Verkehrspolitik Warum die Ampel über das Auto streitet
15. Februar 2023Berlin hat gezeigt: Verkehrspolitik kann Wahlen entscheiden. Auch in der Ampel wird darüber gestritten. Was als sachliche Diskussion über Planungsbeschleunigung begann, wird immer mehr zur Grundsatzfrage.
Es ist üblich, dass Parteien versuchen, Schlüsse aus Landtagswahlen zu ziehen. Was kam beim Wahlvolk an und was überhaupt nicht? All das wird besprochen. Besonders viel Raum dürfte nach der Landtagswahl in der Hauptstadt das Auto einnehmen. Vor allem die Berliner CDU setzte auf den stockenden Verkehr als Wahlkampfschlager – und gewann deutlich.
Und so nutzte FDP-Chef Christian Lindner die erste sich bietende Gelegenheit, um der Öffentlichkeit mitzuteilen, wo seine Partei in dieser Diskussion steht: „Eine Politik gegen das Auto ist ganz offensichtlich nicht im Interesse der Menschen.“
Lindner sagt diesen Satz nicht einfach so und schon gar nicht zufällig. Prognosen des Bundesverkehrsministers Volker Wissing, ebenfalls FDP, untermauern die Bedeutung der Straße. Laut einer aktuellen Umfrage sei nur jeder fünfte Deutsche bereit, den eigenen Pkw weniger zu nutzen. „Schiene ist wichtig, Fahrrad ist wichtig, Wasserstraße ist wichtig. Ein zentraler Verkehrsträger ist aber auch die Straße“, sagt Lindner.
Erkennbare Unterschiede
Es ist förmlich zu spüren, an wen sich Lindners Sätze richten. Seit Monaten streiten Grüne und FDP in der Bundesregierung über die Frage, wie schnell Verkehrswege in Deutschland künftig geplant und gebaut werden sollen. Die anfangs sachlich geführte Diskussion hat längst das Potential, zum handfesten Koalitionsstreit zu werden.
Das weiß auch die SPD – setzt wie ihre Co-Vorsitzende Saskia Esken aber bisher eher auf Diplomatie statt auf klare Ansagen. „Ich will auch noch mal ganz deutlich sagen, dass es in so einer Dreierkonstellation wichtig ist, dass jeder Partner sein Profil zeigen kann, sein Profil nicht bis zur Unkenntlichkeit verstecken muss. Weil auch im Sinne der Demokratie Unterschiede zwischen Parteien erkennbar sein müssen“, so Esken.
Auch die Grünen stützen ihre Argumente auf Zahlen. Nur legen sie ihren Fokus eben auf andere. Sie konzentrieren sich auf die Klimaschutzziele – und die seien eben mit einem Weiter-so im Verkehrssektor nicht zu erreichen. Sie drängen daher auf die Verkehrswende. Je mehr Menschen von der Straße auf die Schiene wechseln, desto besser.
Daran würde auch das Unbehagen der Liberalen nichts ändern, erklärt Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang. „Es geht darum, dass wir Verkehrspolitik so gestalten, dass sie nicht gleich aussieht in Stadt und Land. Die Verkehrswende wird in Berlin anders aussehen als in Schwäbisch Gmünd“, sagt Lang. „Aber sie muss zwei Parameter erfüllen. Erstens: Dass wir vielen Menschen Teilhabe ermöglichen. Zweitens: Die Klimaziele einhalten. Da nehmen wir auch die Koalitionspartner in die Verantwortung.“
Eine Frage der Prioritäten
Welche Rolle spielt das Auto in der Ampel? Der Koalitionsvertrag könnte darauf Antworten geben. Doch die verschriftlichte Grundlage des gemeinsamen Regierens entpuppt sich in den Kapiteln über Verkehr eher als grundsätzlich. Ambitionierte Allgemeinplätze reihen sich aneinander und lassen für jede Partei ausreichend Interpretationsspielraum. Was während der Koalitionsverhandlungen politisch clever war, um zueinander zu finden, entpuppt sich nun als Problem.
Natürlich sind die Grünen nicht per se gegen Straßen. Genau so wenig wollen die Liberalen Verbrenner bis in alle Ewigkeit über Deutschlands Straßen fahren lassen. Im Kern geht es lediglich darum, welche Verkehrsvorhaben mit welcher Priorität geplant und gebaut werden sollen.
Die Arbeitsebene verlassen
Nur in diesem Punkt herrscht Uneinigkeit. Die Grünen sehen Bau und Planung von Straßen und Autobahnen nicht im überragenden öffentlichen Interesse, die FDP schon. Doch auch wenn es im Kern um Sachfragen geht, eignet sich das Thema offenbar bestens, um grundsätzlich zu werden und anderslautende Meinungen als Ideologie abzutun. Eine hektische Öffentlichkeit bietet dafür das perfekte Biotop.
Auch deswegen hat der sogenannte „Streit um die Straße“ die Arbeitsebene mittlerweile verlassen. Bisher versuchten sich Verkehrsminister Wissing und Umweltministerin Steffi Lemke an einer Lösung. Doch das wollte nicht gelingen – und so wanderte die Angelegenheit eine Etage nach oben. Dort sitzen Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Lindner. Sie suchen nun nach einem Kompromiss. Einem Kompromiss, der keinen als Verlierer zurücklässt.