Große Befragung in DeutschlandLockdown und Kontaktsperre: Das sagen 178 Experten zu den Corona-Maßnahmen

14. Mai 2020 Aus Von mvp-web

Sind die momentanen Corona-Maßnahmen sinnvoll? 178 Experten verschiedener gesundheitlicher Fachrichtungen haben an einer Befragung von Wissenschaftlern aus Tübingen und Hamburg teilgenommen und die derzeitigen Interventionen eingeschätzt.

Die Zustimmung der Gesundheitsexperten zu den von der Bundesregierung getroffenen Maßnahmen hat in den letzten Wochen abgenommen. Zwar hält immer noch die Mehrheit die Maßnahmen für sinnvoll (51 Prozent), im März waren es aber mit 80,7 Prozent noch deutlich mehr.

Das berichten Wissenschaftler um Virologie-Professor Michael Schindler von der Uniklinik Tübingen und Steffen Moritz, Professor für Psychiatrie der Uniklinik Hamburg-Eppendorf. Sie haben eine anonyme Online-Befragung für Experten aus den Fachgebieten Virologie, Mikrobiologie, Hygiene, Tropenmedizin, Immunologie, Innere Medizin und Intensivmedizin erstellt.

178 Teilnehmer beantworteten ihre Fragen. Von diesen Ergebnissen berichteten die Wissenschaftler nun und stellten sie zudem den Resultaten gegenüber, die sie bereits in einer ersten Befragung mit 197 Teilnehmern im März gewonnen hatten.

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Dem Mund-Nasen-Schutz standen die Wissenschaftler ambivalent gegenüber

Demnach stimmten mehr als sieben von zehn Befragten für die Aufrechterhaltung der Abstandsregeln und auch das Verbot von Großveranstaltungen befürworteten die Wissenschaftler. Kita- und Schulschließungen sahen hingegen nur weniger als 5 Prozent als eine sinnvolle Intervention an.

67 Prozent der Befragten seien aber mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung zufrieden, berichtet der „Spiegel“. Als eher verhältnismäßig hätten fast acht von zehn Befragten (77 Prozent) die Einschränkungen der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit eingestuft, heißt es dort weiter.

Die Einschätzung der Experten zu Verlauf und Schwere der Erkrankung hatte sich nicht wesentlich verändert, berichten die Wissenschaftler.

Einem Mund-Nasen-Schutz standen die Befragten ambivalent gegenüber. Während die deutliche Mehrheit (mehr als 70 Prozent) eine falsche Verwendung fürchtete und auch eine Schutzwirkung nicht wissenschaftlich belegt sei, befürworteten viele das Tragen der Masken in Bus, Bahn oder Tram.

„In diesem Zusammenhang hat uns die diskrepante Haltung gegenüber dem Thema Atemmasken überrascht. Obwohl keine oder widersprüchliche Evidenz zu deren Schutzwirkung bekannt ist, befürwortet ein Großteil das Tragen z.B. im ÖPNV“, sagt Schindler. „Auch Wissenschaftler sind nur Menschen und scheinen bei einigen Themen eher ihrem Bauchgefühl zu vertrauen“, fügt er hinzu.

Einer von drei Experten sah freie Meinungsäußerung in der Wissenschaft bedroht

62 Prozent, also fast zwei von drei Wissenschaftlern, befürworteten in der neuen Befragung, das öffentliche und wirtschaftliche Leben wiederherzustellen, aber Masken im Alltag zu tragen. Bei der Erstbefragung im März hatten dem nur 16,8 Prozent und damit nicht mal zwei von zehn Befragten zugestimmt.

Auch den Medien stehen die Experten mittlerweile kritischer gegenüber als noch im März. Während in der Erstbefragung noch knapp acht von zehn Befragten (79,7 Prozent) die Berichterstattung sachlich empfanden, waren es jetzt noch knapp sechs von zehn (59 Prozent). Einer von drei Experten sah zudem die freie Meinungsäußerung in der Wissenschaft bedroht, wie die Macher der Untersuchung aus Hamburg und Tübingen berichten.

„Ein aus unserer Sicht bedenkliches Ergebnis“, erklärt Schindler. Wenn sich ein Drittel der Fachkolleginnen und Kollegen in Ihrer freien Meinungsäußerung bedroht sieht, sollten wir unsere Diskussionskultur grundsätzlich hinterfragen.“

Focus Online: Mittwoch, 13.05.2020, 17:58