Krieg Tag 374 Sa 04.03.2023 ++ Metsola plädiert für Kampfjetlieferungen ++
4. März 2023EU-Parlamentspräsidentin Metsola drängt bei ihrem Besuch in Lwiw darauf, die Waffenlieferungen an die Ukraine auszuweiten. Russlands Verteidigungsminister Schoigu ist offenbar in das Kriegsgebiet im Donbas gereist.
- Metsola rät, Kampfjetlieferungen zu erwägen
- Verteidigungsminister Schoigu besucht russische Truppen
- Kanzler Scholz in Washington: Besuch bei Freunden
- Weiter heftige Kämpfe um Bachmut
20:47 Uhr
Bewohner von Butscha erinnern an acht exekutierte Männer
Verwandte, Freunde und Nachbarn haben in Butscha an acht vor einem Jahr getötete Verteidiger der ukrainischen Stadt erinnert. Einige hatten Blumen in den Händen, andere Tränen in den Augen, als sie sich vor dem Gebäude versammelten, vor dem die Leichen der acht Männer gefunden worden waren. Auch eine Reporterin der der Nachrichtenagentur AP war vor Ort. Nach ukrainischen Angaben hatten die acht Männer eine Straßensperre aufgebaut, um die damals auf Kiew vorrückenden Russen aufzuhalten. Sie wurden demnach aber gefangen genommen und exekutiert. Ihre Leichen lagen einen Monat lang vor dem Gebäude auf der Jablunska-Straße. Erst im April nach dem Abzug der Russen konnten ihre Angehörigen sie von dort holen.
In Butscha wurden damals mehrere Massengräber mit toten Ukrainern entdeckt. Der Vorort von Kiew gilt als eines der schlimmsten Beispiele für mutmaßliche Kriegsverbrechen der russischen Besatzer.
IEA-Chef sieht Russland als Energielieferant dauerhaft geschwächt
Nach der Abkehr des Westens von russischem Öl und Gas sieht der Chef der Internationalen Energieagentur (IEA), Fatih Birol, Russland dauerhaft geschwächt. „Russland hat die Energieschlacht verloren“, sagte Birol der französischen Zeitung „Libération“. Die Öl- und Gasexporte seien seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine um 40 Prozent zurückgegangen. Und das sei erst der Anfang, denn die russischen Öl- und Gasfelder seien technisch und geologisch komplex. Sie benötigten die technologische Unterstützung internationaler Experten. „Diese haben sich jedoch aus Russland zurückgezogen.“ Da die Felder nicht die notwendige technologische Unterstützung erhielten, werde die Förderung mittelfristig zurückgehen.
Russland könne Europa als einst größten Abnehmer nicht einfach durch Asien ersetzen, sagte der IEA-Chef. „Mit Energie zu handeln ist nicht dasselbe wie Zwiebeln zu verkaufen. Wenn Sie von einem Tag auf den anderen Ihren größten Kunden verlieren, müssen Sie andere finden, um das zu kompensieren, aber Sie brauchen auch eine neue Infrastruktur, um die Energie zu transportieren.“ Es werde Jahre dauern, um Pipelines von Westsibirien nach China zu bauen.
17:24 Uhr
Kiew bedankt sich für humanitäre Hilfe aus Saudi-Arabien
Die Ukraine hat laut eigenen Angaben aus Kiew Hilfsgüter im Wert von 100 Millionen Dollar (94 Millionen Euro) aus Saudi-Arabien erhalten. „Unter den Hilfsgütern waren 135 leistungsfähige Generatoren mit 20 bis 400 Kilowatt Leistung, Wärmedecken und Hygienemittel“, schrieb der Leiter des ukrainischen Präsidialbüros, Andrij Jermak, auf seinem Telegram-Kanal. Kiew sei sehr dankbar für die Hilfe. Jermak zufolge wurden die humanitären Güter mit drei Transportflugzeugen ins Land gebracht. Sie sollen nun in sechs ukrainische Regionen verteilt werden und dort Tausenden Menschen zugute kommen. „Die humanitäre Hilfe ist Zeichen der Solidarität und Unterstützung, die zwischen unseren Staaten besteht“, so Jermak.
