ist der finanzielle Aspekt bei einer Beisetzung. Durch die stets steigenden Kosten, den Wegfall des Sterbegeldes und die finanzielle Unsicherheit in der heutigen Zeit hat kaum jemand das Geld eine große luxuriöse Bestattung auszurichten.“ Hinzu kämen weitere Aspekte wie immer kleinere Haushalte und Familienverbände, die sich geografisch immer weiter voneinander entfernen würden.
Laut Gesetz: Friedhofszwang und Verbot der Ascheteilung
Die Tendenz im Land bestätigt das. Rund 85 Prozent aller Beisetzungen finden als Feuerbestattungen statt. Auf dem Lande gebe es noch häufiger Erdbestattungen als in den Städten, erklärt Schröder. Von den neuen Bestattungsformen profitiert zum Beispiel auch die Landesforst. In den Ruheforsten an der Müritz, am Schweriner See und auf Rügen hat sich die Zahl der Waldbestattungen von 2010 zu 2020 verdreifacht. Am Schweriner See waren es 2020 zum Beispiel 193. Die Wald- und Seebestattungen würden etwa 15 Prozent aller Urnenbestattungen ausmachen, schätzen Bestatter.
Kirch Stück bestattet auch in einem Kolumbarium
Hinzu kommen neue Möglichkeiten wie in Kirch Stück bei Schwerin, wo in einer Kapelle ein Kolumbarium entstanden ist. Dort werden Urnen in Vitrinen aufbewahrt. Weitere Lockerungen sind allerdings nicht zu erwarten. Gesetzlich hat der Landtag 2021 festgeschrieben, dass der Friedhofszwang weiterhin bestehen wird. Ascheteilung bleibt illegal. Wer sich also aus der Asche eines Verstorbenen im Ausland ein Schmuckstück anfertigen lässt, macht sich strafbar.
Mehr als 60 Grabsteine stehen unter Denkmalschutz
Was sich kaum verändere, sei die Kultur der Trauerfeiern. Etwa 85 Prozent aller Beisetzungen gehe eine Feier in der 100 Gäste fassenden Trauerhalle voraus, traditionell mit Trauerrede und Musik, schätzt Schröder ein. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Pflege der unter Denkmalschutz stehenden Grabsteine. Sie gehören überwiegend zu Familiengräbern. Auf dem „Neuen Friedhof“ wurden zum Beispiel der Kaufmann Hellmuth Usedom und der Pferdehändler Ludwig Sumpke beigesetzt. Beide prägten das städtische Leben ihrer Generationen mit. Ihre Geschichten hat Helmut Borth in seinem Buch „Gärten der Erinnerung“ aufgeschrieben. Der Journalist und Autor wirft aber auch einen kritischen Blick auf diese Grabsteine, die oft einen gepflegten, aber einsamen und verlassenen Eindruck machen. „Um sie lesbar zu machen, sollte man den Besuchern auch Informationen an die Hand geben“, fordert Borth in seinem Buch. Für ihn selbst entstand daraus die Motivation, weitere 17 Geschichten zu bergen, die sich hinter diesen Steinen verstecken. Sie sollen noch vor Weihnachten in einem weiteren Buch zu lesen sein. Den Titel hat Borth schon verraten: „Stadtbekannt“.