Nach Pistorius-Forderung: Wie „kriegstüchtig“ ist MV?
30. Oktober 2023Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) fordert: Sowohl die Bundeswehr als auch die Gesellschaft müssten „kriegstüchtig“ werden. Der Ehrenvorsitzende vom Verband der Reservisten Manfred Soltwedel plädiert lieber für Zuversicht und Wehrpflicht.
„Bitte halten Sie sich nicht an den Dienstweg!“ Ein Satz der vor wenigen Wochen im Marinearsenal in Rostock-Warnemünde fiel. Verteidigungsminister Boris Pistorius sprach ihn bei seinem Antrittsbesuch in seiner Rede an die Belegschaft. Er wolle über alle Probleme informiert sein und bevorzuge – Führungsebenen hin oder her – den direkten Austausch ohne Umwege.
Fehlendes Material macht der Truppe zu schaffen
Schnelligkeit ist das Gebot der Stunde bei der Bundeswehr: Schnelligkeit in der Beschaffung neuer Technik, Schnelligkeit bei notwendigen Reparaturen. Pistorius hat das nach Meinung vieler Beobachter verstanden: Ob beim Besuch des Flugabwehrgeschwaders in Gubkow bei Sanitz im Mai, wo es an Ersatzteilen für das Patriot-System fehlt. Ob beim Luftwaffengeschwader in Laage, wo man sich über Ersatzteile für den Eurofighter freuen würde. Laut Pistorius fehlen in allen Waffengattungen Nachfolgemodelle, das vorhandene Material falle immer wieder aus und sei nicht einsatzbereit. Pistorius wird nicht müde, das gegenüber Soldaten und Presse offen auszusprechen.
Soldaten in MV gut trainiert
An Übung fehle es den Soldaten in Mecklenburg-Vorpommern dagegen nicht, sagt der Ehrenvorsitzende des Verbandes der Reservisten in Mecklenburg-Vorpommern, Manfred Soltwedel. Das Heer ist samt Material aus Torgelow und Hagenow gerade erst aus Litauen zurück, wo es am Manöver „Griffin Storm“ teilgenommen hat. Die Luftwaffe hat nach den internationalen Großübungen „Air Defender“ und „Baltic Hunter“ gerade in Jordanien an der Übung „Desert Air“ teilgenommen. Die Marine trainiert nicht nur regelmäßig in der Ostsee, etwa bei „Baltops“ oder Manövern wie „Northern Coasts“, sondern ist auch seit 2006 am UNIFIL-Einsatz der UN beteiligt und dort mit wechselnden Korvetten aus Warnemünde vor der libanesischen Küste unterwegs.
Erst vor wenigen Tagen waren Soldaten aus Mecklenburg-Vorpommern in Naqoura, dem UN-Hauptquartier im Libanon, unweit der israelischen Grenze, Zeugen eines Raketeneinschlags in der Kaserne. Soltwedels Fazit: Die Soldaten verfügen über militärische Fähigkeiten.
Pistorius: „Sondervermögen reicht nicht“
Wenn Pistorius nun fordert: „Wir müssen kriegstüchtig werden“, dann geht es laut Beobachtern nicht nur um die Qualifikation der Soldaten, sondern auch um Ausrüstung – und die kostet. Auch das räumt Pistorius ein: Das Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro, werde dafür nicht reichen. Deshalb kann man Pistorius‘ Worte vom Wochenende wohl auch als Werbung für das Ziel verstehen, dass der Wehretat künftig zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen sollte und als Werbung um das Verständnis dafür auch in der Gesellschaft.
Soltwedel: Bevölkerung lieber zu Optimismus und Zuversicht aufrufen
So sieht es zumindest der frühere Fregattenkapitän Soltwedel im NDR Gespräch. Er teile Pistorius‘ Auffassung nicht, dass ein Krieg in Europa drohe und nennt den Begriff „kriegstüchtig“ erschreckend. Er verstehe zwar, dass Pistorius Argumente suche, Geld für die notwendigen Anschaffungen zu erhalten. Dennoch plädiert Soltwedel dafür, die Bevölkerung lieber zu Optimismus und Zuversicht aufzurufen. Er sei überzeugt, dass es ein wichtiges Zeichen sei, diplomatische Lösungen sowohl in Europa als auch im Nahen Osten anzustreben. Andererseits nennt Soltwedel die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland als eine Möglichkeit, die von Pistorius geforderte Kriegstüchtigkeit wiederherzustellen.