Wohnungsbaugipfel in Berlin: Hohe Mieten, Baubranche geschwächt
25. September 2023In nur drei deutschen Städten steigen die Mieten aktuell so stark wie in Rostock. Ein Grund ist der Mangel an Wohnungsneubauten. Ein Wohnungsbaugipfel des Bundes in Berlin soll Lösungsansätze liefern.
Bundeskanzler Olaf Scholz und Bauministerin Klara Geywitz (beide SPD) kommen heute mit Vertretern der Immobilienbranche zu einem Wohnungsbaugipfel im Berliner Kanzleramt zusammen. Bei dem Treffen wollen sie Impulse für den Wohnungsbau geben. Verbände kritisierten die Baupolitik des Bundes im Vorfeld. Aus sieben Bundesländern – darunter auch Mecklenburg-Vorpommern – kam dagegen auch Zuspruch.
Zu wenig Neubauten
Das größte Problem der Baubranche: Es wird zu wenig gebaut. Stark gestiegene Finanzierungs- und Baukosten haben den Neubau in Deutschland deutlich ausgebremst. In der gesamten Branche wurde dem Statistischen Bundesamt zufolge im Juli 2023 der Bau von 21.000 Wohnungen genehmigt. Das entspricht einem Einbruch von 31,5 Prozent oder 9.600 gegenüber dem Vorjahreswert. In den ersten sieben Monaten des Jahres sank die Zahl damit um 27,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Nach Einschätzung des Eduard-Pestel-Instituts für Systemforschung ist die Wohnungsnot in Deutschland so groß wie seit 20 Jahren nicht. Laut einer Studie des Instituts fehlen in der Bundesrepublik mehr als 700.000 Wohnungen – besonders im preisgünstigen Bereich. Bei Einfamilienhäusern ist die Lage ähnlich: Die Baugenehmigungen gingen laut Statistischem Bundesamt in den ersten sieben Monaten um 36,5 Prozent auf 30.800 zurück.
Mieten steigen auch in MV
Die verminderte Bautätigkeit hat nicht nur einen Wohnungsmangel, sondern auch höhere Mieten zur Folge. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind in der ersten Jahreshälfte auch in Mecklenburg-Vorpommern knapp 29 Prozent weniger Bauanträge gestellt worden als im Vorjahreszeitraum. Rostock liegt inzwischen bundesweit auf Platz vier der Städte mit dem höchsten Mietanstieg. In der Hansestadt zahlen Mieter derzeit etwas über zehn Euro pro Quadratmeter. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 9,83 Euro.
Bund setzt Verschärfung der Energiestandards aus
Um dem Negativtrend in der Baubranche entgegenzuwirken und wieder mehr Wohnraum zu schaffen, hat sich die Bundesregierung schon vor dem Wohnungsbaugipfel auf mehrere Schritte geeinigt. So soll unter anderem eine zuvor angepeilte Verschärfung der Energiestandards für Neubauten (EH40) ausgesetzt werden. Angesichts des schwierigen Umfelds für den Wohnungsbau und der hohen Zinsen und Baukosten sei „die Verankerung von EH40 als verbindlicher gesetzlicher Neubaustandard in dieser Legislaturperiode nicht mehr nötig und wird ausgesetzt“, heißt es in einem 14 Punkte umfassenden Papier. Außerdem soll es Steuervorteile bei Bauvorhaben geben: Der „Klimabonus“, der Hauseigentümer beim Tausch alter, fossiler gegen neue, klimafreundliche Heizungen fördert, soll erhöht und auch auf Wohnungsunternehmen und Vermieter ausgeweitet werden. Vom kommenden Jahr an sollen über die sogenannte Wohngemeinnützigkeit Vermieter, die dauerhaft bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen, steuerlich begünstigt und gefördert werden.
GdW sagt Teilnahme ab
Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko, kritisiert, dass ein Hilfspaket der Regierung für die inflationsgeplagte Baubranche zu spät komme. Die Verbände hätten zudem zu wenig Mitspracherecht in der Baupolitik. Folglich kündigten GdW und auch die Interessengemeinschaft Haus & Grund an, nicht am Wohnungsbaugipfel teilzunehmen.
Positionspapier mit Lob aus sieben Ländern
Mecklenburg-Vorpommerns Bauminister Christian Pegel (SPD) sieht den Bund auf einem guten Weg. Gemeinsam mit den Ministerinnen und Minister sowie Senatorinnen und Senatoren für Städtebau, Bau- und Wohnungswesen der Länder Berlin, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Saarland hat Pegel in einem Positionspapier die Baupolitik der Bundesregierung gelobt. Die Verfasser begrüßen insbesondere das von Bundesbauministerin Geywitz ins Leben gerufene „Bündnis bezahlbarer Wohnraum“. Seit dessen Bestehen seien bereits eine Vielzahl der verabredeten Maßnahmen für einen bedarfsgerechten, bezahlbaren und klimagerechten Wohnungsbau im Neubau sowie in der Bestandsentwicklung umgesetzt worden. Dennoch musste Geywitz vom erklärten Ziel der Bundesregierung, jährlich 400.000 Wohnungen zu bauen, bereits Abstand nehmen. In den ersten sieben Monaten des Jahres wurden gerade einmal 156.200 neue Wohnungen genehmigt.