Krieg Tag 581 Do 28.09.2023 ++ Putin dankt Kadyrow für „heldenhaften“ Einsatz ++
28. September 2023Russlands Präsident Putin hat dem tschetschenischen Machthaber Kadyrow für dessen Einsatz in der Ukraine gedankt. Deutschland hat der Ukraine seit Kriegsbeginn Waffen für rund 18 Milliarden Euro geliefert oder zugesagt.
- Putin dankt Kadyrow für „heldenhaften“ Einsatz
- NATO-Generalsekretär in der Ukraine eingetroffen
- Ukraine meldet Abschuss von 34 russischen Drohnen
- Moskau bleibt bereit für Gespräche über Ukraine
18:13 Uhr
Ex-Fußballstar Schewtschenko wird Sonderberater Selenskyjs
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den ehemaligen Fußballstar Andrej Schewtschenko zu seinem Sonderberater ernannt. Wie Selenskyjs Büro weiter mitteilte, soll auch der britische Schauspieler Mark Strong eine Funktion im Auftrag der ukrainischen Regierung übernehmen, und zwar als Botschafter der von Selenskyj ins Leben gerufenen Spenden-Plattform United24, die Geld für das von Russland angegriffene Land sammelt. Welche Aufgaben Schewtschenko als Berater des Präsidenten übernehmen soll, war zunächst nicht klar.
Der ehemalige ukrainische Starstürmer legte aber nahe, dass er in dieser Funktion seine eigene Arbeit für United24 ausbauen werde. „Meine Rolle hat sich nicht groß verändert, aber ich werde noch härter arbeiten“, sagte Schewtschenko nach einem Golfturnier für Prominente in Rom. Über United24 wurden knapp 450 Millionen Dollar aus mehr als 110 Ländern gesammelt. Weitere Botschafter der Plattform sind etwa Sängerin Barbra Streisand, Schauspieler Liev Schreiber und Unternehmer Richard Branson.
EU verlängert Schutzstatus für ukrainische Flüchtlinge
Ukrainische Kriegsflüchtlinge sollen noch bis mindestens März 2025 einen besonderen Schutz in der Europäischen Union (EU) genießen. Die EU-Innenminister einigten sich in Brüssel darauf, den temporären Schutzstatus um ein Jahr zu verlängern, wie aus einer heute in Brüssel veröffentlichten Erklärung der Mitgliedstaaten hervorgeht. „Die Verlängerung des Schutzstatus bedeutet Gewissheit für die mehr als vier Millionen Flüchtlinge, die in der EU einen sicheren Zufluchtsort gefunden haben“, erklärte der amtierende spanische Innenminister Fernando Grande-Marlaska, dessen Land bis Ende des Jahres den Vorsitz im Ministerrat hat. Deutschland hat gut eine Million ukrainische Flüchtlinge aufgenommen.
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatten die EU-Staaten die Richtlinie zum vorübergehenden Schutz erstmals aktiviert. Damit können die Kriegsflüchtlinge ohne Asylverfahren schnell und unbürokratisch einen Aufenthaltstitel erhalten. Sie können einer Arbeit nachgehen, ihre Kinder zur Schule schicken und sind krankenversichert. Bisher war der temporäre Schutz bis Anfang März 2024 befristet. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nannte die Verlängerung in Brüssel „ein gutes Signal“.
16:16 Uhr
Moldau: Raketentrümmer in See gestürzt
Sicherheitskräfte der osteuropäischen Republik Moldau haben einen etwa 40 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernten See abgesperrt. Dort waren Raketentrümmer gefunden worden. Es bestehe der Verdacht, dass sich der Sprengsatz der abgestürzten Rakete auf dem Grund des Sees befinde, schrieb das moldauische Innenministerium auf Facebook. Auch der Innenminister Adrian Efros sei persönlich vor Ort.
Der Hîrbovăţ-See liegt nur wenige Kilometer westlich der von Moldau abtrünnigen Separatistenregion Transnistrien. Die Rakete wurde demnach bereits am Mittwoch entdeckt, die Bergung wegen der einbrechenden Dunkelheit aber heute verschoben. Fachkräfte sollen den Typ und die Herkunft des Geschosses ermitteln.
Im Laufe des russischen Angriffskrieges stürzten in den vergangenen Monaten bereits mehrmals Raketen- und Drohnenteile in Nachbarländern der Ukraine ab. Im November 2022 etwa wurden zwei Menschen in Polen durch Trümmer getötet, die bisherigen Erkenntnissen zufolge von einer ukrainischen Flugabwehrrakete stammten. In den vergangenen Wochen wurden zudem mehrfach Teile russischer Kamikaze-Drohnen im rumänischen Grenzgebiet entdeckt.
Putin dankt Kadyrow für „heldenhaften“ Einsatz
Kremlchef Wladimir Putin hat den tschetschenischen Machthaber Ramsan Kadyrow demonstrativ vor Fernsehkameras für die „positive“ Entwicklung in der russischen Teilrepublik im Nordkaukasus gelobt. Dank Kadyrow gebe es eine „gute Dynamik“ in Tschetschenien, sagte Putin in einem heute von Staatsmedien veröffentlichten Clip.
