„Matildas“ bezwingen Frankreich Australien nach Elfmeter-Drama im WM-Halbfinale

„Matildas“ bezwingen Frankreich Australien nach Elfmeter-Drama im WM-Halbfinale

12. August 2023 Aus Von mvp-web

Stand: 12.08.2023 12:09 Uhr

Australiens Fußballerinnen haben bei der Heim-WM das Halbfinale erreicht. Die „Matildas“ bezwangen Frankreich in einem dramatischen Elfmeterschießen mit 7:6.

Von Hanno Bode

Nach regulärer Spielzeit und Verlängerung hatte es am Samstag (12.08.2023) in Brisbane 0:0 gestanden. Zur Heldin ihrer Farben avancierte Mackenzie Arnold. Erst hielt die Torfrau gleich den erste Elfmeter von Selma Bacha, nach dem Pfostenschuss von Eve Perisset vergab die 29-Jährige selbst die Entscheidung und traf ebenfalls den Pfosten. Dann hielt die Keeperin von West Ham United gegen Kenza Dali, verließ jedoch die Linie mit beiden Füßen, doch auch den zweiten Versuch parierte die Ballfängerin aus Queensland. Cortnee Vine traf danach zur Entscheidung und sorgte für den erstmaligen Halbfinal-Einzug der „Matildas“ bei einer Weltmeisterschaft.

Die Australierinnen treffen nun am kommenden Mittwoch (16.08.2023, 12 Uhr MESZ) auf den Sieger der Partie zwischen England und Kolumbien.Der WM-Turnierbaum

12.08.2023

Frankreich spielt hübsch, aber harmlos

Die Zuschauerinnen und Zuschauer im Fußball- und Rugbytempel zu Brisbane waren von Beginn an Zeugen einer von beiden Seiten äußerst intensiv geführten Begegnung. Kein Team gönnte dem anderen längere Ballbesitzphasen, es ging nach dem Verlust des Spielgeräts unmittelbar ins Gegenpressing. Fußballerisch agierten die Französinnen zunächst mit der etwas feineren Klinge, schafften es, ihr Spiel breiter anzulegen als dies die „Matildas“ vermochten.

Die sehr wuselige Kadidiatou Diani setzte mit einem Schuss, der knapp das Ziel verfehlte (8.), ein erstes offensives Ausrufezeichen der Europäerinnen. Es war bereits die beste Gelegenheit von „Les Bleues“ im ersten Abschnitt. Zwar kam die Elf von Coach Hervé Renard vor der Pause noch zu Halbchancen durch Eugénie Le Sommer (28.) und Maëlle Lakrar (32.), insgesamt mangelte es den Französinnen im letzten Drittel des Feldes aber an der nötigen Entschlossenheit.

Ein Phänomen, das ja bereits aus nahezu allen vergangenen großen Turnieren von ihnen bekannt ist.

Fowler hat Australiens Führung auf dem Fuß

Die Australierinnen, bei denen Volksheldin Samantha Kerr zunächst erneut nur auf der Bank saß, spielten zwar etwas simpler als ihre Kontrahentinnen, zeigten dafür jedoch mehr Zug zum Tor. Und die Co-Gastgeberinnen besaßen auch die beste Tormöglichkeit in den ersten 45 Minuten, als Mary Fowler aus wenigen Metern freistehend zum Abschluss kam, jedoch an Élisa Flore de Almeida scheiterte (41.).

Die Verteidigerin mit dem klangvollen Namen rettete für ihre geschlagene Keeperin Pauline Peyraud-Magnin, die sich zuvor nicht mit Sakina Karchaoui hatte einigen können, wer den Ball aus der Gefahrenzone befördern sollte. Emily van Egmond hatte von diesem Missverständnis profitiert und Fowler bedient.

Apropos Peyraud-Magnin: Frankreichs Schlussfrau hinterließ im ersten Durchgang gerade bei hohen Bällen einen sehr unsicheren Eindruck, war kurz vor dem Halbzeitpfiff nach einem Pass in die Tiefe auf Fowler aber hellwach und verhinderte so die Führung der Gastgeberinnen (45.).

Japans Hinata Miyazawa bejubelt einen Treffer.

