NNRW besonders betroffen – Grundsteuer-Schock: Wo es schon 2023 teurer wird – und wer verschont bleibt
28. Dezember 2022Gerade geht die Teuerung etwas zurück, da kommt auf die Deutschen schon der nächste Preis-Schock zu: Viele Kommunen erhöhen schon jetzt Gebühren und vor allem die Sätze für die Grundsteuer. Wo der Aufschrei besonders laut sein wird – und wer verschont bleibt.
Gehässige Menschen sagen gern, dass in Deutschlands Behörden nicht nur Einsen, sondern auch Nullen arbeiten. Aber dass man bei Inflationsraten von zeitweise zehn Prozent in diesem Jahr auf Gebührenerhöhungen von teilweise 100 Prozent kommt – das ist dann doch ein Rechenspiel der besonderen Sorte.
Ein Beispiel dafür ist das Falschparken in Berlin, dessen Strafen massiv steigen sollen – eben bis hin zur Verdopplung. Anders als die Steigerung der Gebühren für die Stadtreinigung ist das noch nicht final beschlossen. Berlin gibt den Trend vor: Die Kommunen brauchen dringend Geld und holen es sich von den Bürgern.
Grundsteuer: Schon jetzt drehen Kommunen an den Hebesätzen
Jetzt hat der Bund der Steuerzahler nachgerechnet und sorgt mit seinen Erkenntnissen bei Millionen Hausbesitzern für einen Schock: Neben der Erhöhung etlicher Gebühren drehen die Kommunen vor allem an den Sätzen für Grund- und Gewerbesteuer – obwohl diese ab 2025 ohnehin neu festgesetzt wird, weswegen alle Immobilienbesitzer in diesem Jahr eine umfangreiche Erklärung abgeben mussten.
Allein schon deshalb ist die Grundsteuer derzeit ein hochemotionales Thema. Es gibt noch keinen deutschlandweiten Überblick, denn kommunale Steuern werden üblicherweise mit den Haushalten beraten und beschlossen, was in vielen Fällen noch aussteht. Aber klar ist, dass quer durch Deutschland etliche Kommunen diesen Weg zur Refinanzierung gehen. Und das trifft nicht nur die Eigentümer, sondern auch Mieter, weil die Last mit der Nebenkostenabrechnung umgelegt wird.
„In gut 60 Prozent aller NRW-Städte und -Gemeinden könnte nächstes Jahr die Grundsteuer teurer werden“
Vor allem in Nordrhein-Westfalen befürchtet der Bund der Steuerzahler umfangreiche Erhöhungen: „In gut 60 Prozent aller NRW-Städte und -Gemeinden könnte nächstes Jahr die Grundsteuer teurer werden“, warnt der Interessenverband. Hintergrund der Aussage ist, dass der NRW-Landtag am 20. Dezember das Gemeindefinanzierungsgesetz 2023 beschlossen hat und darin die Grundlagen ebnete für umfangreiche Anhebungen.
Ähnlich sieht es in Rheinland-Pfalz aus. Hier werden nicht zuletzt die sogenannten Nivellierungssätze für die Grundsteuern und die Gewerbesteuer erhöht, an denen sich die meisten Gemeinden orientieren.
Auch in Hessen geht es zur Sache – um ein paar Beispiele zu nennen: Die Kommune Oberursel erhöht die Grundsteuer B von 750 auf 947 Punkte. Lampertheim im Kreis Bergstraße steigert die Grundsteuer B von 460 auf 580 Punkte und die Grundsteuer A – die Landwirte und Forstbetriebe zahlen – von 330 auf 430 Punkte.
Im Hochtaunuskreis wachsen Grundsteuer A und B von 450 auf 595 Punkte und die Gewerbesteuer von 357 auf 400 Punkte. Das sind enorme Sprünge, doch nicht alle kommen mit ihren Plänen durch: Die Gemeinde Hohenstein im Rheingau-Taunus-Kreis wollte die Grundsteuer B von 735 auf 1135 Punkte und die Gewerbesteuer von 380 auf 500 Punkte steigen lassen, doch das wurde vom hiesigen Gemeindeparlament abgelehnt.
Wo die Kommunen die Grundsteuer nicht erhöhen können, ziehen viele andere Gebühren nach oben
Auch für Niedersachsen geht der Bund der Steuerzahler von steigenden Sätzen für Grund- und Gewerbesteuer aus. Zudem hat die Beratungsfirma EY in einer Umfrage ermittelt, dass dies 35 Prozent der Kommunen im Land planen – darunter auch die Landeshauptstadt Hannover mit einem Sprung von 600 auf 700 Prozent ab 1. Januar 2024.
