Corona: Greifswalder Forscher warnen vor Lockerungen

3. Januar 2021 Aus Von mvp-web
Stand: 03.01.2021 16:58 Uhr

Wissenschaftler der Universitätsmedizin Greifswald warnen vor Lockerungen des Lockdowns im Januar. Dies würde zu steigenden Infektionszahlen und einer Überlastung des Gesundheitssystems im März führen.

Die Forscher um den Greifswalder Bioinformatiker Lars Kaderali haben ein Rechenmodell entwickelt, mit dem sie Prognosen zum Verlauf der Corona-Infektionszahlen ableiten können. Anhand eines leicht abgestuften R-Wertes (Reproduktionswertes) haben sie mit ihrem Modell unterschiedliche Szenarien durchgerechnet, wie es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung hieß. Dabei untersuchten sie insbesondere, welche Auswirkungen Lockerungen der derzeit geltenden Corona-Regeln beziehungsweise ein über den 10. Januar hinaus verlängerter harter Lockdown haben würden.

Laut Modell noch lange Inzidenzwert um 100

Derzeit gehen die Greifswalder Forscher von einem landesweiten Inzidenzwert von etwa 110 sowie einem R-Wert in Mecklenburg-Vorpommern von 0,9 aus. Das bedeutet, dass 100 Infizierte derzeit rechnerisch 90 weitere Menschen anstecken würden. Unter diesen Voraussetzungen und bei weiter geltenden Kontaktbeschränkungen sagen die Bioinformatiker trotz allmählich sinkender Neuinfektionszahlen selbst für Ende Januar noch einen Inzidenzwert von 100 im Land voraus. Erst im März würde dieser unter den von der Politik anvisierten Wert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner innerhalb von sieben Tagen fallen.

Die Intensivbetten seien knapp geworden, es gebe Personalengpässe, so die Klinik. Planbare Operationen werden nun verschoben.

Forscher gehen von mehr Intensiv-Patienten aus

Selbst diese vergleichsweise moderate Entwicklung des Infektionsgeschehens würde in den Krankenhäusern deutliche Folgen haben, so Kaderali, der in der Corona-Pandemie auch die Landesregierung berät. Ende Januar sei dann mit 90-100 intensivpflichtigen Patienten und damit noch knapperen Kapazitäten zu rechnen. Aktuell werden nach Angaben des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LAGuS) 77 Patienten im Land auf Intensivstationen behandelt. Selbst bei einem optimistischeren Szenario mit einem R-Wert von 0,8 würde bei anhaltenden Lockdown-Maßnahmen die Sieben-Tage Inzidenz erst Mitte Februar unter 50 fallen. Bei einem R-Wert von 1 läge die Sieben-Tage-Inzidenz dagegen auch Mitte Februar noch über 100, so die Wissenschaftler.

Im schlimmsten Fall droht Überlastung des Gesundheitssystems

Angesichts ihrer Prognosen warnen die Forscher mit Vehemenz vor einer Lockerung der Corona-Schutzmaßnahmen im Januar. Die Folge wäre ein schneller Wiederanstieg der Infektionszahlen. „Das Modell prognostiziert in diesem Fall eine 7-Tage-Inzidenz über 500 bereits für Mitte/Ende Februar in MV, Anfang März wären die Krankenhauskapazitäten im Land mit über 300 intensivpflichtigen Patienten belastet und eine Überlastung des Gesundheitssystems würde sich im März einstellen“, heißt es in der Erklärung.

Forscher: Im Herbst ist Corona kein Thema mehr

Laut Kaderali sind die Corona-Schutzimpfungen sowie saisonale Infektionsschwankungen bereits in den Modellen berücksichtigt. Mit einem spürbaren Effekt der Impfungen rechnet er frühestens Ende März. „Wir werden noch bis zum Frühling mit Kontaktreduktionsmaßnahmen und gravierenden Einschränkungen leben müssen“, so der Direktor des Instituts für Bioinformatik. Erst dann helle sich das Bild allmählich auf. Laut Kaderali besteht durchaus Anlass zur Hoffnung auf einen „normalen“ Sommer – „und im Herbst dürfte Corona dann kein Thema mehr sein“. Am Dienstag (5. Januar) wollen die Ministerpräsidenten der Länder mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einer Videokonferenz über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten.