In Großbritannien zugelassen – Günstiger und robuster: Das kann der Impfstoff von Astrazeneca

31. Dezember 2020 Aus Von mvp-web
Nach dem Biontech-Impfstoff wurde in Großbritannien nun auch das Vakzin von Astrazeneca zugelassen. Auch wenn die bislang nachgewiesene Wirksamkeit geringer ist als die des Konkurrenten, liegt große Hoffnung auf dem Mittel. Denn der Vergleich zeigt: Ein Impfstoff braucht mehr als eine hohe Wirksamkeit.

Nach dem Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer hat Großbritannien am Mittwoch ein zweites Vakzin gegen das neuartige Coronavirus zugelassen: Der Impfstoff, den das britisch-schwedische Pharmaunternehmen AstraZeneca zusammen mit der Universität Oxford entwickelte, hat zwar nicht so eine hohe Wirksamkeit wie das Biontech-Präparat, dafür ist es aber deutlich billiger und lässt sich leichter lagern.

FOCUS Online zeigt, was das Vakzin kann und worin es sich außerdem von dem Biontech-Mittel und dem noch nicht zugelassenen Kandidaten der Firma Moderna unterscheidet.

Art des Impfstoffs von AstrazenecaDas Mittel von Astrazeneca, AZD1222, ist ein Vektor-Impfstoff. Er beruht auf der abgeschwächten Version eines Erkältungsvirus von Schimpansen. Das Mittel enthält genetisches Material eines Oberflächenproteins, mit dem der Erreger Sars-CoV-2 an menschliche Zellen andockt. Das Vakzin wirkt laut dem Hersteller zweifach: Es soll sowohl die Bildung von spezifischen Antikörpern als auch von T-Zellen fördern – beide sind für die Immunabwehr wichtig.

Bei Biontech/Pfizer und auch dem bislang noch nicht zugelassenen Mittel von Moderna handelt es sich stattdessen um einen mRNA-Imfpstoff. Die RNA-Impfstoffe bestehen nicht aus winzigen Viruspartikeln wie andere Impfstoffe, sondern aus sogenannter Messenger-RNA (mRNA). Sie wird im Labor künstlich hergestellt und enthält eine präzise Bauanleitung für erregerspezifische Antigene. Das sind die für den jeweiligen Erreger typischen Eiweißstoffe, die eine Immunreaktion im Körper provozieren und gegen das Virus immun machen.

Für die Impfung wird diese mRNA zunächst in kleinste Transportpartikel verpackt, die dann zum Beispiel in einen Muskel oder unter die Haut gespritzt werden. Dort wird die mRNA von Körperzellen aufgenommen und dient als Kopiervorlage für die erwünschten Antikörper gegen das Virus.

Der Mechanismus dahinter: Wenn die mRNA-modifizierten Zellen vorübergehend die Bruchstücke des zu bekämpfenden Virus präsentieren, lernt die Immunabwehr der Geimpften im Falle einer tatsächlichen Infektion auch vor dem natürlichen Erreger zu schützen. Die Folge: Menschen werden immun.

Diese Art von Vakzinen bieten im Gegensatz zu Vektor-Impfstoffen einen entscheidenden Vorteil. Denn im Vergleich zu konventionellen Impfstoffen sind sie sehr viel schneller und lassen sich in erheblich größeren Mengen herstellen.

Wirksamkeit des Impfstoffs

Um die Wirksamkeit des Astrazeneca-Mittels AZD1222 zu bestimmen, zog der Hersteller die Daten zweier Studien heran. Zum einen aus einer einer kombinierten Phase-II/III-Studie, bei der die Versuchspersonen der Impfgruppe zuerst eine halbe Dosis des Impfstoffs und einen Monat später eine weitere volle Dosis erhielten. Die Effektivität lag den Angaben zufolge hier bei 90 Prozent.

Zum anderen wurden Ergebnisse einer Phase-III-Studie berücksichtigt, bei der Probanden der Impfstoff Gruppe zwei volle Dosen bekamen. Die bisher errechnete Effektivität lag dabei bei 62 Prozent. Zusammengenommen ergibt sich den Angaben zufolge eine Wirksamkeit von 70 Prozent. Die Zwischenauswertung stammt aus dem November und basiert auf insgesamt 131 Infektionsfällen mit nachweislichem Covid-19.

Wegen von Experten geäußerter Zweifel an dem Zufallsbefund kündigte AstraZeneca Ende November eine „zusätzliche Studie“ zur Wirksamkeit bei einer verringerten Impfdosis an. „Wir denken, wir haben die Siegerformel herausbekommen“, sagte AstraZeneca-Chef Pascal Soriot dazu der „Sunday Times“.

Er glaubt, dass das Mittel in seiner Wirksamkeit an die rund 95 Prozent von Biontech und Moderna herankommen werde. Zudem erklärte er, das Mittel könne zudem zu 100 Prozent schwere Covid-19-Verläufe abwenden. Genauer Daten wurden dazu jedoch bislang nicht veröffentlicht.

Er geht zudem davon aus, dass der Impfstoff auch gegen die neue, offenbar ansteckendere Coronavirus-Variante wirksam ist, die sich insbesondere im Süden Englands ausgebreitet hat. Um dies aber sicher festzustellen, werde sein Unternehmen Tests mit dem mutierten Virus vornehmen. Wenn es notwendig sein sollte, könne AstraZeneca auch eine auf diese Virus-Variante zugeschnittene neue Version seines Impfstoffs entwickeln, versicherte Soriot.

