40 Jahre Plappermoehl: Stetig drehen sich die Mühlenflügel

40 Jahre Plappermoehl: Stetig drehen sich die Mühlenflügel

24. September 2023 Aus Von mvp-web
Stand: 19.09.2023 11:34 Uhr

Mehr als 430 Sendungen: Die Plappermoehl wird 1983 zum ersten Mal ausgestrahlt und ist damit die älteste Talkshow auf Plattdeutsch im Norden. Nun feiert sie ihren 40. Geburtstag.

von Thomas Naedler

Seit mehr als 30 Jahren ist die Plappermoehl eine Sendung auf Reisen – wird immer da aufgezeichnet, wo die Moderatoren und Redakteure gute Geschichten finden, Geschichten von Land und Leuten. Deshalb wird auch das Jubiläum in einem besonderen Dorf gefeiert: Balow, gelegen an der Grenze zu Brandenburg, hat es geschafft, Schule und Kindergarten im Dorf zu halten, fast jeder Einwohner ist Mitglied im Sportverein. Dazu gibt es im Ort eine Begegnungsstätte und ein Kultur- und Kommunikationszentrum – das ist ein ausgebauter Stall, der als Turnhalle dient und gleichzeitig Auftrittsort für viele Künstler ist. Dort wird die Plappermoehl-Bühne am 24. September aufgebaut – die Moderatoren Susanne Bliemel, Thomas Lenz und Christian Peplow werden dann unter anderem einen länderübergreifenden Schnack halten: mit Gästen, die sich in Brandenburg für das Plattdeutsche engagieren. Ebenfalls auf der Bühne: der Redakteur Rainer Schobeß. Er war 27 Jahre lang für die Sendung verantwortlich. Und ebenfalls am Moehlendisch ist die wohl treueste Besucherin der Plappermoehl: Monika Ricker hat insgesamt 98 Aufzeichnungen besucht – die Jubiläumssendung wird ihre Nummer 99.

Ein Blick nach vorn und zwei zurück

In den 80er-Jahren waren sie überaus bekannt: „De Plattfööt“. Mit Liedern wie „Disco up’n Dörp“ oder „Fru Püttelkow ut Hagenow“ waren sie in den Radiosendern der DDR Dauergast – und das lag auch an der Plappermoehl. Immer wieder haben „De Plattfööt“ die Sendung musikalisch bereichert – auch nach 1990 noch konnten sie ihre Karriere erfolgreich fortsetzten. Klaus Lass – einer der zwei Musiker – wird in der Jubiläumssendung die größten Hits des Duos präsentieren und von seinen Erlebnissen mit der Plappermoehl erzählen. Ebenfalls eine Verbeugung vor der guten alten Plappermoehl wird ein kleines Geschenk sein, das alle Gäste der Jubiläumssendung bekommen werden: der „Moehlendaler“. Einst war er als Preis ausgelobt für Leute, die Witze oder kluge Gedanken an das Redaktionsteam schicken. Nun ist wieder da, in einer einmaligen, wenn auch vergänglichen Ausgabe – mehr sei noch nicht verraten. Ein Höhepunkt der Jubiläumsplappermoehl wird eine Buchvorstellung sein: Susanne Bliemels Sonntagskolumnen „Nieges ut Hoppenhagen“ liegen gedruckt vor, mit liebevollen Illustrationen von Silke Herr. Das Buch erscheint im Hinstorff-Verlag kurz vor Aufzeichnung der Jubiläumssendung. Gesendet wird die Jubiläums-Plappermoehl am 30. September, 19 Uhr bei NDR 1 Radio MV und ist dann auch zum Nachhören als Podcast zu finden.

Die Geschichte der Plappermoehl

Die Mühle steht noch. Eine Windmühle. An einer Anhöhe in Dabel. Adresse: „Roter Strumpf 1“. Hier wird sie erfunden – die Plappermoehl. Hier treffen sich schon Anfang der 80er-Jahre Leute, reden Platt, singen gemeinsam mit Müller Fritz Döscher, mit Freunden und Kollegen. Horst-Dieter Hofmann vom Sender Schwerin macht daraus eine Radiosendung. Als Moderatoren der ersten Sendung 1983 treten Horst Roggenbau und Fritz Döscher aus Dabel auf. Als Musiker sind Barbara Wagner und Klaus-Jürgen Schlettwein dabei. Aufgezeichnet allerdings wird die Dabeler Plappermoehl nicht in der Dabeler Mühle, die ist schlicht zu klein. Stattdessen stehen Mikrone und Aufzeichnungstechnik in einer Gaststätte ganz in der Nähe am Holzendorfer See, erzählt Klaus-Jürgen Schlettwein. Die erste Sendung übrigens kommt noch ohne das einprägsame Plappermoehlenlied aus. Das schreiben die Dabeler Müllerburschen – damals ein sehr populäres Musikanten-Trio – der Plappermoehl zur dritten Sendung auf den Leib.Sendung wird auch nach der Wende fortgeführt

Noch in den 80er-Jahren zieht die Sendung um ins frisch erbaute Ferienheim „Fritz Reuter“ in Schwerin, aus der Dabeler wird die Schweriner Plappermoehl. Die überlebt tatsächlich die friedliche Revolution und auch die zwei Jahre, in denen im Rundfunk der DDR alles geprüft, erneuert und vieles eingestampft wurde. Zum 1. Januar 1992 übernimmt der Norddeutsche Rundfunk im Nordosten Radio und Fernsehprogramm und am 19. Januar schon wird die erste Plappermoehl unter der Fahne des NDR gesendet. Mit neuer, extra angepasster Erkennungsmelodie, Blasmusik erklingt nun am Anfang der Sendung, und im Text heißt es „…der NDR ist hier zu Gast“.

Erste NDR Plappermoehl mit ernstem Thema

Für diese erste NDR Plappermoehl stehen die Übertragungswagen in Schwerin und dem Moderator Klaus-Jürgen Schlettwein ist anzuhören, dass es um den Fortbestand der Plappermoehl hinter den Kulissen doch ein paar Diskussionen gegeben hatte. „Vielen Dank an unsere treuen Zuhörer“, sagt er damals, „das Daumendrücken hat gelohnt, die Plappermoehl geht weiter.“ Applaus und Jubel im Saal. Gast am Mühlentisch in dieser Ausgabe: Karl Heinz Möller. Er ist damals Vorsitzender des Behindertenvereins Schwerin e.V. und er ist zugleich Gastgeber. Im Haus der Behinderten und Senioren, wie es damals hieß, im Schweriner Plattenbaugebiet Großen Dreesch, wird die Sendung aufgezeichnet. Die Situation behinderter Menschen verändert sich ja mit der Wende deutlich zum Besseren, das, aber auch wo es noch viel zu tun gibt, sind große Themen dieser ersten Plappermoehl im Norddeutschen Rundfunk.

Die Moderatoren wechseln – die Plappermoehl bleibt

 

Susanne Bliemel, Thomas Lenz (re.) und Christian Peplow sind die Moderatoren der Plappermoehl

Die 90er-Jahre: Moderator Horst Dethloff geht, Klaus-Jürgen Schlettwein bleibt bis 1997 die markante Stimme der Sendung. Auch seine Tochter Susanne ist in den 90er-Jahren dabei, in der Rolle der Plappermoehlen-Putzperle „Fru Kruse“. Die Plappermoehl am Mikrofon geprägt haben außerdem: Norbert Bosse, Marianne Meier, Hannes Ossenkopp, Manfred Brümmer und Tom Roloff. 2002 kommt Susanne Bliemel als Moderatorin dazu, 2014 steigt Thomas Lenz bei der Plappermoehl ein. Susanne Bliemel und Thomas Lenz sind bis heute gemeinsam die Gastgeber der Sendung, Christian Peplow aus Greifswald verstärkt das Team, wann immer es nötig ist.

Geschichten der Leute von nebenan

Kontinuität prägt die Redaktion, die Arbeit hinter den Kulissen. 1994 übernimmt Rainer Schobeß die Leitung. Gut 27 Jahre lang hält er Mühlenflügel und Mühlstein in Bewegung, bis in die 2000er-Jahre gemeinsam mit Redakteurin Brigitte Hüpeden, danach allein. Die Vorbereitung jeder Sendung führt Redakteure und Moderatoren nun durch den gesamten Nordosten, vor jeder Sendung steht ein Gespräch mit den Plattdeutsch sprechenden Leuten vor Ort, um die besten Geschichten auszuwählen. Immer sind es Geschichten, wie sie im Freundes- und Bekanntenkreis oder unter Nachbarn erzählt werden. Nicht Politiker oder Prominente sind in der Plappermoehl gefragt, sondern alle, die etwas zu berichten haben – aus ihrem Leben, aus ihrem Dorf, von der Arbeit. Aus den Witzen, die in jeder Plappermoehl erzählt werden, entstehen vier CDs und zehn Bücher – „De Mallbüdel“ bleibt Kult.

Die Plappermoehl reist durchs Land

Schon Anfang der 1990er-Jahre beginnt die Plappermoehl zu reisen. Von Demmin bis Dömitz, von Anklam bis Barnin, kein Ort ist zu klein, denn gerade in den Dörfern wird jede Plappermoehl zu einem kleinen Fest. Die Orte, in denen die Plappermoehl aufgezeichnet wird, werden am Anfang der Sendung in Reimen porträtiert. Manfred Brümmer, Autor, Übersetzer und Dramaturg, etabliert diese Tradition der gereimten Ortsporträts, Susanne Bliemel setzt sie fort. Später kommt das „Hörbild“ in die Sendung, ein Moderator oder Reporter macht sich dafür vorher auf in den jeweiligen Ort, fängt Geräusche und Stimmen ein, und nimmt sich vor, was in einer wie Live aufgezeichneten Sendung sonst so lebendig nicht abzubilden wäre.

Eine Radioshow der Superlative

Die Grundlagen der Plappermoehl bleiben: Menschen, Mallbüdel und Musik. Oder anders gesagt, keine Sendung ohne: ohne Leute die gute Geschichten erzählen, Witze und Live-Musik auf der Bühne. Und obwohl Zahlen Schall und Rauch sind, ganz zum Schluss doch ein paar: mehr als 1.200 Gäste, mehr als 250 Städte und Dörfer, mehr als 100.000 Zuschauer, rund 6.000 Witze – das ist die Plappermoehl-Statistik. Und immer wenn eine Sendung zu Ende geht, steht die nächste schon bevor.