Besonders dankte Putin auch für den „heldenhaften“ Einsatz von Kadyrows Kämpfern in Russlands Krieg gegen die Ukraine. Kadyrow, dem schwerste Menschenrechtsverstöße, Gewalt gegen Andersdenkende und Auftragsmorde vorgeworfen werden, betonte, dass er alle Befehle Putins „zu 100 Prozent“ erfülle. Zuletzt hatte es in sozialen Netzwerken Spekulationen um den Gesundheitszustand des 46-Jährigen gegeben. Nun zeigte sich Kadyrow bestens aufgelegt im Kreml bei dem Treffen mit Putin, beide lächelten zufrieden.
Putin: Wahlen in annektierten Gebieten waren fair
Die Wahlen in den vier von Russland annektierten ukrainischen Gebieten Donezk, Luhansk, Cherson und Saporischschja in diesem Monat waren nach Aussagen von Russlands Präsident Wladimir Putin fair. Sie zeigten, dass die Regionen einen weiteren Schritte in Richtung volle Integration in Russland gemacht hätten, sagt Putin vor neu gewählten Gouverneuren. Russland hatte die vier Gebiete vor einem Jahr annektiert und für Mitte September Wahlen angesetzt. Russischen Angaben zufolge ging Putins Partei „Geeintes Russland“ als klarer Sieger daraus hervor.
Deutschland und weitere Verbündete der Ukraine hatten die Kommunal- und Regionalwahlen scharf verurteilt. Das Auswärtige Amt bezeichnete die „Scheinwahlen“ als „durchschaubare Propagandaübung“.
NATO-Generalsekretär in der Ukraine eingetroffen
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat zum zweiten Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 die Ukraine besucht. Der Norweger traf in Kiew den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Das Treffen war aus Sicherheitsgründen zunächst geheim gehalten worden. Zum ersten Mal nach Kriegsbeginn hatte Stoltenberg die Ukraine am 20. April dieses Jahres besucht.
Es sei „eine Frage der Zeit“, bis die Ukraine Mitglied der Allianz sei, sagte Selenskyj bei einer gemeinsamen Pressekonferenz. „Wir tun alles, um diesem Zeitpunkt näher zu kommen.“
Stoltenberg und Selenskyj beim Treffen in Kiew.
Selenskyj forderte bei dem Treffen von der NATO mehr Unterstützung bei der Luftabwehr, um die Energie-Infrastruktur seines Landes vor allem im nahenden Winter schützen zu können. Stoltenberg wolle bei der Mobilisierung der NATO-Staaten in diesem Punkt helfen. „Wir müssen gemeinsam durch diesen Winter gehen, um unsere Energie-Infrastruktur und das Leben unser Bürger zu schützen“, sagte der ukrainische Präsident.
Bundeskartellamt gibt grünes Licht für deutsch-ukrainisches Rüstungsunternehmen
Das Bundeskartellamt hat keine Einwände gegen die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall und des ukrainischen Staatskonzerns Ukrainian Defense Industry (UDI). Das neue Unternehmen „soll in der Ukraine Militärfahrzeuge bauen und warten“, erklärte Bundeskartellamtschef Andreas Mundt. In Deutschland ergeben sich demnach durch dieses Vorhaben weder wettbewerbliche Überschneidungen noch Anhaltspunkte für wettbewerbliche Bedenken. „Unsere Freigabe haben wir zügig erteilt.“
Britischer Verteidigungsminister sichert weiter Hilfe zu
Der neue britische Verteidigungsminister Grant Shapps hat zum Antrittsbesuch bei Präsident Wolodymyr Selenskyj der Ukraine weitere Unterstützung zugesichert. „Wir werden unermüdlich daran arbeiten, unsere Partner zusammenzubringen, um der Ukraine dabei zu helfen, Putins illegale Invasion niederzuschlagen“, schrieb Shapps auf X (ehemals Twitter). Laut Präsidentenamt in Kiew betonte Selenskyj vor allem, wie wichtig eine Stärkung der Luftabwehr sei. Dies sei vor allem mit Blick auf mögliche neue russische Luftschläge gegen die Energieinfrastruktur des Landes im Winter nötig, sagte er demnach.
Shapps teilte mit, dass die Ukraine ihre besetzten Gebiete befreie und Großbritannien dabei helfe. Er sei in Kiew, um zu erfahren, was es für den Sieg noch notwendig sei. Auch Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu wollte Pariser Medien zufolge heute nach Kiew reisen, um dort seinen Kollegen Rustem Umjerow zu treffen. Er soll von Industriellen aus dem Verteidigungssektor begleitet werden.
Britisches Ministerium: Russland hat bisher 90 Flugzeuge verloren
Großbritannien geht davon aus, dass die russischen Luftstreitkräfte im Angriffskrieg gegen die Ukraine bisher schätzungsweise 90 Flugzeuge verloren haben. „Einige ihrer Kampfflugzeugtypen werden auch viel intensiver geflogen als in Friedenszeiten“, teilte das britische Verteidigungsministerium mit.