16:32 Uhr
Medienbericht über weitere Panzer-Anfrage in der Schweiz
Der Rüstungskonzern Rheinmetall will einem Schweizer Zeitungsbericht zufolge Panzer des Typs „Leopard 1“ von dem Schweizer Rüstungsunternehmen Ruag kaufen. Es gehe um 96 gebrauchte und nicht einsatzbereite Panzer, die Ruag 2016 in Italien gekauft habe, berichtete die Zeitung „Tages-Anzeiger“. Die Fahrzeuge befänden sich auch noch in Italien. „Rheinmetall wollte die Fahrzeuge kaufen und hat dabei transparent gemacht, dass sie nach ihrer Aufbereitung in die Ukraine geliefert werden sollen“, zitierte die Zeitung eine Ruag-Sprecherin. Ruag habe beim Schweizer Staatssekretariat für Wirtschaft um eine unverbindliche Vorabklärung gebeten, diese sei aber abgelehnt worden. Weder von Ruag noch von Rheinmetall waren zunächst Stellungnahmen zu erhalten.
Am Freitag war bekanntgeworden, dass Deutschland der Schweiz eingemottete „Leopard-2“-Kampfpanzer abkaufen will. Die Panzer sollen nicht an die Ukraine weitergeleitet werden, sondern in Deutschland oder anderen NATO- und EU-Staaten bleiben, hieß es in einem Brief von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius und Wirtschaftsminister Robert Habeck an die Schweizer Verteidigungsministerin Viola Amherd. Damit würden Lücken geschlossen, die durch die Abgabe von Panzern an die Ukraine entstehen.
Medwedjew droht mit Beschuss von Rheinmetall-Panzerfabrik
Der russische Ex-Präsident Dmitri Medwedjew hat aggressiv-sarkastisch auf den Vorschlag von Rheinmetall reagiert, eine Panzerfabrik in der Ukraine zu bauen. Die Initiative sei wohl eine Art „primitives Trolling“ gegenüber der Staatsführung in Kiew, schrieb er auf seinem Telegram-Kanal.
„Wenn die Fritzen aber entscheiden, dort tatsächlich zu bauen (obwohl sie eigentlich pragmatische Leute sind), dann warten wir sehnlich. Das Ereignis wird mit gebührendem Salut aus ‚Kalibr‘ und anderen pyrotechnischen Anlagen begangen“, drohte er.
13:19 Uhr
Metsola rät, Kampfjetlieferungen zu erwägen
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola dringt auf eine Ausweitung der Waffenlieferungen an die ukrainischen Streitkräfte. „Die Mitgliedstaaten sollten ernsthaft erwägen, Kampfflugzeuge in die Ukraine zu schicken“, sagte Metsola am Rande ihres Besuchs in der westukrainischen Großstadt Lwiw. Sie werde weiterhin dazu auffordern, alles an Ausrüstung bereitzustellen, was die Ukraine für einen Sieg benötige. Mit Blick auf das Streben der Ukraine in die Europäische Union sagte Metsola, sie hoffe, dass die Beitrittsverhandlungen bereits in diesem Jahr beginnen könnten. Das Tempo, mit dem das Land Fortschritte mache, beeindrucke sie.
Kranzniederlegung Metsolas in Lwiw
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola hat bei einem Besuch in der westukrainischen Großstadt Lwiw Blumen an einem Denkmal für gefallene Soldaten niedergelegt. Mit der Geste im Namen aller Europäer gedenke sie aller Getöteten, schrieb die aus Malta stammende Politikerin auf Twitter. Zu ihrer Botschaft veröffentlichte Metsola Fotos, auf denen sie unter anderem mit dem ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk zu sehen ist. Metsola traf laut einem weiteren Tweet auch Staatschef Wolodymyr Selenskyj.
