Nach Angriff der Hamas Neue Frist abgelaufen – UN sprechen von Massenflucht
15. Oktober 2023Nach dem Ende einer neuen Evakuierungsfrist berichten die Vereinten Nationen von einer „Massenflucht“ in den Süden des Gazastreifens. Krankenhäuser vor Ort warnen unterdessen, dass ihnen bald der Strom ausgehe – und sich die Lage zuspitzt.
Angesichts eines neuen von Israel gesetzten Zeitfensters zur Evakuierung von Gaza-Stadt haben offenbar nochmals viele Menschen das Gebiet verlassen. Das UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten (OCHA) erklärte, eine „Massenflucht aus dem Norden in den Süden des Gazastreifens ist im Gange“.
Israel hatte Zivilisten zwischen 9 und 12 Uhr MESZ einen sicheren Fluchtkorridor Richtung Süden zugesichert. Ein israelischer Militärsprecher bestätigte in einer Video-Pressekonferenz: „Wir haben eine signifikante Bewegung palästinensischer Zivilisten in Richtung Süden festgestellt.“ Rund um den Gazastreifen würden sich israelische Soldaten der Reserve „in Formation auf die nächste Phase der Einsätze“ vorbereiten. Sie seien rund um den Gazastreifen postiert, im Süden, im Zentrum und im Norden, so der Sprecher.
Krankenhäusern geht Energie aus
Für die Menschen im komplett abgeriegelten Gazastreifen wird die Lage unterdessen immer schwieriger. Es fehlt an Lebensmitteln, Wasser und Treibstoff. Mediziner vor Ort warnen vor einer Katastrophe mit etlichen Toten in den Krankenhäusern der Küstenenklave. Den Kliniken gehe nach der Abschaltung des einzigen Elektrizitätskraftwerks im Gazastreifen der Treibstoff zum Betrieb von Generatoren aus. Die UN rechnen damit, dass den Krankenhäusern in Gaza noch Treibstoff für etwa zwei Tage zur Verfügung steht.
Ärzte etwa im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis, dem zweitgrößten Hospital des Gazastreifens, berichten, dass Hunderte Menschen mit Explosionsverletzungen in den vergangenen acht Tagen eingeliefert worden seien. Viele Patienten hätten schwere und komplexe Verletzungen und benötigten intensivmedizinische Betreuung. Dutzende müssten intensivmedizinisch behandelt oder künstlich beatmet werden. „All diese Patienten sind in Todesgefahr, wenn die Stromzufuhr endet“, erklärte ein Arzt.
Nach palästinensischen Angaben wurden seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel vor einer Woche inzwischen mehr als 2300 Menschen im Gazastreifen getötet und gut 10.000 verwundet. Allein in den letzten 24 Stunden seien 300 Menschen gestorben, gab das palästinensische Gesundheitsministerium bekannt.
Unklarheit über Bodenoffensive
Wann die erwartete israelische Bodenoffensive beginnen würde, blieb weiter unklar. Die israelische Zeitung „Haaretz“ warnte, je länger Israel warte, desto eher werde die Solidarität des Westens mit dem angegriffenen Land schwinden.
Für den Fall eines Einmarsches israelischer Bodentruppen wird eine Ausweitung des Konflikts durch Angriffe der Schiitenmiliz Hisbollah vom Südlibanon auf Israel befürchtet. Irans Außenminister Hussein Amirabdollahian hatte Israel schon am Vortag vor einem „Erdbeben gegen die Zionisten“ gewarnt. International wächst die Sorge, dass sich der Konflikt zu einem Flächenbrand entwickelt.
Sperrzone an Grenze zu Libanon
Auch an der nördlichen Grenze zum Libanon spitzt sich die Lage zu. Seit Tagen kommt es dort zu Gefechten zwischen Bewaffneten der pro-iranischen Hisbollah-Miliz und der israelischen Armee. Es gab Tote auf beiden Seiten. Die israelische Armee erklärte nun einen vier Kilometer breiten Streifen im Grenzgebiet zu einer Sperrzone. Es sei verboten, diese Zone zu betreten. Zivilisten, die in weniger als zwei Kilometern Entfernung von der Grenze wohnen, wurden angewiesen, stets in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben.
Laut syrischen Medienberichten griff die israelische Armee zudem den internationalen Flughafen der nordsyrischen Stadt Aleppo an. Der Betrieb dort sei dadurch zum Erliegen gekommen. Bei dem Beschuss am Samstagabend sei die Start- und Landebahn getroffen worden, berichtete die Tageszeitung „Al-Watan“. Erst Stunden zuvor war sie nach einem ähnlichen Angriff Israels vom Donnerstag repariert worden.