Deichbrüche durch Sturmflut: Lage in Wieck entspannt sich
22. Oktober 2023Der Sturm und die Flut haben in der Nacht zum Sonnabend in Mecklenburg-Vorpommern Schäden angerichtet. Mehrere Gemeinden waren vom Hochwasser bedroht, mussten aber bisher nicht evakuiert werden. Die Lage in Wieck am Darß entspannt sich langsam.
Der Sturm und das Hochwasser in der Nacht zum Sonnabend haben auch in Mecklenburg-Vorpommern Spuren hinterlassen. In Wieck auf dem Darß ist ein Deich an gleich zwei Stellen gebrochen. Bis zum Morgen strömte aus einem der beiden Löcher Wasser aus dem Bodden auf die umliegenden Felder. Laut Kay Mittelbach, Kreiswehrführer in Vorpommern-Rügen, entspannt sich die Lage aber langsam: „Es läuft nur noch eine geringe Menge Wasser nach“, sagte er am Morgen gegenüber NDR 1 Radio MV. Auf den Feldern sei ebenfalls erkennbar, dass die Pegelstände nun sinken. „Wir werden nachher versuchen, den leichten Strom zu schließen – und dann, glaube ich, ist die größte Gefahr hier in Wieck gebannt“, so Mittelbach weiter.
Feuerwehrleute befüllen Boote mit Sandsäcken
75 Häuser in Wieck waren am Sonnabend von dem Hochwasser gefährdet, viele von ihnen waren mit Sandsäcken vor dem Wasser geschützt worden. Rund 80 Einsatzkräfte sind derzeit noch vor Ort. Etwa 30 von ihnen versuchen mit Sandsäcken, die Durchbruchstellen zu stopfen. Zuvor wurden die Sandsäcke im Wiecker Hafen auf Boote geladen. Kreiswehrführer Mittelbach schätzt, die Stelle könnte bis 14 Uhr abgedichtet ein.
1.000 Euro Bußgeld für Schaulustige
Die Warnung der Bevölkerung ist bereits zurückgenommen. Dennoch gilt weiterhin Vorsicht in der Region: Aktuelle Drohnenaufnahmen zeigen, dass das Wasser weiterhin auf vielen Ackerflächen steht. Der Deich gilt als instabil. Die Polizei fährt weiterhin Streife und kontrolliert, dass sich keine Schaulustigen im Gefahrengebiet aufhalten. Wer die Einsatzkräfte behindert, begeht eine Ordnungswirdigkeit – das kann mit einem Bußgeld von bis zu 1.000 Euro geahndet werden.
Auch auf der gegenüberliegenden Boddenseite beobachtet die Feuerwehr weiter die Lage in zwei Dörfern. In Michaelsdorf und Neuendorf-Heide waren gestern rund 100 Einwohner über das Hochwasser informiert und mit Sandsäcken versorgt worden.
Promenadenweg in Sassnitz stark beschädigt
In Sassnitz riss die Flut fast alle Steinplatten des Promenadenwegs weg. Der Bürgermeister der Stadt rechnet mit Schäden im dreistelligen Millionenbereich. In Stahlbrode bei Greifswald wurden auf den Kaianlagen des Hafens zahlreiche Pflastersteine herausgebrochen. Im Hafen selbst rissen sich mehrere Boote los. In Graal-Müritz spülten die Sturmwellen östlich der Seebrücke auf rund einem Kilometer Länge etwa drei bis acht Meter der Dünen weg. Einige Abschnitte des Strandes wurden nach Angaben der Bürgermeisterin vorübergehend gesperrt. Die Seebrücke und die Strandaufgänge rechts und links davon können genutzt werden. Auch in Ahrenshoop schwemmte die Sturmflut Teile des Sandstrandes weg.
Unter anderem in Rostock, Wismar und bei Pötenitz (Landkreis Nordwestmecklenburg) mussten wegen Hochwassers Straßen gesperrt werden. In Wismar liefen einige Keller voll Wasser. Anderenorts behinderten umgestürzte Bäume den Verkehr, bis sie von den Feuerwehren weggeräumt wurden. Der Sturm beschädigte ein Haus in Sagard und ein Hotel in Binz auf Rügen. Auch ein Wagon des „Rasenden Roland“ wurde von einem Baum getroffen. Aber nirgends in Mecklenburg-Vorpommern gab es Verletzte.
Scheitelpunkt nach Mitternacht überschritten
Nachdem die Sturmflut in der Nacht von Freitag zu Sonnabend ihren Scheitelpunkt erreicht hatte, sanken die Pegelstände wieder. In der Spitze wurden etwa in Wismar und Timmendorf auf Poel Wasserstände erreicht, die bis zu 1,60 Meter über dem mittleren Wasserstand lagen. Weiter östlich stieg das Wasser nicht ganz so hoch. Dafür wehten am Freitagabend etwa auf Rügen stramme Orkanböen mit mehr als 130 km/h.
Küstenorte gut vorbereitet
Viele Orte in Küstennähe hatten sich bereits seit Donnerstag auf Sturm und Hochwasser vorbereitet. Unter anderem wurde in Greifswald das Sperrwerk geschlossen, in Wismar wurden zahlreiche Sandsäcke verbaut. Die Feuerwehren räumten schon am Freitag vereinzelt umgestürzte Bäume von den Straßen – zum Beispiel bei Mukran auf der Insel Rügen und vielerorts an der Mecklenburgischen Seenplatte. Der Fährverkehr wurde wegen des Sturmes zeitweise eingeschränkt. Zahlreiche Verbindungen etwa nach Dänemark und Schweden, aber auch zwischen Rügen und Hiddensee fielen aus. Sonnabendvormittag wurde der Betrieb unter anderem zwischen Rostock und Gedser wieder aufgenommen.
Stürme über der Ostsee keine Seltenheit
Die Ostsee-Küste wird immer wieder von verheerenden Sturmfluten heimgesucht. Bei der schwersten Sturmflut an der südwestlichen Ostseeküste starben 1872 etwa 275 Menschen. Vom Hochwasser getroffen wurden zahlreiche Orte an der dänischen und deutschen Küste. Die Insel Usedom wurde in zwei Teile gerissen. Das Wasser stand bis zu 2,80 Metern über Normal.
Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels hieß es, das BSH habe einen Wasserstand von 200 Zentimetern über Normalnull für Wismar erwartet. Wir haben die Information entsprechend korrigiert.