Bürgergeld statt Hartz IV: Die wichtigsten Fragen und Antworten

Bürgergeld statt Hartz IV: Die wichtigsten Fragen und Antworten

2. Januar 2023 Aus Von mvp-web
Stand: 30.12.2022 05:00 Uhr

Seit dem 1. Januar 2023 gibt es in Deutschland das Bürgergeld. Es löst das Arbeitslosengeld II, auch bekannt als Hartz IV, und das Sozialgeld ab. Laut Bundesregierung soll staatliche Hilfe somit bürgernäher, unbürokratischer und zielgerichteter werden.

Mehr Gerechtigkeit, mehr Teilhabe, weniger Bürokratie: Das verspricht sich die Bundesregierung von der Sozialreform. Zustimmung kommt von Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin Stefanie Drese (SPD): „Ich bin überzeugt davon, mit dem Bürgergeld stellen wir die Grundsicherung auf neue Beine.“ Sie verspricht sich eine „neue Vertrauenskultur“ zwischen Arbeitsämtern und Menschen, die Arbeit suchen. Skepsis kommt dagegen von der CDU und der AfD in Mecklenburg-Vorpommern. Das Bürgergeld setze falsche Anreize und sei ungerecht den Menschen gegenüber, die im Niedriglohnsektor arbeiten, hieß es aus den Fraktionen.

Das Bürgergeld wird in zwei Schritten umgesetzt: zum 1. Januar und zum 1. Juli 2023. Wie genau das funktioniert, inwiefern es sich vom Arbeitslosengeld II unterscheidet und was es zu beachten gibt, erfahren Sie hier in unseren Fragen und Antworten.

Was ist das Bürgergeld?

Das Bürgergeld soll Menschen, die grundsätzlich erwerbsfähig sind, aber ihren Lebensunterhalt nicht alleine decken können, ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ zusichern, so das Bundesarbeitsministerium. Es soll auch eine Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben ermöglichen. Unter anderem löst es das Arbeitslosengeld II, auch bekannt als Hartz IV, und Sozialgeld ab.

Wer bekommt das Bürgergeld?

Grundsätzlich ist es für Menschen gedacht, die ihren Lebensunterhalt nicht alleine decken können. Mögliche Gründe können zum Beispiel sein, wenn jemand seine Arbeit verliert, sein Geschäft schließen muss oder eine lange bzw. chronische Krankheit hat. Anspruch haben demnach:

  • Menschen, die bisher Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatten (sie müssen keinen neuen Antrag stellen)
  • Menschen, deren Leistungen nach dem Arbeitslosengeld I auslaufen
  • Erwerbstätige ab 15 Jahren
  • Hilfebedürftige unter 15 und über 65 Jahren

Was ist der Unterschied zu Arbeitslosengeld II bzw. Hartz IV?

Die Regelsätze liegen beim Bürgergeld höher als beim Arbeitslosengeld II. Es gibt also mehr Geld. Während der sogenannten Karenzzeit im ersten Jahr des Bürgergeldbezugs übernimmt der Bund die Mietkosten und einen Teil der Heizkosten. Außerdem können Arbeitsuchende mehr von ihrem Ersparten behalten als bisher. Wer sich weiterbilden oder -qualifizieren will, bekommt dafür Unterstützung, dafür ist der sogenannte Vermittlungsvorrang aufgehoben. Sanktionen erfolgen künftig nach einem dreistufigen System.

Wer bekommt wie viel Geld?

Das Bürgergeld ist in sechs Regelbedarfsstufen unterteilt. Daraus ergeben sich die monatlichen Beträge (und die Differenz zum Arbeitslosengeld II):

1. Alleinstehende: 502 Euro (+53 Euro)
2. Verheiratete und nicht-verheiratete Paare pro Person: 451 Euro (+47 Euro)
3. Erwachsene in Einrichtungen (nach SGB XII): 402 Euro (+42 Euro)
4. Junge Erwachsene unter 25, im Haushalt der Eltern und ohne Arbeit: 402 Euro (+42 Euro)
5. Jugendliche von 14 bis 17 Jahren: 420 Euro (+44 Euro) + 20 Euro Kindersofortzuschlag bis zur Einführung einer Kindergrundsicherung
6. Kinder von 6 bis 13 Jahren: 348 Euro (+37 Euro) + 20 Euro Kindersofortzuschlag bis zur Einführung einer Kindergrundsicherung
7. Kinder von 0 bis 5 Jahren: 318 Euro (+33 Euro) + 20 Euro Kindersofortzuschlag bis zur Einführung einer Kindergrundsicherung

Für Kinder können außerdem Kosten für Schulausflüge, Klassenfahrten, Mittagessen, Nahverkehr und Nachhilfe übernommen werden. Zudem gibt es weiterhin die Möglichkeit, Mehrbedarfe zu beantragen, zum Beispiel für Schwangere. Außerdem werden während der Karenzzeit, also im ersten Jahr des Bezugs, die Wohnkosten übernommen.

