Spahn mahnt zu Geduld
30. Dezember 2020Bundesgesundheitsminister Spahn sieht angesichts der weiterhin hohen Coronazahlen keine Möglichkeit, den aktuellen Lockdown zu beenden. Er erwarte ein ruhiges Silvester, sagte er – und bat auch Impfwillige um Geduld.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sieht angesichts steigender Totenzahlen keinen Grund zur Entwarnung. „1129 Familien werden diesen Jahreswechsel in Trauer erleben“, sagte Spahn bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit den Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, und des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek. „Diese Zahlen belegen, wie brutal dieses Virus immer noch zuschlägt.“
Schulen „lieber eine Woche zu lang“ schließen
Man sei von Normalität noch sehr weit entfernt, sagte der CDU-Politiker. „Ich sehe nicht, wie wir in dieser Situation zurückkehren können in den Modus vor dem Lockdown.“ Auch nach dem 10. Januar brauche es in jedem Fall eine starke Reduzierung der Kontakte, sagte Spahn.
Zur Frage nach einer Öffnung von Schulen und Kindertagesstätten verwies er auf die für den 5. Januar geplanten Bund-Länder-Beratungen, denen er nicht vorgreifen wolle. Im Zweifel sei er dafür, „lieber jetzt am Stück eine Woche zu lang als eine Woche zu wenig“. Ziel sei es, im Anschluss über einen längerem Zeitraum mit dem Infektionsgeschehen umgehen zu können.
Aufruf zu Kontaktverzicht an Silvester
Der Minister mahnte die Bürger eindringlich, an Silvester auf Kontakte zu verzichten. Jeder müsse wissen, „dass das Schließen im öffentlichen Bereich nur Sinn macht für uns alle, wenn wir auch im privaten Bereich die Kontakte reduzieren“. Deswegen sei „die Frage, was morgen passiert oder nicht passiert, ein ganz wichtiger Faktor im weiteren Verlauf“, betonte der Minister. Es werde wohl das „ruhigste Silvester“, an das sich Deutschland erinnern könne.
Auch RKI-Chef Wieler warnte vor Nachlässigkeit beim Einhalten der Verhaltensregeln „Trotz der Impfung müssen wir uns in den nächsten Monaten alle weiterhin an die AHA+L-Regeln halten und unsere Kontakte einschränken.“ Er rief dazu auf, nicht zu verreisen, möglichst wenige Menschen zu treffen – und wenn, dann nur dieselben Menschen und im Freien. „Lassen Sie uns dem Virus gemeinsam den Wind aus den Segeln nehmen.“
Es werde noch Monate dauern, bis so viele Menschen geimpft sind, dass auch die Zirkulation des Virus in der Bevölkerung reduziert werde, sagte Wieler. Einerseits müsse der Impfstoff in ausreichender Menge verfügbar sein, andererseits dauere es, das Mittel zu verabreichen. Auch nach der Impfung der ersten Gruppen seien nicht alle geschützt, kein Impfstoff sei perfekt, betonte der RKI-Chef. Es sei zudem unklar, in welchem Umfang die Impfung Ansteckungen verhindern könne.
Bereits 60.000 Menschen geimpft
Spahn mahnte nach dem Start der Corona-Schutzimpfungen zu Geduld. „Der Impfstoff ist auf der ganzen Welt knapp“. Er verstehe, dass viele Menschen gerade ungeduldig würden und so schnell wie möglich geimpft werden wollten, sagte der CDU-Politiker. Zug um Zug würden mehr Dosen des Impfstoffs von Biontech/Pfizer und weitere Impfstoffe zur Verfügung stehen.
„Der Impfstart ist gelungen“, bilanzierte Spahn, nachdem am Sonntag EU-weit die Impfungen begonnen hatten, auch wenn es zum Start der Kampagne vereinzelt Probleme gegeben habe: „Ja, es ruckelt an der einen oder anderen Stelle“, sagte er. Insgesamt aber sei die „größte Impfkampagne in der Geschichte Deutschlands erfolgreich angelaufen“, sagte Spahn. „Diese Impfkampagne war und ist ein nationaler Kraftakt.“
Mehr als 1,3 Millionen Dosen würden allein in Deutschland noch in diesem Jahr ausgeliefert, mehr als 60.000 Deutsche vor allem in Pflegeheimen seien bereits geimpft. „Lassen wir jetzt denjenigen den Vortritt, die die Impfung am dringendsten brauchen, weil sie sie am besten schützt“, sagte Spahn und nannte Hochbetagte, Pflegebedürftige und jene, die sie betreuen.
Explizit rief der Minister Mediziner und Pflegekräfte auf, sich impfen zu lassen. Sie hätten eine „doppelte Verantwortung“. „Sie sind Vorbild für viele, und sie schützen sich und andere.“
Hoffnung auf schnelle Zulassung des AstraZeneca-Impfstoffes
Nachdem Großbritannien als erstes Land weltweit grünes Licht für den Corona-Impfstoff von AstraZeneca und der Universität Oxford gegeben hat, dringt auch Deutschland auf einen zügigen Zulassungsprozess in der EU. „Mit der Zulassung heute im Vereinigten Königreich von AstraZeneca gehe ich auch von einer gründlichen und zügigen Bearbeitung eines entsprechenden Antrags auch in der Europäischen Union durch die europäischen Behörden aus“, sagte Spahn.
Zuletzt hatte Noel Wathion, Vize-Direktor der europäischen Arzneimittelbehörde EMA, einer europäischen Zulassung des AstraZeneca-Produkts noch im Januar nur geringe Chancen eingeräumt, weil noch Daten und der Zulassungsantrag fehlten. Spahn rechnet damit, dass sich jeder in Deutschland „Richtung Sommer“ impfen lassen kann – abhängig davon, ob die Impfstoffe weiterer Unternehmen wie Johnson & Johnson, AstraZeneca und Curevac zugelassen werden.
Bereits Anfang Januar erwartet Spahn die Zulassung des Impfstoffs vom US-Biotechkonzern Moderna. „Wir dürfen – Stand heute – für nächste Woche die Zulassung eines weiteren Impfstoffs erwarten – von Moderna“, kündigte er an. Man sei im Gespräch mit Moderna, um zügig eine Belieferung sicherstellen zu können. Er gehe davon aus, dass im ersten Quartal anderthalb bis zwei Millionen Dosen Moderna-Impfstoff zur Verfügung stünden. „Wenn es am 6. Januar zur Zulassung käme, sehe ich noch nicht, dass wir direkt am 7. Januar werden starten können“, räumte er ein. Es werde aber alles getan, um möglichst schnell auch den Impfstoff verfügbar zu machen.