Australien nach Kerr-Einwechslung sofort gefährlich

War Peyraud-Magnin in Abschnitt eins noch primär durch Erkundungsflüge durch ihren Strafraum in Erscheinung getreten, stellte die 31-Jährige nach dem Seitenwechsel unter Beweis, zumindest auf der Linie eine exzellente Vertreterin ihrer Zunft zu sein. Mit zwei tollen Paraden gegen Hayley Raso (56.) und Fowler (60.) verhinderte die Keeperin den Rückstand. An der Vorbereitung beider Chancen war übrigens Kerr beteiligt, die in der 55. Minute unter großem Beifall der Fans für van Egmond eingewechselt worden war.

Für einen Einsatz der australischen Rekordtorschützin von Beginn an hatte es laut Coach Tony Gustavsson noch nicht ganz gereicht. Kerr war wegen Wadenproblemen in der Gruppenphase ausgefallen und hatte erst im Achtelfinale gegen Dänemark (2:0) erstmals ins Turniergeschehen eingegriffen.

„Les Bleues“ im Angriff zu kompliziert

Nachdem die Französinnen die Druckphase der „Matildas“ dank Peyraud-Magnin und mit etwas Fortune schadlos überstanden hatten, waren sie bemüht, selbst wieder Offensivakzente zu setzen. Das brachte zwar etwas Entlastung für die strapazierten Defensivkräfte, führte aber nicht zu nennenswerten Abschlüssen. „Les Bleues“ waren im Angriffsspiel – um es positiv auszudrücken – zu detailversessen. Nüchtern betrachtet agierten die Europäerinnen in der Vorwärtsbewegung schlichtweg zu kompliziert.

Weil beide Teams in der Schlussphase kein gesteigertes Interesse daran zeigten, das Risiko zu erhöhen, ging es folgerichtig in die Verlängerung.

Australien trifft für Frankreich – Tor zählt nicht!

In der Extrazeit lag der Ball dann das erste Mal im Tor. Und zwar im australischen. Freudenstürme bei den Französinnen löste das allerdings nicht aus, da Schiedsrichterin María Belén Carvajal Peña dem vermeintlichen 1:0 der Europäerinnen die Anerkennung verweigerte (100.). Die Chilenin hatte bei einem Eckstoß von „Les Bleues“ genau hingeschaut und korrekt erkannt, dass Frankreichs Abwehrchefin Wendie Renard Caitlin Foord mit den Armen runtergedrückt hatte. Das Eigentor der Australierin Alanna Kennedy, die unmittelbar neben Renard und Foord stand, blieb so ohne Folge für die WM-Co-Gastgeberinnen.

Auf der Gegenseite war erneut Fowler der Führung für Australien nah. Mit einem Ausfallschritt versuchte sie, eine Hereingabe von der linken Seite im Tor unterzubringen – vergeblich (103.). Dem 1:0 noch wesentlich näher war zu Beginn des zweiten Abschnitts der Verlängerung Becho, deren Schuss Arnold gerade noch um den Pfosten lenken konnte (107.).

Für Arnolds Gegenüber Peyraud-Magnin war die Partie dann in der Nachspielzeit der Verlängerung vorzeitig beendet. Coach Renard wechselte sie gegen Solène Durand aus, der er im bevorstehenden Elfmeterschießen offenbar mehr zutraute als der Keeperin von Juventus Turin.

Australien im Elfmeterschießen mit besseren Nerven

Das Penaltyschießen war an Dramatik dann kaum mehr zu überbieten. Nachdem für Frankreich Bacha und Perisset vom Punkt aus gescheitert waren und auf Seiten Australiens nur Steph Catley vergab, besaß Arnold beim Stand von 3:3 die Chance, die „Matildas“ ins Halbfinale zu schießen. Doch die 29-Jährige scheiterte am Pfosten. Hernach zeigten die Schützinnen beider Teams bis zum 6:6 keine Nerven, bevor die Französin Dali gleich zweimal hintereinander an Arnold scheiterte. Sie durfte ihren Penalty wiederholen, weil sich die Schlussfrau zu früh von der Linie weg bewegt hatte.

Anschließend konnte Clare Hunt das Weiterkommen der Co-Gastgeberinnen perfekt machen. Aber sie fand ihre Meisterin in Durand. Was für eine Spannung in Brisbane! Danach war Becho an der Reihe – und anschließend untröstlich. Denn auch sie traf nur Aluminium. So bot sich Vine die Gelegenheit, Geschichte zu schreiben. Und die 25-Jährige blieb ganz cool, verwandelte sicher und sorgte für den erstmaligen Halbfinaleinzug der „Matildas“ bei einer WM.