Inwiefern berücksichtigt das Bürgergeld das Vermögen und Einkommen?

Für das erste Jahr gilt eine Karenzzeit. In der müssen Menschen, die Bürgergeld bekommen, ihr Vermögen bis zu einer Höhe von 40.000 Euro nicht antasten – plus 15.000 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied. Nach dieser Karenzzeit gilt ein Freibetrag von maximal 15.000 Euro für die Ersparnisse. Anlagen für die Alterssicherung werden dabei zum Teil nicht berücksichtigt. Ab 1. Juli gilt außerdem: Wer zusätzlich zum Bürgergeld einen Verdienst zwischen 520 und 1.000 Euro hat, kann davon 30 Prozent (statt bisher 20 Prozent) behalten. Schülerinnen und Schüler aus Familien, die Bürgergeld bekommen, können ihr Einkommen aus Minijobs (bis zu 520 Euro) behalten. Aufwandsentschädigungen aus ehrenamtlichen Tätigkeiten werden nicht mehr als Einkommen berücksichtigt, solange sie den jährlichen Freibetrag von 3.000 Euro nicht überschreiten. Junge Erwachsene müssen für Überzahlungen, die während ihrer Minderjährigkeit eingetretenen sind, nur noch haften, wenn sie den Vermögensfreibetrag von 15.000 Euro überschreiten. Ansonsten sind sie für zu viel bezogene Leistungen nicht verantwortlich.

Inwiefern berücksichtigt das Bürgergeld die Wohnsituation?

Während des ersten Jahrs des Bürgergeldbezugs, der sogenannten Karenzzeit, muss niemand in eine kleinere Wohnung umziehen. In der Zeit werden die Mietkosten für die Wohnung oder das Eigenheim übernommen. Auch die Heizkosten werden „in angemessenem Umfang“ gezahlt. Wie viel das ist, legt die jeweilige Kommune fest.

Was ändert sich hinsichtlich Qualifizierungen und Weiterbildungen?

Zusätzlich zum Bürgergeld gibt es 150 Euro pro Monat, wenn jemand einen Berufsabschluss nachholt oder 75 Euro für andere Weiterbildungsmaßnahmen.

Was ist ein Kooperationsplan?

Ab Juli stellen die Jobcenter gemeinsam mit den Antragstellenden ein Kooperationsplan auf. Darin werden die nächsten Schritte zu einem neuen Arbeitsplatz festgesetzt. Der Kooperationsplan enthält, anders als die bisherige Eingliederungsvereinbarung, keine Rechtsfolgenbelehrungen. Er kann daher auch per Brief oder E-Mail ausgetauscht werden. Sollte es zu Problemen rund um den Kooperationsplan kommen, werden Schlichtungsverfahren angeboten.

Welche Sanktionen gibt es?

Sanktionen erfolgen ab sofort nach einem Drei-Stufen-System. Sie treten bei sogenannten Pflichtverletzungen in Kraft, zum Beispiel, wenn ein – nach Einschätzung des Jobcenters – zumutbares Arbeitsangebot abgelehnt wird. Beim ersten Verstoß wird der Regelsatz um 10 Prozent für einen Monat gemindert, beim zweiten Verstoß um 20 Prozent für zwei Monate und beim dritten Verstoß um 30 Prozent für drei Monate.

Wo beantrage ich das Bürgergeld?

Wie auch das Arbeitslosengeld II kann man das Bürgergeld im örtlichen Jobcenter beantragen. Außerdem ist es digital zugänglich. Wer bereits Arbeitslosengeld bezieht, muss keinen neuen Antrag für stellen, um zum Bürgergeld zu wechseln.

Was bedeutet die Bagatellgrenze von 50 Euro für Rückforderungen?

Nach bisherigem Recht mussten die Jobcenter Geldrückforderungen grundsätzlich geltend machen. Bei geringen Rückforderungen konnte der Verwaltungsaufwand allerdings höher sein als die Erstattungsforderung selbst. Deshalb wurde zur Verwaltungsvereinfachung eine sogenannte Bagatellgrenze eingeführt: Wenn eine Bedarfsgemeinschaft weniger als 50 Euro zu viel erhalten hat, entfällt die Rückzahlung. So will das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Anzahl der Bescheide reduzieren und Bürokratie abbauen.

Wo bekomme ich weitere Informationen?

Grundsätzlich beraten die örtlichen Jobcenter zum Thema Bürgergeld. Online gibt es Informationen beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales und auf der Internetseite der Jobcenter.