In Mecklenburg-Vorpommern müssen sich die Bürger in Rostock, Ribnitz-Damgarten und Neubukow auf höhere Lasten einstellen. Nur aus Hamburg , Baden-Württemberg , Bayern , dem Saarland und Schleswig-Holstein sind bisher keine nennenswerten Meldungen im Hinblick auf Grundsteuererhöhungen bekannt.
In den übrigen Bundesländern gibt es punktuelle Fälle. Wo die Kommunen die Grundsteuer nicht erhöhen können, ziehen viele andere Gebühren nach oben: Mal wird die Hundesteuer angehoben. Mal steigen die Kita-Gebühren, mal die für Müll, Straßenreinigung und Abwasser, Zweitwohnungsteuer, Bettensteuer. Die Liste ließe sich fortführen.
Wie die Kommunen ihre Maßnahmen begründen
Doch nicht nur, dass die Kommunen Grundsteuer und Gebühren erhöhen: Viele kürzen währenddessen die städtischen Leistungen. Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, begründete diese ungute Maßnahmen-Melange mit der schlechten Finanzsituation der Kommunen in 2022 und im nächsten Jahr: „Die Lage ist dramatisch“, sagte er dem „Handelsblatt“.
Konkret für die Grund- und die Gewerbesteuer sagte Landsberg vor Weihnachten allenfalls moderate Anpassungen voraus – was so gar nicht zu den Berechnungen vom Steuerzahlerbund passt: „Die Kommunen wissen um die schwierige Situation der Wirtschaft, und es ist ihnen auch bewusst, dass die Bürgerinnen und Bürger unter der Inflation leiden. Daher ist mit einer dramatischen Erhöhung von Grund- und Gewerbesteuer nicht zu rechnen“.
Angesichts des befürchteten Rückgangs der Steuereinnahmen nehme der Investitionsrückstand, der jetzt schon knapp 160 Milliarden Euro beträgt, weiter zu. „Gleichzeitig wird die Erwartung der Bürgerinnen und Bürger an die kommunale Daseinsvorsorge, etwa für mehr Kitaplätze, für bessere Schulen oder für einen günstigeren öffentlichen Personennahverkehr, den Druck auf die Kommunen erhöhen.“
Hauptgrund für die schwierige finanzielle Situation vieler Kommunen sind laut eigener Aussage die Energiekosten, die bekanntlich stark gestiegen sind. Es gehe um zusätzliche Milliardenbelastungen und das mache die Haushaltsplanungen sehr schwierig. Auch die Personalkosten dürften erheblich steigen – schließlich leiden auch die Angestellten der öffentlichen Hand sowie die Beamten unter der Teuerung und verlangen einen Ausgleich.
Die nächste Tarifrunde steht im Frühjahr an. Dass die Kommunen laut der Statistischen Ämter zum Jahresende 2021 mit 300 Milliarden Euro verschuldet gewesen sind und dafür nun höhere Zinsen zahlen müssen, verschlimmert die Lage.
Fratzscher: „Die Kommunen benötigen deutlich höhere direkte Hilfen von Bund und Ländern“
Landsberg deutet eine weitere Reduktion von Leistungen an: „Das kann für den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in der Grundschule gelten, aber auch für viele andere Bereiche, etwa bei notwendigen Investitionen in Straßen, Verkehr, Infrastruktur und Bildungseinrichtungen“, erläuterte er. „Zeitenwende in der Politik bedeutet auch eine Zeitenwende vor Ort.“
Landsberg betonte jedoch: Wenn die Abgaben der Bürger steigen, müssen die Kommunen auch mehr für sie ausgeben – sonst seien Erhöhungen gar nicht zulässig. „Deswegen werden sich etwaige Gebührenerhöhungen an den tatsächlichen Kosten und damit auch an der Inflation orientieren.“ Zusätzlich werden die Finanzzuweisungen der Länder an die Kommunen eher sinken als steigen, weil auch die Länder sparen müssen.
Landsberg bekommt Unterstützung von Marcel Fratzscher, dem Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW): „Die Kommunen benötigen deutlich höhere direkte Hilfen von Bund und Ländern, um zusätzliche Ausgaben in dieser Krise stemmen zu können, vor allem für Soziales und für die Infrastruktur.“
Es brauche eine „komplette Entschuldung aller Kommunen“ von Bund und Ländern. „Denn es sind vor allem die finanzstarken Kommunen, die häufig durch ihren hohen Anteil an energieintensiven Industrien besonders stark vom Ausbau erneuerbarer Energien profitieren“, sagte der DIW-Chef. „Und es sind häufig die finanzschwächeren Kommunen, die den stärksten Ausbau erneuerbarer Energien und die damit verbundenen Belastungen schultern, ohne dafür adäquat kompensiert zu werden.“