12:35 Uhr
Von der Leyen kündigt Zentrum für Strafverfolgung an
Bei einer internationalen Konferenz in der ukrainischen Stadt Lwiw soll an diesem Wochenende ein erster wichtiger Schritt unternommen werden, um Russland juristisch für Kriegsverbrechen zur Verantwortung zu ziehen. Wie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Samstagvormittag mitteilte, wird bei der Konferenz die Vereinbarung über die Einrichtung eines neuen Internationalen Zentrums für die Verfolgung des Verbrechens der Aggression (ICPA) unterzeichnet. Es soll Beweise für künftige Gerichtsverfahren sichern und am Standort der EU-Agentur Eurojust in Den Haag angesiedelt werden. Eurojust ist in der Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen zuständig.
London: Ukrainische Truppen in Bachmut unter Druck
Die ukrainischen Streitkräfte geraten bei der Verteidigung der östlichen Stadt Bachmut gegen die russischen Truppen laut britischen Angaben immer mehr in Bedrängnis. Die Ukraine verstärke zwar ihre Truppen in der Region mit Eliteeinheiten, die russische Armee und Kämpfer der russischen Söldnergruppe Wagner seien aber weiter in die nördlichen Vororte von Bachmut vorgedrungen, teilte das britische Verteidigungsministerium in seinem täglichen Lagebericht auf Twitter mit.
In der Stadt und der Umgebung gebe es heftige Kämpfe. Zwei wichtige Brücken in Bachmut seien in den vergangenen 36 Stunden zerstört worden, und die von den ukrainischen Truppen gehaltenen Versorgungsrouten seien zunehmend eingeschränkt. Am Freitag hatte die russische Artillerie die letzten Ausfallstraßen aus Bachmut beschossen, um die seit Monaten umkämpfte Stadt vollends einzuschließen. In der Stadt, in der vor dem Krieg rund 70.000 Menschen lebten, harren noch immer einige Tausend Zivilisten aus.
Dunkelgrün: Vormarsch der russischen Armee. Schraffiert: Von Russland annektierte Gebiete. Bild: ISW/03.03.2023
Verteidigungsminister Schoigu besucht russische Truppen
Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu hat offiziellen Angaben zufolge die Front im ostukrainischen Kriegsgebiet inspiziert. Schoigu habe sich an einem vorgeschobenen Kommandopunkt im Donbassgebiet den Lagebericht angehört und Soldatinnen und Soldaten ausgezeichnet, teilte das Ministerium auf seinem Telegram-Kanal mit. „Die Auszeichnungen sind verdient und erarbeitet, ihr kämpft ordentlich. Vor uns liegt eine Menge Arbeit“, sagte Schoigu während der Zeremonie.
Besuche von der Moskauer Führung an der Front sind bislang selten – im Gegensatz zur ukrainischen Seite. Das russische Verteidigungsministerium hatte zuletzt Mitte Januar über einen Frontbesuch Schoigus berichtet, davor von zwei weiteren im Dezember. Allerdings sind unabhängige Analysten nach Auswertung der Videos zum Schluss gekommen, dass sich der Minister bei den Besuchen 80 Kilometer von der Front entfernt befunden hatte.
Dieses vom russischen Verteidigungsministerium zur Verfügung gestellte Foto zeigt Sergej Schoigu (2. v. l) mit einem Offizier an einem nicht genannten Ort. Bild: dpa
Trotz Streits: China betont Gemeinsamkeiten mit EU
Ungeachtet der Meinungsunterschiede mit der Europäischen Union über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine sieht China „keine grundlegenden strategischen Differenzen und Konflikte“ zwischen beiden Seiten. Der Sprecher der Sonntag beginnenden Jahrestagung des Volkskongresses, Wang Chao, hob vielmehr die Gemeinsamkeiten hervor und sprach sich für einen Ausbau der Beziehungen und der wirtschaftlichen Kooperation aus. China betrachte Europa als „umfassenden strategischen Partner“.