Alle Flugzeuge hätten eine erwartete Lebensspanne in Flugstunden. Die Briten halten es für sehr wahrscheinlich, dass Russland diese Flugstunden wegen des Kriegs schneller aufbraucht als ursprünglich geplant. Zudem würden Wartungsarbeiten erschwert, weil es wegen der hohen Nachfrage und der Sanktionen an Ersatzteilen mangele, schrieb das Ministerium bei X (vormals Twitter).
Waffen an Ukraine für 18 Milliarden Euro
Die Bundesregierung hat der Ukraine seit Kriegsbeginn im vergangenen Jahr Waffen im Wert von rund 18 Milliarden Euro geliefert oder zugesagt – und verlangt dafür keine Bezahlung. Die militärischen Unterstützungsleistungen seien „nicht rückerstattungspflichtig“, heißt es in einer Antwort des Bundesfinanzministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen; aus der die Nachrichtenagentur AFP zitiert.
Im vergangenen Jahr habe sich der Wert der gelieferten Waffen auf zwei Milliarden Euro summiert, und im laufenden Jahr würden es voraussichtlich 5,4 Milliarden Euro sein, schrieb das Bundesfinanzministerium. Hinzu kämen Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 10,5 Milliarden Euro für die Folgejahre. Dagdelen warf der Koalition falsche Prioritäten bei den Ausgaben vor. „Faktisch finanziert die Ampel ihre milliardenschweren Waffengeschenke an die Ukraine durch die sozialen Kürzungen“, sagte sie zu AFP. Es sei „unsäglich, dass die Ampel-Regierung den Haushalt in sozialen Bereichen wie beim Müttergenesungswerk sowie bei Familienferienstätten um jeweils 93 Prozent kürzen will, aber an die Ukraine großzügig Militärhilfe für 18 Milliarden Euro verteilt“.
Ukraine meldet Abschuss von 34 russischen Drohnen
Die ukrainischen Flugabwehrsysteme haben nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe in der Nacht 34 der 44 von Russland abgefeuerten Shahed-Drohnen in den Regionen Odessa und Mykolajiw abgeschossen. „Kampfflugzeuge, Flugabwehrraketen und mobile Feuergruppen wurden eingesetzt, um den Angriff abzuwehren“, teilte das Militär über den Nachrichtendienst Telegram mit.
Russland habe insbesondere den Süden des Landes mit einer „massiven“ Angriffswelle überzogen, schrieb Armeesprecherin Natalia Gumenjuk bei Telegram. Zudem habe Russland Ziele im Zentrum des Landes mit Drohnen attackiert. „Die Folgen des Angriffs werden jetzt geklärt, denn es handelte sich tatsächlich um einen massiven Angriff“, erklärte Gumenjuk. „Die Flugabwehr war aber sehr effektiv.“
Ukraine: Truppen wehren russische Angriffe an Ostfront ab
Die ukrainischen Truppen wehren derzeit einem Militärsprecher zufolge Angriffe der russischen Streitkräfte an der Ostfront ab. „Wir wehren weiterhin heftige feindliche Angriffe in der Nähe von Klischtschiwka und Andrijwka ab“, sagte Ilja Yewlasch im staatlichen Fernsehen der Ukraine. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj verwies in einem Beitrag auf Telegram kurz auf „unseren Vorstoß im Sektor Donezk“ im Osten, nannte aber keine Einzelheiten. Selenskyj erklärte, die Gegenoffensive werde Zeit brauchen und wies westliche Kritiker zurück, die behaupteten, der Vormarsch sei zu langsam und mit strategischen Fehlern behaftet.
Angaben zu Kriegsverlauf, Beschuss und Opfern durch offizielle Stellen der russischen und der ukrainischen Konfliktparteien können in der aktuellen Lage nicht unmittelbar von unabhängiger Stelle überprüft werden.
Lawrow: Moskau bleibt bereit für Gespräche über Ukraine
Russland ist nach Aussagen von Außenminister Sergej Lawrow weiterhin unter bestimmten Bedingungen bereit, Abkommen über die Ukraine abzuschließen. „Unsere Position bleibt dieselbe: Wir sind bereit, Abkommen zu treffen, vorausgesetzt, dass die aktuelle Situation vor Ort berücksichtigt wird“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Tass Lawrow. Darüber hinaus müssten die Sicherheitsinteressen Russlands beachtet werden, darunter die Notwendigkeit, „die Schaffung eines feindlichen Nazi-Regimes in der Nähe der russischen Grenzen zu verhindern“.
Lawrow hatte laut Tass bereits gesagt, je länger Kiew Gespräche mit Moskau verzögere, desto schwieriger werde eine Einigung. Moskau besteht vor möglichen Verhandlungen unter anderem darauf, dass die Ukraine auf ihre von russischen Truppen besetzten Gebiete verzichtet. Das lehnt die Ukraine entschieden ab. Am Dienstag hatte der frühere ukrainische Box-Weltmeister Wladimir Klitschko gesagt, er sehe derzeit keinerlei Chancen, mit Russland über Frieden zu verhandeln.