Biontech hat seinen Impfstoff zuvor bereits an über 40.000 Probanden getestet. Für den Impfstoff gab der Konzern zunächst eine Wirksamkeit von mindestens 90 Prozent an, die Studie umfasste 94 erkrankte Teilnehmer. Der Impfstoff von Biontech/Pfizer wird zweimal in einem Abstand von drei Wochen verabreicht.

Moderna gibt für seine Impfstoff-Studie in Phase 3 eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent an. Das konnte der Hersteller in einer ersten Zwischenanalyse mit 95 Teilnehmern mit nachgewiesenen Covid-19-Fällen ausmachen. Die Phase-3-Studie zum RNA-Impfstoff mRNA-1273 von Moderna umfasst insgesamt 30.000 Probanden. Daten, zu welchem Grad mRNA-1273 eine Ansteckung verhindert, gibt es bislang nicht. Für den vollen Impfschutz sind zwei Dosen in einem zeitlichen Abstand von vier Wochen notwendig.

BurdaForward

Haltbarkeit der Impfstoffe

In Sachen Haltbarkeit hat der Vektorimpfstoff von Astrazeneca seinen Konkurrenten etwas voraus: Er lässt sich über lange Zeiträume von bis zu sechs Monaten bei Kühlschranktemperatur von zwei bis acht Grad lagern.

Laut Moderna hält sich ihr Kandidat bei Standard-Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad lediglich 30 Tage lang stabil. Für einen längeren Zeitraum benötige das Mittel Standard-Gefriertemperaturen von minus 20 Grad und halte sich dort dann für sechs Monate. Sobald es aus dem Kühlschrank genommen werde, halte es sich noch bis zu 12 Stunden.

Das Biontech-Mittel muss nach Angaben der Hersteller hingegen bis einige Tage vor der Verwendung bei kalten Temperaturen von minus 70 Grad gelagert werden, was für logistische Hürden sorgt. Im Kühlschrank hingegen soll der Impfstoff nur fünf Tage stabil bleiben. Damit sticht der Moderna-Impfstoff Biontech auch in Sachen Logistik aus – denn je unkomplizierter und länger sich ein Mittel lagern lässt, umso vielversprechender ist es für einen flächendeckenden Einsatz.

„Auch wenn die Effektivität insgesamt ein wenig geringer erscheint als mit mRNA-Impfstoffen, hat AZD1222 einen großen Vorteil: Er ist robust und einfach in der Handhabung, quasi die ‚Arbeitsbiene‘ unter den potenziell verfügbaren Impfstoffen gegen Covid-19. Es braucht keine aufwendigen Kühlketten, gar bis minus 70 Grad Celsius, wie dies für mRNA-Impfstoffe zum Teil obligat ist.“

Astrazeneca-Mittel kostet nur rund 2,75 Euro pro Dosis

Ein einfacher Kühlschrank sei ausreichend für die Lagerung des Impfstoffs. „Dies dürfte Impfkampagnen in Ländern mit weniger Ressourcen für aufwendige Kühlketten erleichtern“, erklärt Wendtner weiter. „Nicht zuletzt wurde auch ein Großteil der Probanden in Südamerika in der Studie mit AZD1222 geimpft.“

Hinzu kommt, dass das Astrazeneca-Mittel mit einem Preis von rund 2,75 Euro pro Dosis ziemlich günstig ist, die EU zahlt für den Biontech/Pfizer-Impfstoff laut Medienberichten bei über 15 Euro.

Deutschland sicherte sich bereits mehr als 56 Millionen Dosen

Mit der Zulassung des Impfstoffs erhofft sich die britische Regierung eine erhebliche Beschleunigung ihrer Impfkampagne. Zudem sollen beide verfügbaren Impfstoffe zunächst nur in einer ersten Dosis verabreicht werden, um schneller mehr Menschen zu schützen. Astrazeneca hat sich zur Lieferung von 100 Millionen Dosen an Großbritannien verpflichtet.

Deutschland hat sich im Rahmen einer EU-Bestellung vorerst rund 56,2 Millionen Dosen des Impfstoffes von Astrazeneca gesichert. n der EU ist der Impfstoff allerdings noch nicht zugelassen. Und das wird auch noch dauern. Die zuständige Behörde EMA gab kürzlich bekannt, dass das Unternehmen AstraZeneca bisher noch nicht einmal einen Prüfantrag gestellt habe.

Großbritannien startet am 4. Januar mit Astrazeneca-Impfungen

In Großbritannien soll am 4. Januar mit den Impfungen begonnen werden, wie Gesundheitsminister Matt Hancock mitteilte. Es sei „brilliant, das Jahr 2020 mit einem solchen Moment der Hoffnung zu beenden“, so Hancock. Premierminister Boris Johnson kündigte an, nun „so viele Menschen, so schnell wie möglich“ impfen zu lassen. „Das sind wirklich fantastische Neuigkeiten und ein Triumph für die britische Wissenschaft“, schrieb er auf Twitter.

Beide Impfstoffe werden in zwei Dosen im Abstand von mehreren Wochen verabreicht. In Großbritannien soll nun aber zunächst eine erste Dosis an so viele Menschen aus Risikogruppen verabreicht werden, wie möglich. Eine zweite Dosis werde nach spätestens zwölf Wochen geimpft, hieß es in einer Mitteilung des Gesundheitsministeriums.