Auf den Krieg gegen die Ukraine ging der Sprecher nicht ein. Seit der Invasion vor einem Jahr hat Chinas Führung Russlands Präsidenten Wladimir Putin politisch Rückendeckung gegeben und die USA und NATO als eigentliche Verursacher des Konflikts dargestellt, was von europäischer Seite zurückgewiesen wird. Gemeinsam mit Europa wolle China politische Lösungen für internationale und regionale Krisenherde voranbringen, sagte der Sprecher lediglich vage.
Lawrow auf Konferenz in Indien vom Publikum ausgelacht
Das wird dem russischen Außenminister Sergej Lawrow wohl auch nicht allzu häufig passieren: Als er auf einer Konferenz in der indischen Hauptstadt Neu Delhi – auf Englisch – erneut den Westen für den Krieg in der Ukraine verantwortlich machte, wurde er durch Gelächter aus dem Publikum unterbrochen.
Er sagte auf eine Frage nach der Energiepolitik seines Landes: „Wissen Sie, der Krieg, den wir versuchen zu beenden und der gegen uns ausgelöst wurde, in dem die Ukraine benutzt wurde…“. Nach einer kurzen, durch das Lachen aus dem Auditorium verursachten Pause fügte er dann zunächst stockend hinzu, (der Krieg) habe die Politik Russlands beeinflusst, auch die Energiepolitik. Russland werde sich niemals mehr auf Partner im Westen verlassen. Vielmehr wolle man in der Energiepolitik zuverlässige Partner, Indien und China zählten sicher dazu.
Bemerkenswert war, dass Lawrow den Krieg als solchen bezeichnete. Bislang vermeidet das der Kreml und spricht von einer „militärischen Spezialoperation“.
Kanzler Scholz in Washington: Besuch bei Freunden
Scholz‘ Visite im Weißen Haus dauerte nicht lang. Worum es im Gespräch mit dem US-Präsidenten ging, dazu drang kaum etwas an die Öffentlichkeit. Es konnte nur spekuliert werden, ob etwa Meinungsverschiedenheiten wie der angebliche Panzerstreit oder Wettbewerbsverzerrungen durch Bidens Inflationsbekämpfungsgesetz angesprochen wurden.
Blatt: Rheinmetall erwartet Auftrag für Panzerfabrik in der Ukraine
Der Rüstungskonzern Rheinmetall verhandelt über den Bau einer Panzerfabrik auf ukrainischem Boden. „Für rund 200 Millionen Euro kann ein Rheinmetall-Werk in der Ukraine aufgebaut werden“, sagte Unternehmenschef Armin Papperger der „Rheinischen Post“. Es könnte jährlich bis zu 400 Kampfpanzer vom Typ „Panther“ produzieren. Die Gespräche mit der ukrainischen Regierung seien „vielversprechend“.
Papperger hoffte auf eine Entscheidung „in den nächsten zwei Monaten“. Das Werk könnte gegen russische Luftangriffe geschützt werden, zeigte sich der Rheinmetall-Chef überzeugt. „Ein Schutz durch Flugabwehr wäre nicht schwierig.“
Weiter heftige Kämpfe um Bachmut
Der Kommandeur einer ukrainischen Armeeeinheit in Bachmut berichtet laut dem ukrainischen Internet-Kanal Espreso TV, Teile einiger Einheiten seien angewiesen worden, in sicherere Stellungen zu wechseln und beschreibt die Situation als „ein Schlachthaus auf beiden Seiten“. Der Anführer einer ukrainischen Drohneneinheit sagte in einem in den sozialen Medien veröffentlichten Video, seine Einheit sei zum sofortigen Rückzug aufgefordert worden.